
Carl Ch u n -f
Nun hat die Zoologica auch ihren zweiten Begründer verloren! Von denen, die
im Oktober 1912 an der Feier des 60. Geburtstages C a r l C h u n s teilnahinen
und ihn in alter Frische und Lebendigkeit sich im Kreise seiner Freunde und Schüler
bewegen sahen, werden nur wenige geahnt haben, daß ein tückisches Herzleiden schon
damals an seinem Marke zehrte. Mit zäher Energie wehrte sich der starke Geist und
Körper gegen den inneren Feind, Stunde um Stunde rang er ihm zu Forschung und Lehre
ab, bis am 11. April ein überraschend plötzlicher Tod den Unermüdlichen abrief, nachdem
er noch in den letzten Tagen einen Abschnitt seines großen CephalopodenWerkes vollendet
hatte.
C a r l C h u n , geboren am 1. Oktober 1852 zu Höchst a. M., erhielt seine erste
Ausbildung in der altehrwürdigen und jugendfrischen, geistig regsamen Kaiserstadt am
Main und wandte- sich dann zu naturwissenschaftlichen Studien den Universitäten
Göttingen und Leipzig zu. Dort knüpften sich enge Beziehungen zu dem Altmeister
der Zoologen, R u d o l f L e u c k a r t . Bei ihm promovierte er 1876 mit einer Arbeit
über den Bau, die Entwicklung und physiologische Bedeutung der Rektaldrüsen bei
Insekten, und tra t später als Assistent an seine Seite. Bestimmend für seine weitere
Entwicklung wurde ein lang ausgedehnter Aufenthalt an der damals eben gegründeten
Zoologischen Station in Neapel. Die durch die glänzenden physiologisch-morphologischen
Studien J o h a n n e s M ü l l e r s und seiner Schüler eingeleitete Erforschung
der wirbellosen Meerestiere hatte die Organisation der verschiedenen Gruppen in großen
Umrissen festgelegt, aber für die vergleichende Anatomie, Histologie und Entwicklungsgeschichte
bot sich noch eine Fülle von Problemen. Ihrer Ausarbeitung sollte in erster
Linie die Neapeler Station dienen und zu den ersten Aufgaben, die sich ihr genialer
Begründer A. D o h r n stellte, gehörte eine systematische Durcharbeitung der Fauna
und Flora des Mittelmeeres, speziell des Golfes von Neapel, von anatomischen und
biologischen Gesichtspunkten. Unter den ersten Mitarbeitern an diesem Werke war auch
Ch u n , seine im Jahre 1880 erschienenen „Ctenophoren des Golfes von Neapel und
der angrenzenden Meeresabschnitte“ leiteten die Serie glanzvoll ein. Schon diese erste