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 und vor  allen Dingen keine Lokalrassen  in  den  einzelnen Seen bildet,  kann ich Lücken,  die  die  
 Beobachtungsserien aus einem dieser Seen aufweisen, durch Beobachtungen an anderen Seen ergänzen.  
 Gleiches gilt für die übrigen Bosminenformen  des Spree-Dahme-Havel-Gebietes,  so  daß  ich  ganz  allgemein  
 Material,  das  aus  verschiedenen  Seen  dieses  einheitlichen  Gebietes  stammt,  als  einheitlich  
 behandeln kann. 
 Ich gehe aus von  denjenigen Formen, die die  für B. c. berolinensis charakteristischen Merkmale  
 am ausgesprochensten zur Schau tragen und sich am weitgehendsten und schärfsten von nahestehenden  
 Formen unterscheiden.  Es sind dies — bei B. c. berolinensis, wie bei allen übrigen Formen — diejenigen  
 Tiere,1)  die in den Hochsommermonaten Juli und August gefangen werden.  Diese  „H o c h som m e rfo 
 rm e n “  (vgl. Fig.  13,  15,  16),  wie ich  sie  nennen  will,  besitzen  eine  extrem  große  absolute  Länge  
 und sind ihrer Gesamtform nach charakterisiert durch sehr lange,  hakenförmig gebogene 1. Antennen,  
 die so  stark gekrümmt sind,  daß  ihr distales Stück der Längsachse parallel verläuft.  Die Projektion  
 der Antennenspitze  auf  die  Körperachse  fällt  dementsprechend  (meist)  hinter  die Mitte  der  Längsachse. 
   Ein weiteres Hochsommermerkmal ist  der  äußerst lange Mucro,  dessen Länge weit mehr  als  
 die Hälfte der Körperlänge betragen kann;  infolgedessen sitzt  derselbe der Schale mit derart breiter  
 Basis  auf,  daß  er  nicht mehr  (wie  z.  B.  bei  Longispina-’Foimen)  den  Eindruck  eines  Anhanges  der  
 ventrocaudalen  Schalenecke,  sondern  einer  breiten,  sich  allmählich  zu  einer  Spitze  verjüngenden  
 Rückwärtsverlängerung der Schalenklappen macht.  Der ganze caudale Schalenrand bildet gewissermaßen  
 seine dorsale Begrenzung.  An dritter Stelle wäre als Charakteristikum der Hochsommerformen  
 zu erwähnen die große relative Schalenhöhe, die die fast buckelförmige Auftreibung  des Dorsalkonturs  
 bedingt,  und  zuletzt  die  kleine  relative Augengröße.  Zahlenwerte,  in  denen die Körperproportionen  
 von Hochsommertieren  der  B.  c.  berolinensis zum Ausdruck kommen, finden sich in Tabelle I, No.  6  
 und  7  für  Tiere  vom  Müggelsee  (6. VII.  ’08)  und  Wolzigersee  (28. VII.  ’08).  Besonders  letztere  
 Tiere,  deren  eines  auch  in  Fig.  13  abgebildet  ist,  zeigen  die Hochsommercharaktere  in  extremster  
 Ausbildung. 
 Um  nun  zuerst  einmal  zu  zeigen,  in  welcher  R i c h t u n g   die  Cyclomorphose  von  
 B.  c.  berolinensis  verläuft,  stelle  ich  diesen Hochsommertieren Formen gegenüber,  wie  man  sie im  
 Frühjahr,  etwa  im April  und  Anfang  Mai  fängt.  Ich  nenne  dieselben  „ S p ä tw i n t e r f o rm e n “  
 (Fig.  20—22),  da  sie  sich  an  andere,  im Winter gefangene  Formen  eng  anschließen.  (Sie  würden  
 etwa  den Formen  entsprechen,  die Lilljeborg  als  „forma  vernalisu  bezeichnet.)  Die  Spätwintertiere  
 unterscheiden  sich  ganz  außerordentlich  von  den  Hochsommertieren.  Ihre  absolute  Länge  ist  
 bedeutend  geringer  als  bei  jenen  (etwa  um  200—300  ¡j.) ,  die  1. Antennen  sind  fast  nur  halb  so  
 lang  wie  im  Sommer  und  gleichmäßig  schwach  gebogen  oder  fast  geradlinig  (mit  einer  geringen  
 Biegung  unterhalb  des  dreieckigen  Schildchens).  Die  Reduktion  der  1.  Antennen  ist  hauptsächlich  
 der Verkürzung  des  Endteils D  zuzuschreiben.  Damit  im  Zusammenhänge  liegt  die  Projektion  
 der  Antennenspitze  weit  vor  der  Mitte  der  Längsachse  (Pr.  =  ca.  250).  Der  Mucro  ist  
 im Winter  nicht  einmal  ein  Fünftel  so  groß  wie  im  Sommer  und  ist  gewöhnlich  (namentlich  bei  
 jüngeren Weibchen)  deutlich  gegen  den  caudalen  Schalenrand  abgesetzt.  Infolgedessen  erscheint  
 er  hier  wieder  (wie  bei  den  Longispina-¥ormen)  als  ein  Anhang  der  ventrocaudalen  Schalenecke, 
 *)  Bosminaformen,  die in  diesen Monaten gefangen wurden, sind  demnach am leichtesten  und  sichersten  zu  bestimmen,  
 d a   sie  dann  ihre  spezifische  Form  in  extremer Ausbildung  präsentieren.  Wenn  man  also  in  faunistischem  Interesse  bei  uns  
 Bosminen  fängt,  sollte  man  das  in  diesen  Monaten  tun. 
 indem  der  caudale  Schalenrand  fast  ventralwärts  verläuft  und  mit  scharfer  Krümmung  in  den  
 dorsalen Mucrorand  übergeht.x) 
 Die relative Schalenhöhe ist bei Spätwintertieren ungefähr  ebenso  groß  wie bei Hochsommertieren, 
   daher  a u c h   h i e r   der  Dorsalkontur  buckelig  aufgetrieben  ist.  Die  in  diesem  Punkte  
 bestehende  Übereinstimmung  der  Spätwinterformen  mit  Hochsommerformen  beruht  wohl  darauf,  
 daß die Eiproduktion von B. c. berolinensis einerseits im April, andererseits im Juli und August Maxima  
 erreicht.  In  diesen Monaten  findet  sich  die maximale  Eizahl2)  von  (5—6)  Eiern  resp.  Embryonen  
 im Brutraum  ausgewachsener Weibchen,  und die hohen Werte  der relativen Schalenhöhe bei  beiden  
 Formzuständen beruhen  darauf,  daß  sie  durch  h o c h t r a g e n d e   Weibchen vertreten  sind.  Die  
 relative  Augengröße  der  Spätwintertiere  ist  bedeutend  größer  als  bei  Hochsommertieren. 
 Zusammenfasaend wäre also zu sagen: Spätwinterformen unterscheiden sich von Hochsommerformen  
 durch  winterliche  Reduktion  der  absoluten  Länge,  der  1.  Antennen  und  des  Mucros  und  
 durch ein relativ größeres Auge.  Die relative Schalenhöhe (H)  beider Formen ist gleich groß.  Maßangaben  
 von  Spätwinterformen  finden  sich  in  Tab.  I,  No.  1—3  für  Tiere  vom  Scharmützel-  und  
 Wolziger See  (beide vom 23.  IV.  ’09)  und vom Müggelsee  (2. V.  ’10).  Aus allen drei genannten Seen  
 bilde ich Repräsentanten  ab,  von denen  das Wolzigerseetier  die  Spätwintercharaktere  in  extremster  
 Ausbildung  zeigt  (Fig.  20,  21,  22).  Um  zeitlich  das Bestehen  des  Spätwinterformzustandes  einigermaßen  
 zu  fixieren,  will  ich  erwähnen,  daß  ich  Spätwinterformen  sonst  noch  im Wannsee  (am  23. 
 IV.  ’09)  und  im  Müggelsee  (am  28.  IV.  ’88)  fand. 
 Aber  diese  hiermit  kurz  skizzierten,  auf  den  ersten  Blick  unterscheidbaren  Formzustände  
 stehen sich doch nicht so absolut schroff gegenüber.  Es finden sich einerseits im Herbste Übergangsformen  
 von Hochsommer- zu Winterformen und andererseits im Beginn des Sommers Sommerformen,  
 die noch nicht den extremen sommerlichen Formzustand erreicht haben.  Die letzterwähnten Formen,  
 die ich „Fr ü h s omme r t i e r e “ nennen will, lösen etwa im Mai im Plankton der märkischen Seen die  
 allmählich  aussterbenden • Spätwintertiere  von  B.  c.  berolinensis,  mit  denen  sie  noch  einige  Zeit  
 lang gemeinsam das Plankton bevölkern,  ab.  Wie ein Blick auf die in Tab.  I,  No.  4 und 5 für Frühsommertiere  
 vom  Scharmützelsee  (6.  VI.  ’08)  und  Wolzigersee  (24.  VI.  ’08)  gegebenen Maßzahlen  
 zeigt,  sind  diese  Frühsommerformen  (Fig.  14)  noch  nicht  so  groß  wie  Hochsommerformen,  und  
 ferner  besitzen  sie  noch  kürzere  erste  Antennen  und  einen  kürzeren  Mucro  als  die  Hochsommerformen. 
   Wenn sie  sich aber in  der Reduktion der Körperanhänge und  der  absoluten Länge  auch  in  
 gewissem Grade  den  Spätwintertieren  vom  Ende April  nähern,  so  besteht  doch noch  eine  gewaltige  
 Kluft  zwischen  den beiden  Formzuständen,  und  es kann  keinem Zweifel unterliegen,  daß  die  Früh-  
 sömmerformen tatsächlich den Hochsommerformen bedeutend näher als den Spätwinterformen stehen.3)  
 Es  ist  außerdem  ein  ganz  a llm ä h l i c h e r  Übe rgan g   von   Frühsommer-   zu Ho c h s omme r t 
 i e r en   zu  k o n s t a t i e r e n ,   wä h r e n d   ein  so lcher   von  Spätwin t e r -   zu  Frü h s omme r t 
 i e r e n   keineswegs  s t a t t f i n d e t ,   wie  dies  schon  Wesenberg-Lund  (’08)  festgestellt  hat  und 
 0   Doch  s itz t  der  Mucro  bei  älteren  Spätwintertieren  m it  eierfülltem  Brutraum  (vgl.  Fig.  21—22)  mitunter  auch  
 den  Schalenklappen  m it  breiterer  Basis  auf,  und  es  verläuft  dann  der  caudale  Schalenrand  nich t  genau  ventralwärts,  
 sondern  etwas  schräg  nach  hinten.  Bei  solchen  Spätwinterweibchen  s te h t  der  Mucro  in  seiner Form  dem  der Hochsommerweibchen  
 etwas  näher, wenn  auch  dieser  relativ breite Ansatz  des Mucros  hier bei  d er Kürze  desselben  (bei Spätwinterweibchen)  
 nich t  so  ins Auge  fällt. 
 *)  Eine  größere Eizahl  (bis  zu  12  Eier)  fand  ich n u r bei masurischen  .Beroh’nens fs-Weibchen  (Material von  Dr.  L.  Cohn). 
 3)  Um  diese  enge  morphologische  Beziehung  der  Frühsommerformen  zu  den  Hochsommerformen  hervorzuheben,  habe  
 ich  den Ausdruck  Frühsommerform  s ta t t   der Bezeichnung  Frühjahrsform  gewählt.  Analoges  gilt  für  die  Bezeichnungen:  F rü h winter 
   und  Spätsommerform.