
Gruppe, der ein Mucro vol l s t ändig fehl t . Auch von der Eucoregoni-Gruppe zur
Grasszcorwis-Gruppe be s t eht morphologi sch wenigs t ens ein kont inui er l i cher
Übergang, doch scheint hier insofern ein Sprung vorzuhegen, als bei der letzterwähnten Gruppe
die 1. Antennen im Sommer reduziert werden, während sie sich bei allen übrigen Formen der Coregoni-
Reihe im Sommer verlängern. Jedoch ist aus anderen Gründen der Anschluß der Grassicorm's-Gruppe
an die Eucoregoni-GTwppe völlig sicher gestellt (vgl. pag. 60 und 93).
Fragt man schließlich nach den g e n e t i s c h e n B e z i e h u n g e n de r C orego wi - Reihe
z u r L o n g i s p i n a - "Reihe, so kann kein Zweifel bestehen, daß die L o n g i s p i n a - Re i h e
di e ä l t e s t e n F o r m e n , di e z u g l e i c h d e n S t ammf o rme n de r C o r e g o n i -Re i h e
s e h r n a h e s t e h e n , e n t h ä l t . Hierfür sprechen in erster Linie Gründe, die sich aus der Betrachtung
der Verbreitung beider Formenkreise und dem Studium der Cyclomorphose ergeben
werden. Im Sinne einer vergleichend morphologischen Betrachtung aber spricht z. B. der Knick
im Ventralkontur des Mucro, der bei den Ijongispina-Formen ziemlich allgemein angetroffen wird,
bei der zur Coregoni-Reihe gehörigen Longicornis-Insignis-Gruppe aber nur noch in rudimentärer
Ausbildung sich findet, für die Ableitung letzterer von der Longispina-Reihe.1) Wenn ich somit die
Coregoni-Reihe von der Longispina-Reihe abzuleiten versuche, so kann kein Zweifel bestehen, daß die
Longicornis-Insignis-Gnippe am ehesten geeignet ist, den Anschluß der Coregoni- an die Longispina-
Reihe zu vermitteln, da sie außer Coregoni-Merkmalen noch ausgesprochene Longispina- und vermittelnde
Charaktere besitzt.
Innerhalb der Longicornis-Insignis-Gruppe dürfte wieder B. c. berolinensis sich am meisten
der Longispina-Reihe nähern. L o n g i s p i n a - C h a r a k t e r e dieser Form2) sind der wohl
ausgebildete Mucro, der einen rudimentären Knick in seinem Ventralkontur zeigen kann und
1— 5 Dörnclienincisuren trägt, und das sehr kurze und stumpfe Rostrum (A + B = 120—140).
Dasselbe ist bei B. c. berolinensis sogar kürzer als bei vielen Longispina-Formen. C o r e g o n i -
C h a r a k t e r e sind das Vorhandensein einer sog. vorderen Dorsalkonkavität, der hohe Wert
der Antennenprojektion, die recht flache Stirn und das kleine Auge (O f t 59—70), die meist starke,
hakenförmige (seltener gleichmäßige, sehr selten S-förmige) Krümmung der 1. Antennen. Eine
M i t t e l s t e l l u n g zwischen beiden Reihen nimmt die Länge der ÖL. Antennen (C + ;
700—900) und die relative Schalenhöhe (H ^ -7 1 0—790) ein. Eine von nur wenigen Formen
mit extrem langem Mucro geteilte Eigentümlichkeit der B. c. berolinensis ist der außerordentlich breite
Ansatz des Mucros. Es ist offensichtlich, daß nicht nur die meisten, sondern auch die wichtigsten
Merkmale der hierdurch charakterisierten typischen B. c. berolinensis diese Form zur Coregoni-
Reihe hinweisen, daß also die Hochsommertiere der typischen B. c. berolinensis der Coregoni-Reihe
weit näher stehen als der Longispina-Reihe. Ich habe jedoch in R. c. berol inensi s n. f. borussica
eine neue Lokalform gefunden, bei der alle Merkmale, die die typische B. c. berolinensis unzweideutig
zur Goret/om-Reihe hinweisen, umgekehrt stark zur Longispina-Reihe hinneigen. Erstens erreichen
nämlich die Hochsommertiere der f. borussica nie die hohe relative Schalenhöhe wie die Hochsommertiere
der typischen Form; dementsprechend weist f. borussica keine vordere Dorsalkonkavität oder
nur schwache Andeutungen einer solchen, wie sie auch in der Longispina-Reihe angetröffen werden,
1) Auf die ferner liegenden genetischen Beziehungen der Bosminen und Bosminiden zu anderen Cladoceren-Familien gehe
ich nicht ein. Hier genüge der Hinweis, daß die Ableitung der Bosminen von „Chydorus u. a. Lynceiden“ oder von Moma, die
Wesenberg-Lund (’04, pag. 82; ’08, pag. 323) versucht, unmöglich ist. Mir scheinen für eine solche Ableitung am ehesten die
MacrothricLden in B etra cht zu kommen (vgl. pag. 18; Anm.)', v
2) Es handelt sich hier natürlich um vollehtwickelte Hochsommerweibchen.
auf. Mit der geringen Emporwölbung des Schalenbuckels mag es auch im Zusammenhang stehen,
daß die Stirn der f. borussica bedeutend gewölbter als die der typischen Form ist und sich von der
Stirnbildung vieler Longispina-Formen nicht unterscheidet. Sodann erreichen die 1. Antennen auch bei
den extremsten Hochsommerformen der f. borussica nie die beträchtliche Länge der typischen Form
und weisen infolgedessen auch nicht die starke Krümmung wie jene auf. Die 1. Antennen sind vielmehr
meist sehr schwach gleichmäßig gekrümmt, oft sogar fast gradlinig und zeigen nur selten Andeutungen
hakenförmiger Krümmung. Auch hierin nähert sich die neue Form der Longispina-Reihe. Infolge
der geringen Länge und schwachen Krümmung der 1. Antennen bleibt außerdem die Antennenprojektion
der f. borussica stets kleiner als bei B. c. berolinensis f. lypica. Augen von gleicher relativer
Größe wie sie die f. borussica besitzt, kommen auch in der Longispina-Reihe vor. Vergleicht man
ferner die von mir für Hochsommertiere von f. borussica (vom 1. VIII. ’01)1), die die Berolinensis-
Charaktere am ausgesprochensten zeigen, gegebenen Zahlenwerte in Tab. I, No. 20 und 21 mit den
in der Diagnose der Longispina-Refae angegebenen Werten, so wird man finden, daß alle Werte
der f. borussica innerhalb der Variationsbreite der Longispina-Formen hegen. Aus diesen Gründen
sehe ich B. c. b e r o l i n e n s i s f. b o r u s s i c a in d e r T a t a l s e i ne Ü b e r g a n g s f o r m
v o n de r L o n g i s p i n a - z u r Cor e g o n i - R e ih e an. Wenn man weiterhin die Abbildung
der zur Longispina-Reihe gehörigen Traunsee-Bosmine (Fig. 11) mit der von B. c. berolinensis
f. borussica (Fig. 12) vergleicht, wird man die Ähnlichkeit beider Formen geradezu frappant finden.
Auch die Zahlenwerte beider Formen (vgl. Tab. I, No. 20 mit Tab. VI, No. 12) überdecken sich in
weitgehendstem Maße. Es bestehen zwischen diesen beiden Formen in der Tat gar keine Unterschiede
mehr, die es ermöglichen, die beiden Formen derart eindeutig diagnostisch zu trennen, daß
die Traunseeform2) sich der Longispina-Reihe und B. c. berolinensis f. borussica sich der Longi-
cornis-Insignis-Gruppe der Coregoni-Reihe zuweisen ließe. Jedoch ergibt sich die Zugehörigkeit der
f. borussica zu B. c. berolinensis und damit zur Coregoni-Reihe einmal daraus, daß sich individuelle,
selten auftretende extreme Varianten in den Borwsszca-Kolonien (Löwentinsee) finden, die mehr
oder weniger stark zur typischen Form3) hinneigen und zweitens aus dem vollkommen mit B. c.
berolinensis übereinstimmenden Verlauf der Cyclomorphose.4) Nach morphologischen Merkmalen
kann man jedoch die M e h r z a h l d e r v o l l u n d c h a r a k t e r i s t i s c h e n t w i c k e l t e n
H o c h s o m m e r f o r m e n von B. c. berolinensis f. borussica nicht eindeutig als B. c. berolinensis
bestimmen und ihre Zugehörigkeit zur Coregoni-Reihe feststellen.
Es gibt also in der Longicornis-Insignis-Qvwppe der Coregoni-Reihe vollentwickelte Hochsommerformen
— solche zeigen die spezifischen Charaktere am ausgeprägtesten und sind daher zur
Bestimmung der Formen am geeignetsten — die für sich allein nicht eindeutig einer der beiden Hauptreihen
zugewiesen werden können; vielmehr bedarf es der Berücksichtigung einer größeren Anzahl
von Exemplaren und namentlich extremer Varianten (und des Studiums der Cyclomorphose), um die
Bestimmung dieser Formen durchzuführen. S o m i t b e s t e h t mo r p h o l o g i s c h ein k o n t
i n u i e r l i c h er Ü b e r g a n g v o n d e r L o n g i s p i n a - z u r Co r e g o n i - Re ihe . — Hin-
1) Ich betone, daß es sich hier n i c h t um noch nicht vollentwickelte Formen, auch n i c h t um Frühjahrs- oder Herbsttiere,
sondern um die am weitesten spezifisch entwickelten Hochsommertiere, die mein Material enthielt, handelt.
2) Die Traunsee-Bosmine n ähe rt sich der Longicornis-Insignis-Gruppe durch den langen, infolgedessen breiter als gewöhnlich
in der io/igispina-Gruppe ansetzenden Mucro (Max. = 275), die langen, allerdings nur wenig gekrümmten 1. Antennen und die
große relative Schalenhöhe. Das Traunsee-Material (gesammelt von Dr. Brehm) verdanke ich der biologischen Station Lunz.
®) Auch in typischen Berolinensis-Kolonien finden sich mitunter Varianten, die Borussica ähnlich sind.
4) Auch der Verlauf der Cyclomorphose gibt kein vollkommen scharfes Unterscheidungsmerkmal zwischen Longispina-
und Coregoni-Formen ab, d a sich auch hier Übergänge finden (vgl. pag. 108).
Zoologica. Heft 63.