I. Spezieller Teil.
Am Körper von Eosentomon lassen sich die drei großen Regionen deutlich unterscheiden,
welche am Aufbau eines jeden Insektes beteiligt sind.
Oral beginnt der Körper mit dem Kopfe, welcher, entstanden durch die Verschweißung zahlreicher,
bei Eosentomon im einzelnen nicht mehr vollständig nachweisbarer Metamere, auf seiner
Ventralseite die Mundteile trägt. Nicht völlig in der Bildung der eigentlichen Kopfkapsel aufgegangen
sind die beiden Maxillarsegmente. Das hintere derselben, das Labiale, aus diesem Grunde aber als
nicht zum Kopf gehörig zu betrachten und unter dem Namen Microthorax ( S n o d g r a s s , Name
von V e r h o e f f ) , Collum (B e r 1 e s e) oder Cervicum (C r a m p t o n) als besondere Region
aufzufassen erscheint unzweckmäßig.
An den Kopf schließt sich, infolge der Auflockerung der Maxillarsegmente nur undeutlich von
ihm abgesetzt, der Brustabschnitt oder Thorax an. Er besteht aus drei, einander in weitgehendem
Maße homodynamen Segmenten, welche untereinander keine Verwachsungen aufweisen. Sie zeigen
am deutlichsten die Zusammensetzung aus verschiedenen Skleriten und dürften somit noch am
reinsten den ursprünglichen Aufbau der Segmente repräsentieren. Ihre Anhänge sind die drei Paare
von Schreitbeinen.
Jede Extremität setzt sich zusammen aus einem Grundabschnitt, dem Basipodit (B ö r n e r )
und einem Endabschnitt dem Telopodit (V e r h o e f f ) . Während ersterer nur aus zwei Komponenten,
einer Subcoxa und einer Coxa besteht, beteiligen sich am Telopodit fünf verschiedene
Stücke (Trochanter, Eemur, Tibia, Tarsus und Prätarsus), welche gelegentlich wieder sekundär gegliedert
sind.
Deutlich von ihm getrennt, folgt dem letzten Thoracalsegmente der Hinterleib oder Abdomen.
An seiner Zusammensetzung sind beim geschlechtsreifen Tiere zwölf Segmente beteiligt, welche sich
auf drei Hauptgruppen verteilen. Die erste derselben, von drei Segmenten gebildet, zeichnet sich
durch das Vorhandensein von zweigliedrigen Beinstummeln aus; die nächste umfaßt fünf einfacher
gebaute Ringe ohne Anhänge. Eine besondere Stellung nehmen schließlich die letzten vier Segmente
ein, da drei derselben im Laufe der postembryonalen Entwicklung durch orale Abschnürung vor dem
Endstück gebildet werden.
Was den Bauplan der Segmente anbelangt, möchte ich nur wenige Worte vorausschicken, und
verweise im übrigen auf den allgemeinen Teil welcher diese Frage eingehender zu behandeln hat..
Ein jedes normale Körpersegment der Proturen läßt eine Reihe von verschiedenen Chitinplatten
(Skleriten) erkennen, welche sich auf sechs Gruppen verteilen. Die Dorsalseite wird von der
unpaaren Rückenschuppe (Tergum), die Ventralseite von der Bauchschuppe (Sternum) eingenommen.
Zwischen beiden liegt die Lateralregion, welche beiderseits von je zwei Skleriten, bezw. Skleriten-
gruppen bedeckt wird. Die ventrale derselben oder Sternopleura enthält diejenigen Stücke, welche
die Pleuren höherer Insekten bilden und kann daher kurz als Pleura bezeichnet werden. Die dorsale
oder Tergopleura folgt in der Hauptsache dem lateralen Rande des Tergums; für sie schlage ich den
kürzeren Namen Sympleura vor. Jede der genannten Hauptschuppen setzt sich aus einzelnen Skleriten
zusammen, welche allerdings oft infolge von Reduktion oder Verschmelzung nicht mehr einzeln nachweisbar
sind. Diese Sklerite sind als Tergite, Sternite, Pleurite und Sympleurite zu bezeichnen. Ihre
Zahl beträgt meist vier, welche ich mit B e r 1 e s e von vorn nach hinten als Acro-, Pro-, Meso- und
Metasternit usw. bezeichne. Nur im Tergum findet sich ein weiterer Sklerit, der Nothotergit zu
welchem Analoga in den anderen Regionen fehlen. Nach dieser Nomenklatur ist somit z. B. unter
Mesopleurit das dritte Stück der sternalen Pleurenkette zu verstehen, welche homolog mit der Pleuralleiste
der höheren Insekten und ihren Seitenteilen ist.
Obwohl der Kopf in seinem Bau am stärksten modifiziert ist, halte ich es doch für zweckmäßiger,
mit seiner Besprechung zu beginnen und der Reihenfolge am Körper entsprechend, erst nach ihm
den Thorax als ursprünglichsten Komplex zu behandeln.
A. Der Kopf.
Der Kopf von Eosentomon hat eine umgekehrt bimförmige Gestalt. In der Hauptsache ist er,
wie stets bei Insekten, unsegmentiert, doch lassen sich gewisse Abschnitte der Metamere, welche an
seinem Aufbau beteiligt sind, in mehreren Fällen noch nachweisen. Nur ein geringer Teil der Kopf-
somite ist nicht fest mit dem Epicranium verschmolzen und findet sich in Form eines Jugularsclerites
hinter der eigentlichen Kopfkapsel.
Von Anhängen zeigt der Kopf nur die drei typischen Anhänge des Gnathocephalon, je ein
freies Paar Mandibeln und erste Maxillen, und die zur Bildung eines Labiums zusammengetretenen
aber nicht verwachsenen zweiten Maxillen. Sämtliche Mundteile sind endotroph. Die Einstülpung
der beiden ersten Anhangspaare ist ganz beträchtlich, so daß von den Mandibeln nur die Endteile,
von den Maxillen die Spitzen der Laden und der seitlich antennenartig hervortretende Maxillarpalpus
sichtbar werden. Die zweiten Maxillen sind nur wenig eingesenkt und bilden im Verein mit dem
Labrum den größten Teil des Verschlusses für die Mundöffnung. Zwischen die Mundteile, in engster
Beziehung z u . dem kompliziert gebauten Tentorium stehend, schiebt sich der Hypopharynx ein.
Sein Linguateil überragt von unten her die Pharyngealöffnung, während Superlinguae nicht zu erkennen
sind. Reste vom zweiten Antennenpaar sind nicht vorhanden. Ob die ersten Antennen
völlig fehlen (B e r 1 e s e) oder ob sie in den Pseudoculi ( S c h e p o t i e f f ) zu suchen sind, werden
erst embryologische Untersuchungen erweisen.
Indem ich nunmehr zur Beschreibung der einzelnen Chitinteile des Kopfes übergehe, will ich
beginnen mit den Komponenten der Kopfkapsel, dann die Mundteile im Zusammenhänge erörtern,
und zuletzt einen Blick auf das Tentorium werfen.
Das E p i c r a n i u m (Ecr, Figur 1 und 2) von Eosentomon ist ein völlig einheitliches Gebilde.
Dorsal eine gleichmäßig gewölbte Decke bildend und lateral bis auf die Unterseite herumgreifend,
umschließt es kapselartig den größten Teil des Kopfes. Nur ventral bleibt ein Spalt offen, der nach
vorn zu sich zur Mundbucht (Or), nach hinten zu dem großen Hinterhauptsloche erweitert. Eine
Gliederung des Vorderteiles in Clypeus und Frons ist nicht vorhanden oder wenigstens nicht mit