
Schaftes wieder eine Komplikation des Vorganges bedeutet." Wie schon bemerkt wurde, muß sich bei
dem Wachstum der Stützborsten notwendigerweise die sezernierende Fläche der Bildungszelle und
somit diese selbst vergrößern.
Jedenfalls ist es mir bei dem Durchsehen so vieler Hunderte von Borsten kleiner und großer
Würmer auf gef allen, daß niemals eine Anomalie in der Form der Borsten vorhanden war. Wohl variieren
die einzelnen Exemplare ein und derselben Borstenart in der Größe, wohl gibt es zwischen Gräten
und Sicheln alle Übergänge, wie wir sahen, die auf eine allmähliche Umbildung jener Form, in welche
die Borstensubstanz gegossen wird, deuten. Aber nie kommen krasse Mißbildungen vor, die doch
sonst eigentlich bei keinem normalerweise regelmäßig gebauten Gebilde organischer Natur zu fehlen
pflegen. Niemals z. B. sah i ch Übe r g äng e zwischen h omog omphe n un d h e t e r o gomphe
n Sch a f t e n de n, nie war an dieser Stelle, wie man es vermuten könnte, eine Verklumpung
oder auch nur ungewöhnliche Verbindung zwischen Schaft und Anhang vorhanden. -S| Auch aus der
Literatur der Chaetopoden ist mir kein Fall von irgend welcher Anomalie im Bau der Borsten
selbst bekannt.
Etwas ganz anderes ist es, wenn wir die An o rd n u n g de r Bor s t en i n den e in z e ln e n
Ru d e r n verfolgen. Da treten häufig Unregelmäßigkeiten auf. Ich will nur ein paar von mir bei ganz
jungen Tieren beobachtete Fälle erwähnen. Ein 24 Tage altes Individuum meiner nereidogenen Zucht
No. 2 mit 5 Ruderpaaren besaß links im 2., 3. und 5. Ruder nur die beiden Aciculae und keinerlei äußere
Borsten in diesen Rudern, während die Bewaffnung der rechten Seite normal war. Dieser krankhafte
Zustand hielt jedoch nicht lange an, denn bereits nach 8 Tagen, am 32. Tage nach der Befruchtung,
waren in den betreffenden Rudern wieder die entsprechenden äußeren Borsten vorhanden.
Eine nereidogene Nereis dumerüii mit (1 + ) 2 Rudern besaß noch am 6. Tage keinerlei Borsten außer
einer schwachen Acicula im Ruder 1 der einen Seite, die erst an diesem Tage entstanden war. Das
Tier ging bald darauf ein. Endlich fehlten in dem 6. Ruder links eines nereidogenen Wurmes mit
7 Rudern die Borsten und Aciculae, während sie rechts und im 7. Ruderpaar vorhanden waren. Dabei
wich das anomale Ruder in Bau und Größe in keiner Weise von der Regel ab. — Von den in der Literatur
erwähnten Borstenanomalien sei hier eine Bemerkung von Eh l e r s (1868) angegeben, die er
in seiner allgemeinen Einleitung über den Bau der L y c o r i d e n macht: „In jedem Ruderaste
liegt eine Stütznadel; nur in seltenen Ausnahmefäflen habe ich zwei gefunden, und bin der Meinung,
daß es sich dann immer um die Ersetzung einer alten auszustoßenden durch eine neugebildete handelte“.
(S. 444.) Hiermit spielt E h l e r s wohl auf einen Fall an, den er nachher (S. 541) gelegentlich der
Beschreibung eines sich umwandelnden Weibchens von Nereis dumerüii erwähnt: „vielleicht ist es
nur Zufall, daß ich gerade hier in dem oberen Aste eines Ruders sta tt einer drei eng aneinanderliegende
Stütznadeln fand“. W i 11 e y (1904) bildet das 74. Ruder der L y c o r i d e Neanthes
latipalpa Kbg. mit 2 Stützborsten im unteren und einer im oberen Ast ab, ohne jedoch diesen Fall
im Text zu erwähnen.
Ich glaube nicht, daß die einmal vorhandenen Stützborsten bei Nereis normalerweise jemals
gewechselt werden. Das Vorkommen solcher Mehrfachbildungen läßt sich vielleicht durch den
Vergleich mit ähnlichen Erscheinungen bei der Ontogenese oder bei der Regeneration der Organismen
unserem Verständnis näher bringen.
Endlich k ö n n e n a u c h v i e l f a c h d i e e i n z e l n e n B o r s t e n a r t e n v i c a -
r i i e r e n d 'f ü r e i n a n d e r e i n t r e t e n . So fand ich, um nur ein Beispiel anzuführen,
oft mitten zwischen normalen Rudern solche , die im oberen Bündel des. unteren Astes sta tt der
homogomphen und heterogomphen Grätenbbrsten nur homogomphe-führten, doch in solcher Anzahl,
daß die Summe der Borsten dieses Bündels die normale blieb. Es waren also die fehlenden
heterogomphen Borsten durch die entsprechende Anzahl homogompher ersetzt.
Wir sehen somit, daß B o r s t e nH o w oh 1 g a n z f e h l e n a l s a u c h i n e i n e r d i e
n o r m a l e Z a h l ü b e r s c h r e i t e n d e n Me n g S a ü f t r e t e i k ö n n e n , wi e e n d -
M .Cl1 d l e i i r SO l l i e d e n e n B o r s * e n f o rm e n g e l e g e n S f i c h e i n a n d e r v e r t
r e t e n . N i e m a l s d a g e g ^ S k o m m e n w i r k l i c h e M i ß b i l d u n g e n e i n z e l n e r
B o r s g a r v o r. In letzterem Umstand haben wir eine vor allem bei einem Organismus äußerst
merkwürdige und seltene Konstanz der Bedingungen zu erblicken, unter denen Eorm gebildet wird.
Obwohl der Bau einer zusammengesetzten .Veret».Borste äußerst kompliziert erscheint, wenn man
ihn im Hinblick auf die Möglichkeit seiner Entstehung betrachtet, so möchte ich doch annehmen
daß der Mechanismus, welcher die endgültige Eorm der Borste herstellt, ein äußerst einfacW ’
wissermaßen elementarer ist, denn sonst wäre ein solches Gleichmaß in den erzielten Produkten
nicht zu verstehen.
■Wir hatten iiü I. Abschnitt dieser Arbeit die jungen nereidogenen und planlctogenen Würmer
bis zu deip Stadium verfolgt, wo sie in ihrem Bau einander gleich geworden waren. Wir wollen uns
nun mit dem weiteren Wachstum der Tiere.beschäftigen. Die Figuren 1—3 der Tafel I stellen bei
gleicher Vergrößerung (lOfacher) drei ve&chiedene Altersstufen von Nereis dumerüii nach dem Leben
bei auffallendem Licht auf dunklem Untergrund dar, Fig. 1 ist ein junger Wurm mit 11 Ruderpaaren;
sein Körper erscheint noch plump, u n d relativ unbehilflich. Die Fühlercirren sind zwar
schön lang, aber noch nicht so elegant geschwungen, wie bei größeren Tieren. Auf dem Rücken
sieht man das grünliche Blut des Dorsalgefäßes durchschimmern, und wenige rote und gelbe Chromatophoren
des Peritoneums.
Diese Pigmen t z e l l e n, deren allmähliches Erscheinen bei den Larven bereiter besprochen
wurde, sind bei den Tieren mit etwa 16 Ruderpaaren vorn auch in den Basalgliedern der Fühlercirren
wie in den die Rüsselhöhle umgebenden Cölomwandungen sichtbar. In den ersten Segmenten sind die
roten jederseits des Dqrsalgefäßes in mehreren Längsreihen angeordnet, während die gelben paarweise
das Gefäß begleiten. Nach hinten erstrecken | | i beide Arten auf der Rückenfläche mehr und mehr
vereinzelt bereits bis nahe an das Hinterende. Nur die letzten, noch nicht vollständig entwickelten
Segmente sind noch frei vört ihnen. Taf. IV Fig. 18 ist der Optische Schnitt durch das Vorderende
einer Nereis dumerüii mit 30 borstentragenden Segmenten in Höhe der Chromatophorenschicht. Man
sieht m dem durch das Deckglas etwas gequetschten Tiere die genaue Lage und Zahl der vorhandenen
Pigmentzellen, unter denen die großen gelben im Kopflappen besonders auffallen. — Mit dein weiteren
Zunehmen der Segmentzahl verlängern sich die Längsreihen der roten Chromatophoren und gelangen
allmählich bis m die am weitesten hinten gelegene Region des Rumpfes, während vorn immer mehr
-Solcher Zellen auftreten, deren Zahl schließlich die Regelmäßigkeit der Anordnung verhindert, so daß
die Rückenfläche der ersten Segmente ganz rot besprenkelt attssieht. Die gelben Pigmentzellen
vermehren sich ebenfalls und erscheinen bald auch in den seitlichen Partien der Rückenfläche. Fig. 2
der Tafel I stellt einen Wurm mit 44 Ruderpaaren dar, der etwa die beschriebene Pigment-
Verteilung zeigt.-