her ventral an die Gehirnganglienmasse herangeschobenen Palpenzentrum, dessen Bedeutung als
ehemaliges Bauchganglion des Mundsegmentes durch eine Anzahl von ihm nach dem Anfangsdarm abgehender
Nervenfasern befestigt wird, liegen die Ursprungsstellen der seitlichen Fühler am weitesten
vorn von allen vom Gehirn entspringenden Nerven, worin ich einen der Gründe erblicke, sie den
Tentakeln von Nereis zu homologisieren. Sicher entscheiden kann, wie gesagt, nur eine genaue
Feststellung der Lage der zu den Nerven der einzelnen Kopfanhänge gehörenden Zentren.
Daß man bei den anderen mit mehreren Kopfanhängen versehenen Polychaetenfamilien, so
vor allem bei den den L y c o r i d e n wohl noch näher als die S y l l i d e e n stehenden E u n i -
c i d e n ebenfalls Vereinigung mehrerer Segmente zu dem Kopfabschnitt annehmen muß, geht aus
meinen Ausführungen wohl als eine unmittelbare Folge hervor. ’ Natürlich braucht es nicht immer
die gleiche Anzahl von Segmenten zu sein, die zum Kopfabschnitt zusammengezogen werden. Es
lag mir nur daran, zu zeigen, daß die bisher so ziemlich unwidersprochen gebliebene Ansicht M a l a q
u i n s , daß der Kopfabschnitt der Anneliden ein einheitliches, den Rumpf Segmenten homologes
Gebilde sei, nicht aufrecht erhalten werden kann, und daß ferner gerade die Palpen Teile eines ursprünglichen
Segments mit Parapodien und Cirren repräsentieren.
Fassen wir das Resultat der vorhergehenden Erörterungen noch einmal kurz zusammen.
Bei den Ly co r i d en stellen die Palpen die Reste eines ehemaligen mit Parapodien versehenen
Segmentes vor, in welchem sich ursprünglich die mehr oder weniger terminal gelegene Mundöffnung
befand, das dorsal den das Oberschlundganglion enthaltenden, mit zwei Tentakeln ausgestatteten
Kopflappen trug, und dessen Bauchganglion der Cerebralganglienmasse des Kopflappens im Laufe
der phylogenetischen Entwicklung angegliedert wurde. Dabei ist es hier ganz gleichgültig, ob der
Kopflappen als ein Teil dieses vordersten Segmentes angesehen wird, d. h. als ein Gebilde, das sich
nur morphologisch von ihm abgegliedert hat, oder ob man ihn, wie es W o l t e r e c k (1904 und
1905) klarzustellen versucht, für ein dem ganzen Wurmrumpf gegenüberzustellendes besonderes
Gebilde hält. Die I. Fühlercirren sind die Reste des auf das Palpensegment folgenden, ursprünglich
ebenfalls mit Rudern ausgerüsteten Segments, dessen Bauchganglion bei dem allmählichen Zurückweichen
der Mundöffnung teilweise mit dem des folgenden dritten Segments, teilweise mit dem
Gehirn vereinigt wurde. Die II. Fühlercirren endlich sind die Reste der Parapodien des jetzigen
Buccalsegmentes, welche noch jetzt bei der ontogenetischen Entwicklung zunächst in der normalen
Form auftreten und erst beim Heranwachsen der jungen Würmer reduziert und nmgebildet werden.
Die definitive Mundöffnung liegt im ventralen Vorderrand des II. Fühlercirrussegments, dessen
Bauchganglion dadurch in seine beiden seitlichen, nunmehr auf den Anfang der Schlundkommissuren
geschobenen Hälften geteilt wird. Die Tendenz, die vorderen Segmente zu reduzieren und
nach vorn zu ziehen, zeigt sich auch noch an den nächstfolgenden Segmenten, deren Parapodien sich
gegenüber den normalen Rudern der Rumpfsegmente als zurückgebildet erweisen.
Zwischen den Vorderenden der L y c o r i d e n und der S y l l i d e e n besteht eine völlige
Homologie der einzelnen Anhänge, indem die seitlichen Fühler, die Palpen, der mediane Fühler,
die Fühlercirren der S y l l i d e e n der Reihe nach entsprechen den Tentakeln, den Palpen, den I.
und den II. Fühlercirren der L y c o r i d e n , wobei die in gewissen Fällen bei S y l l i d e e n auftretenden
sogenannten vorderen seitlichen Fühler als das zum Palpensegment ursprünglich gehörende
zweite Paar von Cirren anzusehen sind, während die äußeren Glieder der Palpen das andere Paar
dieser Cirren repräsentieren.
Wir können annekmen, daß diese Verschiebungen der einzelnen Teile des Vorderendes der
Chaetopoden wohl phylogenetisch in der Weise entstanden sind, daß die sensiblen Anhänge, die
Cirren der Parapodien der vordersten Segmente sich mehr und mehr nach vorn wandten, indem
sie sich teils in den Dienst des Anfangsdarmes stellten, wo sie die Prüfung der aufzunehmendm Nahrung,
wie die heutigen Palpen, - teils die Orientierung Übernahmen, d. h. das Aufspüren einer Beute
oder die rechtzeitige Warnung vor einer Gefahr, nach der sowohl bei den frei umherkriechenden
als auch besonders bei den in Felsrissen, im Sande oder in selbstgebauten Röhren jeder Art lebenden
Würmern wichtigsten Seite, der F r o n t hin, wie die jetzigen Fühlercirren. Die letzteren usurpierten
wohl größtenteils die Funktionen der eigentlichen Tentakeln, die wir bei vielen L y c o r i d e n, z. B.
bei unserer Nereis dumeräii gegenüber den langen Fühlercirren ziemlich zurückgedrängt sehen, und
nahmen ebenso wie die Palpen eine ihrer neuen Tätigkeit entsprechendere Gestaltung an. Diese
stark einseitige Ausnutzung ihrer sensiblen Anhänge hatte dann eine Rückbildung der übrigen Teile
der ehemaligen vordersten Segmente zur Folge, die wohl noch dadurch beschleunigt wurde, daß die
früher weit vorn liegende Mundöffnung von den immer mehr in der Front beschäftigten sensiblen
Anhangsorganen mehr und mehr zurückgedrängt wurde, so daß sie bei den L y c o r i d e n jetzt
hinter den Fühlercirren zu finden ist.
Es zeigen sich also schon am Vorderende der A n n e 1 i d e n Veränderungen des ursprünglichen
Bauplanes, die wir bei den A r t h r o p o d e n, zunächst vor allem bei den C r u s t a c e e n in noch
schärferem Grade ausgebildet wiederfinden.
C. Die Borstenformen der beiden Larven.
Über die Ausrüstung der Jugendformen von Nereis dumerilü mit Borsten ist bisher nur äußerst
wenig berichtet worden, wie man denn überhaupt noch von keiner L y c o r i d e das jugendliche
Borstenkleid auch nur annähernd kennt. Und doch ist es interessant, einmal die Borstenformen
und deren Anordnung durch die verschiedenen Altersstufen der jungen Würmer zu verfolgen.
Betrachten wir auch hier wieder zunächst die nereidogenen Larven. Wie schon erwähnt
wurde, treten bei dem Embryo gleich nach dem Erscheinen der Borstensäcke auch die ersten
Borsten in diesen auf. In dem Augenblick nun, in welchem das Tier seine Eihülle verläßt, sind die
Borsten keineswegs alle einander gleich und von einheitlichem Typus. Die Abbildungen Taf. II Fig.
5 a—n geben eine Anschauung von den bei einer solchen jungen Larve vorhandenen Borstenformen.’
Fig. 5 n stellt eine Acicula aus dem unteren Ast des 2. Ruders einer Larve mit (1 + ) 2 borstentragenden
Segmenten dar. Es sei gleich hier bemerkt, daß alle auf dieser Tafel abgebildeten einzelnen Borsten
m gleicher Vergrößerung gezeichnet worden sind, und zwar unter Benutzung von Zeiß-Apochromat 4,
Kompensationsokular 18 und Abbe’schem Zeiehenapparat, Papier in Höhe des Mikroskopfußes.
— Wir sehen sofort, daß wir zwei große Hauptgruppen von Borsten zu unterscheiden haben, nämlich
einmal einfache, nadelförmige wie Fig. 5 m, sodann eine große Mannigfaltigkeit von zusammengesetzten,
von denen in Fig. 5 a—1 die charakteristischsten Vertreter zusammengestellt sind.
E i n f a c h e , n i c h t z u s a m m e n g e s e t z t e B o r s t e n waren bisher bei der Gattung
Nereis überhaupt noch nicht bekannt, was sich wegen ihrer Zartheit und vor allem wegen