
Lilljeborg stellte seine B. c. var. humilis auf nacli Formen, die Zacharias im Marchowie- und
Klodnosee (W.-Pr.) gesammelt hatte. Diese Formen, die sich im Besitze des Zoologischen Instituts
Berlin befinden, konnte ich nachuntersuchen. Außerdem fand ich selbst nahestehende Formen in
preußischen, mecklenburgischen und brandenburgischen Seen. Vergleicht man die von mir für
diese Formen in Tab. III, No. 1—7 gegebenen Zahlenwerte mit den durch Messung von Linkos
(01, II) Abbildung der B. c. hessleri erhaltenen Zahlen, Tab. I I I , No. 6a, so. findet man weitgehendste
Übereinstimmung. Nur hinsichtlich der Werte für Pr und C + D fällt die Linkosche
Form aus dem Rahmen meiner Formen heraus, doch ist gerade Projektion und Länge der 1. Antennen
so starker temporaler und Altersvariation unterworfen, daß auf diese Abweichung kein
Wert zu legen ist. Hinsichtlich der in Maßen nicht ausgedrückten Form Verhältnisse wie Form der
Stirn, des Rostrums und des Dorsalkonturs etc. besteht volle Übereinstimmung oder zum mindesten
so enger Zusammenhang zwischen allen in Frage stehenden Formen, daß eine Trennung sich hier
nirgends vornehmen läßt. Am nä chs t en s t eht die Linkosche Figur der Bosmine vom
Buckower Schermüt zel see (Fig. 42/3). In der Form des Mucrorudiments stimmt dieselbe
am meisten mit Fig. 43 überein, im Gesamthabitus mit Fig. 42.
Wenn ich somit die mir bekannten norddeut s chen, bisher zu B. c. humilis gestellten Bos-
minenformen mit B. c. hessleri identifizieren zu können glaube, so ist mir andererseits die Identifizierung
der von Lilljeborg (’01) abgebildeten, schwedi schen Formen, die er B. mixta var. humilis
nennt, mit den norddeutschen üTmZm-Formen sehr zweifelhaft. Es bestehen nämlich bedeutende
morphologische Unterschiede zwischen den erwähnten norddeutschen und den Lilljeborgschen Formen.
Erstens ist die Stirn bei Lilljeborgs B. mixta var. humilis vor dem Auge stark vorgewölbt, bei den norddeutschen
Formen dagegen äußerst flach. Sodann erreicht das Auge bei Lilljeborgs Formen mitunter
so außerordentlich hohe Werte (0 = 120), wie sie bei B. c. hessleri (einschließlich der norddeutschen
Formen) und überhaupt bei Hochsommerformen der ganzen Coregoni-'Reihe nie angetroffen werden.
Ferner ist das Rostrum von Lilljeborgs Formen stumpf und kurz, von B. c. hessleri lang und spitz.
Bei letzterer ist der vordere Dorsalkontur stets flach oder gar konkav, bei den schwedischen Formen
häufig stark konvex. Auch im Verlauf der Cyclomorphose beider Formengruppen finden sich
bemerkenswerte Unterschiede, vgl. pag. 86. Alle erwähnten morphologischen Differenzen zwischen
den beiden Formengruppen weisen dahin, daß die Lilljeborgschen Formen der Longispina-Beihe
bedeutend näher stehen als der Coregoni-Reihe, zu der zweifellos B. c. hessleri und die norddeutschen
Äessfen-Formen zu stellen sind1); doch muß die Stellung der Lilljeborgschen Formen vorläufig noch
offen gelassen werden. Aufschluß könnte hier ein eingehenderes Studium der Cyclomorphose der
skandinavischen Formen geben.
B. c. hessleri bietet nach den verschiedensten Seiten innerhalb der Coregoni-Reihe Beziehungen
und Anknüpfungen; mit folgenden Formen berührt sie sich so eng, daß Übergangsformen keine
Seltenheit sind: B. c. berolinensis, B. c. longicornis,2) B. c. lilljeborgii,2) B. c. coregoni f. diaphana. Es
divergieren somit von dieser Form aus die Entwicklungslinien der Oore^owi-Reihe nach den verschiedensten
Seiten hin. Infolgedessen ist es äußerst schwierig, die sich mit B. c. hessleri berührenden
Formen mit der vom systematischen Standpunkte aus wünschenswerten Sicherheit abzugrenzen.
x) Allerdings bestehen auch Übergangsformen von der Lilljeborgschen B. mixta var. humilis zu B. c. kessleri; vgl. z. B.
Lilljeborg (’01), Tab. X L II, Fig. 5.
*) Uber die Beziehungen und Ubergangsformen zu B. c. longicornis vgl. pag. 35 u nd 38, zu B. c. lilljeborgii pag. 45,
zu B. c. coregoni f. diaphana vgl. pag. 48 f.
An B. c. berolinensis nähern sich namentlich die Formen des Scharmützel-, Plauer- und Müritzsees
derart, daß kontinuierliche Übergangsreihen von der einen zur anderen Subspezies sich aus den
Bosminenformen dieser Seen leicht aufstellen zu lassen. Der Unterschied zwischen beiden Subspezies
besteht im wesentlichen nur darin, daß der Mucro von B. c. hessleri bedeutend kürzer ist als der außerordentlich
lange von B. c. berolinensis, und ich bin betreffs der Plauer See-Bosmine (vgl. pag. 31)
sogar im Zweifel, ob dieselbe als B. c. berolinensis anzusprechen ist, oder ob hier nur Extremvarianten
von B. c. hessleri mit außerordentlich langem Mucro vorhegen. Im Scharmützelsee konnte ich die
Extremformen der B. c. hessleri von B. c. berolinensis oft nur daran unterscheiden, daß erstere im
Scharmützelsee Schalenretikulation besitzt, die der B. c. berolinensis gewöhnlich fehlt. Auch das
Fehlen von Incisuren am Mucro von B. c. hessleri stellt kein unüberbrückbares Trennungsmerkmal
gegen B. c. berolinensis dar, da junge Tiere von B. c. hessleri oft 1 bis 2 Incisuren besitzen und
solche sich mitunter auch bei ausgewachsenen Individuen finden.
An der Spitze des Mucrorudiments der B. c. hessleri vom Stienitzsee bemerkte ich sehr oft
2—3 feine, stachelähnliche Bildungen, die ich als Rudimente der Incisurendömchen ansehen
möchte, vgl. Fig. 42 a und pag. 19.
Verbreitung.
DEUTSCHLAND. Preußen: Marchowiesee* (Kr. Neustadt), Klodnosee* (Kr. Karthaus): Zacharias (’87,1 u. II).
Nach Seligo (’07) ist B . mixta in Preußen stark verbreitet. Wie aus Seligos Abbildungen hervorgeht, gehören
die von ihm als B . mixta bezeichnten Formen z. T. hierher, z. T. sind sie allerdings auch zu B . c. lilljeborgii
zu stellen. Folgende Fundorte gibt Seligo für B . mixta an: Lappalitzer-, Miechutschiner-, Roeskauer-,
Schwanauer-, Klenschan-, Swantu-, Espenkruger-, Liebschauer-, Gr. Marschei-, Altpaleschker-, Mittel-, Ober-,”
Sawadda-, Dümen-, Schlochauer-, Gr. Somminer-, Bölzig-, Böthin-, Labes-, Tessentin-, Rötlof-, Serventsee.
— Ich fand B . c. kessleri (im Material Seligo) in folgenden Seen: Steinkruger See (Kr. Karthaus), Gr. Paupelsee
(Kr. Heilsberg); Übergangsformen zu B.c.coregoni f. diaphana (vgl.p.87) im Lossowo-, Bislawe- und Gluchisee.
Cohn (’03) meldet B. c. var. humilis aus mehreren masurischen Seen; es handelt sich hier jedoch um
B. c. berolinensis (vgl. pag. 32).
P omme r n : Zacharias (’01) fand B . c. humilis im Gr. Damen-, Gr. Kämmerer- und Lubowsee.
O s t h o l s t e i n : B. c. humilis im Schöhsee (Zacharias '02).
Me c k l e n b u r g : Ich fand B . c. kessleri im Plauer- und Müritzsee; in beiden mit Übergängen zu
B. c. berolinensis.
Ol d e n b u r g : B . c. humilis in Sager-Meer (Poppe 589,II).
B r a n d e n b u r g : Schermützelsee bei Buckow* (Hartwig ’95).*) Ich fand B c; kessleri im Scharmützel
und Storkower See und im Kalk- und Stienitzsee (vgl. p. 38) bei Rüdersdorf.
RUSSLAND. Onegasee (Keßler ’68, Uljanin ’74, Linko ’99, '01, II). B . brevispina fand Uljanin (’74) im Trosten-
skoje- und Glubokojesee. Die vom Ladogasee stammende B . longispina var. ladogensis Nordquist, die der
Autor selbst (’87) mit B . humilis Lilljeborg identifiziert, gehört vielleicht hierher, jedoch wird eine B . humilis
oder B . kessleri von Skorikow (’04) aus dem Ladogasee nicht gemeldet. B . kessleri im Dnjepr und Pripjatj
(Sowinski '88), in der Moskwa (Rossinski, nach Timm ’04). B . mixta var. humilis im Weißen See (Linko ’03, II),
im Raipalsee bei Dorpat (von zur Mühlen ’08,1 det. Levander).
FINNLAND. B . kessleri (?) im Kiitama nach Imhof (’88) (vgl. außerdem p. 21).
SIBIRIEN. B . mixta var. humilis an der Einmündung des Tabol in den Irtisch (Zykoff ’08).
ÖSTERREICH. B . kessleri (?) nach Imhof (’88) im Wallersee bei Salzburg.
3. Subspezies: B. c. acrocoregoni Burckhardt.
Syn. B. coregoni var. acrocoregoni Burckhardt (’00,1).
B. c. acrocoregoni f. Burchhardti Brehm (’06).
B. lilljeborgii var. bavarica Imhof (’87) (?).
*) Im Stechlinsee fand Hartwig n i c h t , wie Keilhack (’08) angibt, B. c. humilis, sondern B. c. coregoni u nd „Übergänge
zu B. c. h u m i l i s Ich würde die dortige Form B. c. coregoni f. diaphana nennen.