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 Ephippien durch den Sacrower Graben in die Havel gelangen.  Dagegen  fing ich am 19. November 1908  
 im Sacrower  See in mehreren Exemplaren Ephippium  tragende Weibchen von B.  c.  berolinensis  und  
 B. c. thersites, die  n u r 1) aus der Havel stammen können.  Dieser Fang beweist, daß bei Hochwasserstand  
 der Havel Bosminenformen aus der Havel in den Sacrower See eingespült wurden, und es dürfte  
 sich  der  gleiche  Vorgang  alljährlich  beim  Herbst-  und  Frühjahrshochwasser  der  Havel  abspielen.  
 Dennoch  fand ich  trotz  zahlreicher  von  mir  daraufhin  durchgesehener  Fänge  im  Sommer  niemals  
 weder  in Fängen  aus  früheren Jahren  (von 1903  an)  noch in späteren (von  1909—1910) ein Exemplar  
 von  B.  c.  berolinensis  oder  B.  c.  thersites.  Das  ist  nur  so  zu  verstehen,  daß  diesen  Formen  die  
 Lebensbedingungen  im  Sacrower  See  nicht  genügen,  und  daß  die  wahrscheinlich  alljährlich  in  
 denselben  hineingespülten  Havelbosminen  daselbst  nicht  festen  Fuß  fassen  können,  sondern  bald  
 aussterben.  D i e   a l l j ä h r l i c h   e r f o l g e n d e   I n v a s i o n   f ü h r t   a l s o   h i e r   im  
 Gegensatz zu meinen Beobachtungen  am Tegeler See S w e g e n   d e r   U n g u n s t   d e s   Mi l i e u s   
 im  S a c r o w e r   See   zu   k e i n e r   d a u e r n d e n   F a u n e n v e r ä n d e r u n g .   Auf  welchen  
 Milieufaktor  allerdings  die  Faunen  Verschiedenheit  des  Sacrower  Sees  und  der  Havel  zurückzuführen  
 ist,  bleibt  eine  offene Frage.  Icii will jedoch  diesbezüglich auf die  a u ß e r o r d e n t l i c h   
 v e r s c h i e d e n e n   T i e f e n v e r h ä l t n i s s e   des  Sacrower  Sees  (37  m)  und  der  Havelseen  
 (durchschnittlich  4  bis  6 m,  an  keiner Stelle  viel  über  10 m  tief)  hinweisen. 
 Eine zweite,  der eben mitgeteilten sehr ähnliche Beobachtung machte ich am Paarsteiner See,  
 vgl. Kartenskizze  1  auf  p.  124.  Der große Paarsteiner See,  der an seinem südlichen Ufer  eine westöstliche  
 Erstreckung von 4,5 km besitzt, verjüngt sich im Nordwesten zu einer nur ca.  300 m breiten,  
 1  km langen,  flachen Rinne,  an  die sich  ein kleinerer,  etwas über  1  qkm großer  See,  nennen wir ihn  
 den Nordwestsee, anschließt.  Die Verbindungsrinne zwischen beiden Seen ist auf eine Strecke von ca.  
 500  m  durch  Vertorfung  gegenwärtig  dem Verlanden  nahe,  doch wird  stets  künstlich  eine  schmale  
 Durchfahrt  zum  Passieren  der  Fischerboote  offen  gehalten.  Der  Wasserspiegel  in  beiden  Seen  ist  
 gleich hoch.  In den Nordwestsee ergießt sich ein kleiner Bach,  dessen Wasser aus dem nahen,  5,3 m  
 höher  gelegenen  Rosiner  See  stammt.  Der  Paarsteiner  See  hat  eine  Maximaltiefe  von  27  m,  der  
 Nordwestsee  dagegen  ist  nicht  über  6  m  tief. —  In  dem  tiefen  Hauptbecken  des  Paarsteiner  Sees  
 nun lebt B. c. crassicornis und B. c. cisterciensis, im Nordwestsee dagegen eine B. c. coregoni f. diaphana,  
 die im Sommer Übergänge zu B. c. lilljeborgii zeigt.  Letztere Form ist identisch mit der im erwähnten  
 Rosiner  See lebenden B.  c.  coregoni f.  diaphana,  ist  also wohl  durch den Bach,  der vom Rosiner  See  
 zum Nordwestsee fließt,  in letzteren importiert.  Da mit Sicherheit anzunehmen ist,  daß ursprünglich  
 der Nordwestsee in offener Kommunikation mit dem Hauptbecken des Paarsteiner Sees gestanden hat,  
 wird  er  auch  die  gleiche  Bosminenfauna  wie  jenes  beherbergt  haben.  Noch  jetzt werden  mitunter  
 Individuen von B.  c.  cisterciensis durch die Fahrrinne in den Nordwestsee verschlagen,  denn ich fing  
 mehrmals  an  der  Einmündung  der  Fahrrinne  in  den Nord westsee  vereinzelte  Exemplare  von  B.  c.  
 cisterciensis.  Jedoch können sich diese gelegentlich in den Nord westsee verschlagenen Tiere daselbst  
 nicht halten.  Es  ist  anzunehmen,  daß  sich,  nachdem  durch die Verlandung  der Rinne  der Wasseraustausch  
 zwischen  beiden  Seen  stark  herabgesetzt war,  in  dem  flacheren  Nordwestsee  bedeutende  
 physikalisch-chemische Differenzen  gegenüber  dem  tiefen  Hauptbecken  herausgebildet  haben.  Die  
 an  die  Lebensbedingungen  über  tiefem Wasser  angepaßten  Bosminen:  B.  c.  crassicornis  und  B.  c.  
 cisterciensis  konnten  sich  in  dem  flachen  Nordwestsee  nicht mehr  halten;  sie  starben  aus,  und  die  
 l)  In   dem  zum  Sacrower  See  hin  entwässernden  Gr.  Glinicker  See  lebt  n u r   B.  c.  coregoni. 
 — 
 vom Bach des Rosiner Sees eingeschleppte B. c. coregoni f. diaphana drang siegreich vor und besiedelte  
 den  Nord westsee.1) 
 Die bisher angeführten Beobachtungen bezogen sich auf das Vorkommen  v e r s c h i e d e n e r   
 Bosminenformen in den einzelnen Teilen eines zusammenhängenden Seengebietes, mochten dieselben  
 nun  in  wechselseitigem  oder  in  einseitigem  Zusammenhänge  stehen.  Weniger  durchsichtig  ist  das  
 oft  zu  konstatierende  Vorkommen  e i n   und  d e r s e l b e n   Bosminenform  in  einem  zusammenhängenden  
 Gebiet.  Ich  will  in  solchen  Fällen  von  dem  „ e i n h e i t l i c h e n  V e r b r e i t u n g s g 
 e b i e t “  der  betreffenden Bosminenform  reden.  Zwar  bestehen  für  den  Fall,  daß  wechselseitiger  
 Wasseraustausch zwischen den  einzelnen Seen stattfindet,  keine Schwierigkeiten  für  das Verständnis  
 eines  solchen  einheitlichen  Verbreitungsgebietes;  wohl  aber  bei  einseitigem  Wasseraustausch.  Im  
 letzteren Falle, für den ich als Beispiel auf das schon erwähnte Vorkommen von B. c. coregoni f. rotunda  
 in allen Seen des Spree-Dahme-Havelgebietes  hinweise  (vgl. p. 113), gibt es  zwar verschiedene Erklärungsmöglichkeiten, 
   aber  die  Schwierigkeit  liegt  darin,  im  Einzelfalle  zu  entscheiden,  welche  davon  
 zutrifft.  Ich deute daher diese Möglichkeiten nur an.  Die betreffende in allen Seen eines zusammenhängenden  
 Gebietes gleichmäßig vorkommende Form kann vor Entstehen der natürlichen resp. Herstellung  
 der  künstlichen  Verbindung  zwischen  den  einzelnen  Wasserbecken  dieselben  schon  innegehabt  
 haben,  oder sie kann ursprünglich die höher gelegenen Seen des Gebietes besiedelt haben und  
 durch die Strömung in die tiefer gelegenen eingeführt sein, oder sie kann sich schließlich durch passive  
 Wanderung (Verschleppung durch Vögel, Schiffe usw.)  oder aktives Vordringen gegen den Strom über  
 das  zusammenhängende  Gebiet  verbreitet  haben. 
 Ich stelle im folgenden einige  „einheitliche Verbreitungsgebiete“ von Bosminenformen in dem  
 oben festgelegten Sinne zusammen,, in der Hoffnung,  durch diesen Hinweis zu ähnlichen Studien, wie  
 die  vorliegende,  anzuregen. 
 Ein  einheitliches Verbreitungsgebiet einer Bosminenform  in  dem  oben  erläuterten Sinne habe  
 ich  für  B.  c.  berolinensis  in  mehreren  ostpreußischen  Seen  nachgewiesen  (vgl.  p.  32).  Auch  aus  
 der Literatur ließen  sich  einige  einheitliche Verbreitungsgebiete  für Bosminenformen anführen.  Die  
 durch  Bäche  verbundenen  Seen  der  Probstei  (Ost-Holstein):  Dobersdorfer-,  Passader-  und  Selenter  
 See beherbergen nach Angaben, die ich aus verschiedenen Arbeiten Apsteins zusammenstelle,  ein und  
 dieselbe  Form:  B.  c.  gibbera  (vgl.  p.  55).  Ein  weiteres  einheitliches  Verbreitungsgebiet  derselben  
 Form  bildet  nach  Befunden  von  Strodtmann,  Apstein  und  mir  selbst  das Schwentine-Gebiet  vom  
 Eutiner bis zum Gr.  Plöner See.  B.  c.  gibbera ist hier in folgenden Seen gefunden:  Eutiner-,  Vierer-,  
 Behler-,  Keller-  und  Plöner  See.  Aus  Seligos  (’90)  Arbeiten  über  die Planktonfauna Westpreußens  
 waren  hier  das  Radaune-  und  Brahe-Gebiet  zu  nennen.  In  den  hintereinander  von  der  Radaune 
 l )  Nach Niederschrift  dieser  Beobachtungen  fand  ich  in  2  vom  Hauptbecken  des  Paarsteiner  Sees  stammenden  Fängen,  
 die am 12. VIII. 1910 etwa 2 km von der Einmündung der Fahrrinne entfe rnt ausgeführt wurden, zu m einer  größten Verwunderung  
 die B.  c.  coregoni f.  diaphana des Nordwestsees und  zwar in  etwa gleicher Häufigkeit wie B.  c.  crassicornis.  In  9  zu  den  verschiedensten  
 Jahreszeiten  vom  August  1908  an  im  Hauptbecken  des  Paarsteiner  Sees  ausgeführten  Fängen  h a tte   ich  vorher  n i e   
 diese  Form  gefunden.  Dieselbe  dringt  also  gegenwärtig  vom  Nordwestsee  auch  in  das  Hauptbecken  des  Paarsteiner  Sees  vor,  
 so daß in letzterem je tz t 3 Formen von Bosmina coregoni leben.  Dieses Vordringen is t wohl dadurch begünstigt, daß  eine schwache  
 Strömung,  die sicher  namentlich bei südöstlichen Winden mitunte r von  einer geringen Gegenströmung  abgelöst wird,  vom Nordwestsee  
 zum Hauptbecken gehen  dürfte.  Der Paarsteiner See  entwässert nämlich durch  den — jedenfalls künstlichen  — Netteigraben, 
   der von  der südöstlichen Ecke des Paarsteiner  Sees  abgeht  (vgl.  Kartenskizze 1),  zur Oder hin.  Obwohl infolgedessen die  
 v o r h e r r s c h e n d e S t r ö m u n g   vom Nordwestsee zum Hauptbecken gerichtet sein wird, werden — wie das erwähnte Vorkommen  
 von B. c. cisterciensis an der Einmündung der Fahrrinne in den Nordwestsee b eweist— gelegentlich auch Gegenströmungen  
 stattfinden,  so  daß  die  beiden  Becken  des  Paarsteiner  Sees  doch  als  in  „wechselseitigem  Wasseraustausch“   stehend  bezeichnet  
 werden  müssen.