
Die K l a p p e n sind torflügelartig an den Seiten des Hinterrandes des Ringes befestigt und
zwar läßt die Verbindung nur eine Drehung um eine Axe zu, keine teleskopartige Einschiebung.
Wenn man die Klappen öffnet sieht man, daß sie auch eine obere und untere Eläche haben, deren
Ränder durch Häute mit dem Rande des Ringes verbunden sind. Die Gestalt der Klappen wird
systematisch viel verwendet. Zunächst ist es eine Eigentümlichkeit der meisten Odontopygidae, daß
am oberen Ende ein aufwärts gerichteter Dom steht. Manchmal findet sich auch am unteren Ende
ein Knöpfchen oder Dörnchen. Der Medialrand der Klappe ist oft aufgewulstet; die Höhe dieses
Wulstes, dann sein Übergang in die Eläche der Klappe, ob allmählich oder scharf abgesetzt, eventuell
mit einer Furche zwischen Wulst und Eläche, bieten systematische Merkmale. Bei manchen Gattungen
ist der Wulst vom eigentlichen Rande abgerückt und von ihm durch eine kleine Rille getrennt,
was den Klappen bei der Betrachtung von hinten her ein charakteristisches Aussehen gibt (z. B.
Charactopygus). Da diese Bildung in beiden großen Gruppen Spirostreptidae und Odontopygidae
vorkommt, darf man ihr aber keinen zu großen Wert beilegen und etwa glauben, daß man daraus
allein auf nähere Verwandtschaft schließen kann.
Die S c h u p p e ist starr mit dem Ring verbunden, nur bei manchen Tyropygus-Arten verwächst
sie mit ihnen. In den meisten Fällen ist sie nach hinten mehr oder weniger winklig oder
bogig, kann aber auch hinten ganz geradlinig begrenzt sein.
4. Beine.
Die Frage nach der Homologisierung der Beinglieder bei den Antennaten ist eine dornige
und ihre Lösung bisher nicht einwandfrei gelungen. Früher wendete man sowohl bèi den Chilopoden
als bei den Diplopoden die seit altersher in der Entomologie gebräuchlichen Bezeichnungen Coxa,
Trochanter, Femur, Tibia, Tarsus (ein- oder mehrgliedrig) an, ohne sich viel darum zu kümmern,
ob das so und so vielte Glied der Diplopoden auch dem ebensovielten der Hexapoden homolog sei.
Dann wurde jedoch die Frage nach der Homologie der Beinglieder aufgeworfen. V e r h o e f f
glaubte nachweisen zu können, daß der Trochanter der Insekten und Chilopoden nicht homolog sei,
sondern daß der Trochanter der Chilopoden (der älteren Formen) bei den Hexapoden nicht mehr
deutlich erhalten sei, was er hauptsächlich durch die Muskelverteilung beweisen wollte. Nach ihm
wäre also das 3. Glied der Chilopoden und das 2. Glied der Hexapoden homolog; er nannte diese
Glieder Präfemur. Wir hätten dann nach Verhoeff bei den Chilopoden:
coxa, Trochanter, Präfemur, Femur, Tibia, Tarsus,
früher Coxa, Trochanter, Femur, Tibia, Tarsus I, Tarsus II, und bei den Hexapoden:
Coxa, Präfemur, Femur, Tibia, Tarsus,
früher Coxa, Trochanter, Femur, Tibia, Tarsus.
Nun hat sich aber seine Annahme als irrig erwiesen; B ö r n e r und G r i i n b e r g haben
gezeigt, daß der Trochanter der Chilopoden und Hexapoden homolog ist, und daß es bei der alten
Bezeichnung mit Hinweglassung des „Präfemur“ zu bleiben hat. Wir haben also sowohl bei den.
Chilopoden als bei den Hexapoden folgende Glieder: Coxa, Trochanter, Femur, Tibia und 1 oder
mehrere Tarsusglieder.
Wie steht es nun bei den Diplopoden ? Können wir die bei den Opisthogoneaten gültigen
Bezeichnungen der Beinglieder ohne weiteres auch auf die Diplopoden übertragen ? So lange in der
Phylogenie der großen Gruppen, Opisthogoneaten, Symphylen, Pauropoden und Diplopoden noch
so viele Fragen offen sind, wird meines Erachtens nach eine so ins Detail gehende Homologisierung
immer mehr oder weniger Geschmacksache bleiben, den einen überzeugen, den ändern nicht. Die
beiden Gruppen der Opisthogoneaten und Diplopoden sind in der Stammesreihe viel zu weit von
einander entfernt, als daß wir mit Sicherheit die Homologen der Beinglieder des einen beim ändern
suchen könnten. Die ganze Organisation der Diplopoden ist eine so völlig verschiedene von der der
Fig. XVIII. Scaphiostreptus puncta-
tu lu s Att.
Fig.XIX. Lophostreptus strongylo-
tropis A tt. (J.
Außen.
Opisthogoneaten, daß ich wirklich nicht
einsehe, warum wir gerade bei den
Beingliedern einen solchen Parallelismus
entdecken sollten.
Wenn wir aber schon solche
Homologien suchen wollen, müssen
wir vor allem feststellen, daß das, was
Latzei und Verhoeff bei den Diplopoden
Trochanter nennen,, nicht gleich sein
kann dem Trochanter der Hexapoden
und Geophiliden. Börner hat das nachgewiesen
und wir nennen dieses Glied
bei den Diplopoden mit ihm Komplementärring.
An einem typischen Laufbein
eines Spirostreptiden unterscheiden wir also die Hüf t e mit dem unvollständig von ihr getrennten
K o m p l e m e n t ä r r i n g , und 5 weitere Glieder, die wir T r o c h a n t e r (Tr.), F e m u r (F.),
T i b i a (Ti.) und 1. und 2. T a r s u s (Ta. I, Ta. II) nennen wollen.
Die Hüfte ist nahe der Basis stark eingeschnürt (Fig. XVIII), die Basis selbst aber ist kugelig
angeschwollen und diese Anschwellung bewirkt eine ungemein feste Verankerung der Hüfte in der
Ventralplatte, so daß man die Beine meist nicht unzerbrochen herausziehen kann. Vgl. V e r h o e f f.1)
Am Ende der Hüfte ist durch eine von der Unterseite
bis etwa zur Mitte reichende Querfurche unvollständig ein
halbringförmiger Teil, der Komplementärring (CpR. Fig.
XVIII, XIX) abgeschnürt. Zwischen Hüfte und Komplementärring
befindet sich in der Frontalebene ein Gelenkknopf.
Zwischen Komplementärring und folgendem Glied,
VH B p
Trochanter , befinden sich 2 mit Gelenkknöpfen versehene
Artikulationen in der Frontalebene. Im Gelenk zwischen
Trochanter und Femur befindet sich nur ein Gelenkknopf
auf der Vorderfläche. Die Unterseite der Tibia und des 1. Tarsalgliedes des $ trägt sehr häufig die
bekannten Sohlenpolster, früher zumeist allgemein „Tarsal“polster genannt; wo ich etwa diesen
Ausdruck gebrauchte, meinte ich immer beide Polster, die der Tibia und des 1. Tarsus. Silvestri2)
hat einen Schnitt durch ein solches Polster abgebildet. Die Verteilung der Polster ist systematisch
verwendbar.
J) V e r h o e f f , Dipl. Deutschi. p. 115.
2) S i l v e s t r i , Anatome, p. 178. Fig. 271.