
Das Verhalten des „Gokai“ leitet nun über zu den Pa l o l . o -W ü r m e r n , von denen
man jetzt mehrere kennt, die sogar verschiedenen Polychaetenfamilien .angehören.
Am längsten wissen wir von dem Palolo der Samoa-, Tonga-, Viti- und Gilbert-Inseln, der seit
alter Zeit von den Eingeborenen jener Eilande während seines Schwärmens gefangen wird, um einen
beliebten Leckerbissen abzugeben. Nachdem C o l l i n , K r ä m e r (1897 und 1899), F r i e d l
ä n d e r (1898) und E h l e r s (1898) diesen Wurm und seine seltsame Art der Fortpflanzung untersucht
und ihre Ergebnisse in größeren oder kleineren Arbeiten mitgeteilt hatten, blieb der merkwürdige
Zusammenhang des Schwärmens mit dem Mondwechsel, der den Eingeborenen längst bekannt
war und sie zur rechten Zeit im voraus die Vorbereitungen zum Fang treffen läßt, bis heute, trotz
mannigfacher Bemühungen und Erklärungsversuche noch ziemlich rätselhaft und unverständlich.
Der Wurm, um den es sich handelt, ist eine E u n l e i d e ; und zwar Eunice viridis Gray,
ein naher Verwandter von Eunice siciliensis. Zweimal im Jahre, in den Monaten Oktober und
November am Tage des letzten Mondviertels lösen sich die mit Geschlechtsprodukten prall gefüllten
Hinterenden der bis dahin in den Ritzen und Löchern der Korallenriffe (in den sogenannten „Palolo-
steinen“) lebenden männlichen und weiblichen Tiere von den dort verbleibenden Vorderenden los
und steigen noch vor Sonnenaufgang zur Oberfläche des Meeres, wo sie in solcher Masse auftreten,
daß C o l l i n schon in einer Tiefe von etwas über 10 cm ein weißes Taschentuch unter ihnen nicht
mehr sehen konnte. • Außer diesem Hauptschwarm am Tage des letzten Mondviertels selbst pflegen
übrigens schwächere Schwärme am Tage vorher und am Tage nachher zu erscheinen.
Während so der „pazifische Palolo“ durch die an ihn anknüpfenden Erörterungen immer mehr
das Interesse der Naturforscher auf sich zog, entdeckte A. G. M a y e r (1900) bei den Tortugas-Inseln
einen Wurm, der ein gleiches Verhalten zeigte. Nach mancherlei systematischen Irrfahrten wurde
dieser „atlantische Palolo“ von E h l e r s (1901) richtig erkannt und als Eunice fucata bezeichnet.
In einer weiteren Arbeit konnte A. G. Ma y e r (1902) manche seiner früheren Angaben berichtigen
und Genaueres über die Lebensweise des Wurmes mitteilen. Demnach führt der atlantische Palolo
eine ähnliche Lebensweise wie der pacifische, indem die männlichen und weiblichen Tiere vor der
Geschlechtsreife ebenfalls in Korallenblöcken hausen. Nach einer fast 10 jährigen Beobachtungszeit
kann Ma y e r über die Schwarmzeit folgendes mitteilen: Innerhalb drei Tagen vom Tage des letzten
Mondviertels an in der Zeit zwischen dem 29. Juni und 28. Juli schwärmen die abgelösten Hinterenden
der bis dahin geschlechtsreif gewordenen Tiere an der Oberfläche des Meeres, und zwar vor
Sonnenaufgang. Dabei ist es merkwürdig, daß diese hinteren Wurmhälften rückwärts, mit dem Aftersegment
voraus schwimmen. Wenn das letzte Mondviertel im Juni spät fällt, so reagieren die Tiere
übrigens mitunter auch auf das erste Viertel so wie sonst auf das letzte.
Die beiden eben besprochenen Palolo-Würmer gehören der Familie der E u n i c i d e n an.
Da ist es denn umso interessanter, daß man neuerdings nun auch auf ein ähnliches mit bestimmten
Mondphasen zusammenhängendes Schwärmen einer L y c o r i d e aufmerksam geworden ist. Japanische
Forscher waren es, die in den Buchten ihres Vaterlandes das Auftreten dieses Wurmes beobachteten.
O s a w a (1902) und vor allem I z u k a (1903 und 1905) teilen Wesentliches über die
Anatomie und Biologie dieses von den japanischen Fischern unter dem Namen „Batzi“ vielfach
als Köder benutzten Tieres mit. Da ist vor allem einmal merkwürdig, daß bei dieser Ceratocephale
osawai Izuka, wie der Wurm heißt, nicht das Hinterende mit den Geschlechtsprodukten zur Meeresoberfläche
steigt, sondern das Vorderende. Die vorderen zwei Fünftel des „Home“, so wird der
Wurm genannt, solange er auf dem Grunde lebt, bilden sich zur Zeit der Geschlechtsreife um, ;die
Augen werden vergrößert und die Parapodien in breitere Ruder verwandelt. Zu bestimmter Zeit
schnüren sich dann die Vorderenden, die prall gefüllt sind mit den männlichen, resp. weiblichen
Geschlechtsprodukten, von den im Uferschlamm, ihrem gewöhnlichen Aufenthaltsort, zurückbleibenden
Hinterenden ab. Die letzteren degenerieren und gehen zu Grunde. Die Brutschwärme
treten viermal im Jahre auf, und zwar in den Monaten Oktober und November in 3—4 tägigen
Perioden in den unmittelbar auf die Syzygien folgenden Tagen. Sie sind zahlreicher in den Tagen
nach dem Neumond als in denen nach dem Vollmond. Die Batzi erscheinen das erstemal nach der
Springflut, auch sonst genau nach der Flut am Abend und schwärmen 1—2 Stunden lebhaft umher,
wobei sie durch Licht angezogen zu werden scheinen. Es wurde auch beobachtet, daß die Schwärme
in warmen, bedeckten Nächten zahlreicher sind als in hellen und kalten.
In seiner letzten, nachher noch näher zu besprechenden Arbeit über den atlantischen Palolo
erwähnt A. G. M a y e r (1909) auch Lysidice ode Horst, also wieder eine E u n i c i d e , das ,, Wawo“
von Amboina, das nach einem mir nicht zugänglichen Bericht von H o r s t (1905) im März und April
in der 2. und 3. Nacht nach dem Vollmond schwärmen soll.
Von verschiedenen Seiten ist versucht worden, den merkwürdigen Kausalzusammenhang
zwischen den Brutschwärmen aller dieser Würmer und dem Wechsel der Mondphasen unserem Verständnis
näher zu bringen. Schon K r ä m e r (1897 und 1899) und F r i e d l ä n d e r (1898, 1901,
1904) haben sich darum bemüht, indem sie außer dem wechselnden Mondlicht besonders den durch
den Mond beeinflußten Wechsel der Gezeiten als die Hauptursache des so plötzlich erfolgenden
Schwärmens ansahen; doch gelang es ihnen nicht, zu einem befriedigenden Resultat zu kommen.
A r r h e n i u s (1898), der zusammen mit E k h o 1 m eine periodische Schwankung in der Spannung
der Luftelektrizität nachweisen konnte, die mit dem tropischen Monat zusammenfiel, stellte eine'
Hypothese auf, nach der diese Spannungsänderung der Luftelektrizität auf die physiologischen Vorgänge
in der Organismenwelt, so auch auf das Schwärmen der Palolo-Würmer von Einfluß sein sollte.
B e r g und K n a u t h e (1898) untersuchten den Einfluß der Elektrizität auf den Säuerstoffgehalt
unserer Gewässer, kamen aber zum entgegengesetzten Resultat als E u l e r (1901), der aus seinen
das gleiche Problem verfolgenden Untersuchungen diese Schlußfolgerungen zog: Unter dem Einfluß
der Luftelektrizität wird der Gasgehalt von reinem oder von salz- und bakterienhaltigem aber klarem
Wasser nicht wesentlich geändert. „Hieraus ergibt sich folgender Schluß: Zeigen sich biologische
Einflüsse der Luftelektrizität auf im Wasser lebende Individuen, so dürfte die wahrscheinlichste
und allgemeinste Wirkungsweise die sein, daß der in der Luft unter dem Einfluß der Elektrizität
gebildete Ozon, der vom Wasser nur spurenweise auf genommen wird und deshalb analytisch kaum
nachweisbar ist, die biologisch-chemischen Prozesse katalytisch beeinflußt, wie ja für die Pflanzen-
und Tierwelt im allgemeinen der Ozon eine noch ungeahnte Bedeutung als Katalysator besitzen
dürfte.“
F r i e d l ä n d e r (1901) wendet sich gegen A r r h e n i u s , indem er sagt: „Die Anwendung
der Arrhenius’schen Hypothese auf den pazifischen Palolo besteht im wesentlichen in der Betrachtung,
daß der Mond an den Tagen des dritten Viertels in den Monaten Oktober und November eine erhebliche
nördliche Deklination hat. Da nun Samoa auf etwa 14° südlicher Breite liegt, so steht das
d r i t t e Viertel mit Seiner nördlichen Deklination in den beiden Monaten sehr viel t i e f e r am
Himmel, als das erste Viertel.“ Nach A r r h e n i u s kommt es nun auf diese Mondhöhe über dem
Horizont gerade an. F r i e d l ä n d e r fährt deshalb fort: „Von den beiden Perioden der Nipp-
Zoologicn. Heft 62. 1 5