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 gesperrt und befruchtete bereits  am  30.  Oktober  regulär  in  dessen Röhre  die von jenem  abgelegten  
 Eier,  aus  denen  die  Zucht  No.  3  hervorging.  Darauf  wurden  beide  Tiere  isoliert.  Das Weibchen  
 starb  nach  nicht  langer  Zeit,  das Männchen  dagegen  blieb  am  Leben,  besaß  am  12.  November  39,  
 am 5. Dez. 45, am 27. März 53 Rudersegmente und metamorphosierte, so daß es am 9. April als reifes  
 heteronereides Männchen umherschwamm.  Bei ihm betrug die Zeit zwischen beiden Reifezuständen  
 161  Tage. 
 Wir  haben  hier  einen Fortpflanzungsmodus  vor  uns,  der  an  die von C h u n  (1888  und  1892}  
 an Vertretern (Eucharis) der zu den Ctenophoren gehörenden Gruppe der L o b a t  a e  auf gefundenen  
 Verhältnisse  erinnert.  C h u n  führte  den  Namen  „Dissogonie“  für  eine  derartige  Zeugung  ein  
 und  definiert  diesen  Begriff  folgendermaßen:  „Als  Dissogonie  bezeichne  ich  die  Geschlechtsreife  
 eines  und  desselben  Individuums  in  zwei  verschiedenen  Formzuständen,  zwischen welche  eine  mit  
 Rückbildung  der  Geschlechtsprodukte  verbundene Metamorphose  sich  einschaltet.“ 
 Schon  damals  wies  C h u n  auf  die  Möglichkeit  hin,  daß  vielleicht  bei  den  L y  c o r i d e n  
 und speziell bei Nereis dumerilii ebenfalls  eine Dissogonie Vorkommen könnte.  In einer Anmerkung  
 auf  S.  100  sagt dieser Forscher:  „Es  dünkt mir weiterhin nicht unwahrscheinlich,  daß manche Entwicklungsvorgänge  
 bei  Würmern  mit  einer  Dissogonie  gepaart  sein  dürften.  Ich  denke  hierbei  
 speziell  an  die  eigenartige  Zeugung  der  Nereiden,  wie  sie  schrittweise  durch  die  Untersuchungen  
 von Eh l e r s   und Clapa r e d e  bekannt wurde.“  Er schildert dann die durch v o n  Wi s t i n ghau s en s   
 Arbeit  nochmals  festgestellten  verschiedenen Formen  unserer Nereis  dumerilii  und  sucht  durch  ein  
 Schema  deren  Verhalten  zu  einander  zu  verdeutlichen.  Schließlich  fährt  er  fort:  „Leider  sind  uns  
 die  Schicksale  der geschlechtlich  erzeugten Nachkommen völlig unbekannt; wir wissen nicht,, ob  die  
 Larven  der Heteronereis-Formen  sich wieder  zu Heteronereis  oder  zu Nereis  ausbilden  und  ebensowenig  
 sind wir  darüber  orientiert,  welche  äußeren Bedingungen  die Umwandlung  der kleinen Nereis  
 in  eine kleine Heteronereis resp.  in eine mittlere geschlechtliche Nereis und in die große Heteronereis  
 im Gefolge haben.  Die moderne Entwicklungsgeschichte hat ein größeres Interesse daran, den Aufbau  
 der Organsysteme aus Keimblättern kennen zu lernen, denn den nach meiner Ansicht weit bedeutungsvolleren  
 cyklischen Lebensvorgängen nachzuspüren:  so  sind wir  denn über  die Furchung der  dotterreichen  
 Nereis-Eier,  über  ihre vier den Kopflappen bildenden  „Encephaloblasteh“  und  über die  den  
 Rumpf  liefernden  „Somatoblasten“  auf  das  genaueste  unterrichtet,  ohne  daß  indessen  das  weitere  
 Schicksal der Larve verfolgt worden wäre. — Ich kann nun die Vermutung nicht unterdrücken,  daß  
 vielleicht  eine Dissogonie  in die Entwicklung von Nereis dumerilii hereinspielt.  Man hat sich bisher  
 mit  der Auffassung  begnügt,  daß mit  dem  Eintritt  der  Geschlechtsreife  bei  der kleinen Nereis  nnd  
 Heteronereis auch die Entwicklung des Individuums abgeschlossen sei; es verlohnt sich zum mindesten  
 der Mühe, weiter zu prüfen, ob diese Auffassung zutrifft, oder ob nicht doch nach der geschlechtlichen  
 Tätigkeit eine Umwandlung in die große Nereis resp. Heteronereis  stattfindet“. 
 Wie wir sehen,  haben sich die Vermutungen C h u n s  bestätigt,  zunächst wenigstens insofern,  
 als  tatsächlich  eine Dissogonie bei Nereis dumerilii sicher  festgestellt werden  konnte.  Nachdem  die  
 Tiere in der Form a  ihre Geschlechtsprodukte abgesetzt hatten, wuchsen sie zunächst weiter, um dann  
 die  Metamorphose  durchzumachen  und  in  der  Form  ß  nochmals  geschlechtsreif  zu  werden.  Die  
 Würmer wandelten sich allerdings nicht, wie C h u n   es vermutete, in die dritte reife,  die große hetero-  
 nereide Form um, sondern wählten die kleine heteronereide Form,  doch ändert das ja nichts am Prinzip  
 des  Zeugungsmodus. 
 D.  Die  grosse  heteronereide  Form. 
 Die große heteronereide Nereis dumerilii ist die dritte Form,  in welcher dieser Wurm geschlechtsreif  
 werden  kann  und  die ich deshalb mit  r   bezeichne.  Sie ist wie Form a   und  ß  getrennt geschlechtlich. 
   C1 a p a r è d e  fand im März in den Röhren  unserer Art gelegentlich Würmer,  die  durch  ihre  
 Größe und ihr Aussehen  auffielen.  Er beschreibt diese Nereis  folgendermaßen:  „Elle  est violette  en  
 avant,  et d’un vert d’eau assez délicat  en arrière.  Malgré  cette  coloration si  frappante,  il est  facile  
 de  se  convaincre  qu’il  ne  s’agit  point  d’une  espèce  particulière.  C’est  une  Nereis  dumerilii  chez  
 laquelle  le  pigment  péritonéal  a  atteint  son maximum  de  développement  dans  la  région  antérieure  
 du  corps,  mais  est  en  voie  de résorption  plus  en  arrière.  Quant  à  la  couleur vert-pâle  de  la  région  
 postérieure,  elle est du au  développement de ce tissu particulier que j ’ai décrit ailleurs sous le nom de  
 tissu  sexual.  Les  cellules  de  ce tissu  (III,  3A,  a)  renferment,  en  effet,  en outre  des nucléus  et d’une  
 vacuole pleine d’un liquide aqueux, une gouttelette, parfois plusieurs, d’une substance verte, d’apparence  
 graisseuse.  Lorsque ce tissu est assez développé pour remplir toute la cavité périviscérale,  la couleur  
 verte  de  ces  gouttelettes  perce  à  travers  la  paroi  du- corps.“  Da  solche  großen Würmer  nie  in  der  
 nereiden Form geschlechtsreif wurden,  sondern die  in  ihneni beginnende Entwicklung der Geschlechtsprodukte  
 stets  den  ersten Anfang  zu  einer Verwandlung  in  die  heteronereide  Form  bedeutete,  so  
 nannte C l a p a r e d e  das  Stadium,  auf  dem  sich  die großen Würmer  befanden:  „phase  epigame“.  
 Alsbald  geht  dann  die Metamorphose  vor  sich  und  es  resultieren  heteronereide Würmer,  die  ihrem  
 Bau  nach  völlig  denen  der  von  mir  Form  ß  genannten-  gleichen.  Trotzdem  bei  ihnen  nun  echte  
 Schwimmruder mit Messerborsten ausgebildet sind,  vermögen diese Tiere nicht wirklich zu schwimmen,  
 weil sie offenbar zu schwer sind.  Nur mühsam erheben sie. sich durch ihre Bewegungen  vom Boden. 
 Nach  C1 a p a r è d e  sind die Spérmatozoen der großen und kleinen heteronereiden Form gleich,  
 dagegen sollen sich ihre Eier unterscheiden, indem beim Ei der Form ß  die gelbe Farbe und die „zone  
 granuleuse  périphérique“  fehlen, sollen,  die  er bei  der Form  x  erkannte:  In der Größe gleichen  sich  
 nach diesem Autor die Eier beider Formen.  Wir haben bereits gesehen,  daß  die von G l a p a r è d e   
 den Eiern der Form ß  abgesprochenen beiden Merkmale wohl vorhandën sind, so daß also kein Unterschied  
 zwischen  den Eiern beider Formen existiert.  Es bliebe demnach als einziges Unterscheidungsmerkmal  
 zwischen Form ß  und y n u r   die verschiedene Größe  und  die  damit  verbundene größere oder  
 geringere  Beweglichkeit  bestehen; 
 V o n W i s t i n g h a u s e n   hat sich nicht näher in einen Vergleich beider Formen eingelassen,  
 sondern gibt nur  an,  daß  die  größten  Tiere in  der  nereiden Form 55—65 mm lang werden und  sich  
 bei Messina  im  Juni  und  Juli  in  die  große  heteronereide  Form  um wandeln,  welche  im August  reif  
 wird.  „Die  Eier  der  letzteren  Form“,  fährt  er  dann  fort,  „enthalten  wenig  Nahrungsdotter  und  
 werden in Tuben abgelegt.  Die große Heteronereis tritt niemals pelagisch auf.  Wie die Entwicklung  
 verläuft,  ob mit,  ob  ohne Metamorphose,  ist  unbekannt,  doch  glaube; ich,  aus  dem geringen  Gehalt  
 der  Eier  an  Nahrungsdotter  schließen  zu  können,  daß  ersteres  der  Fall  ist.“ 
 Wie  schon  früher  hier  auf  S.  71  gesagt  wurde,  wurden  mir  gelegentlich meines  ersten Auf*  
 enthaltes in Neapel im Frühjahr  1907 mehrfach große nereide Würmer mit 85—92 borstentragenden  
 Segmenten gebracht, welche sich nach den reichlich in ihnen heranwachsenden Geschlechtsprodukten  
 und  nach  ihrer Färbung  als  die  „phase  epigame“ G l a p a r è d e s   erkennen ließen.  Sie wandelten  
 sich  denn  auch  bald  in  die  Form  x  um.  Andere  so  große Würmer,  die  zwar  noch  in  ihren Röhren  
 saßen,  als sie gefangen wurden,  hatten zu jener Zeit schon die Metamorphose  beinahe durchgemacht. 
 Zoologica.  H e ft  62.  £ 2