einen Blick auf den Montblanc. Die Rhöne war öde und unbelebt,
eine Schiffahrt scheint kaum mehr zu existiren; auch im
Hafen von Lyon hatte ich keine Schiffe gesehen, eine Erscheinung
die man in Deutschland wohl beherzigen sollte, ehe man sich auf
grossartige Kanalprojekte einlässt. Auf der Bahn war der Verkehr
um so lebhafter, wir begegneten einem Güterzug nach dem
anderen; die Linie Paris-Lyon-Mediterranee vermittelt ja ganz'
allein die Verbindung des Mittelmeeres mit Nord- und Mittelfrankreich
und nur für den Südwesten kommt auch die Linie
Cette-Toulouse-Bordeaux in' Betracht. Mit klopfendem Herzen
spähten wir in der Schlucht von Donceres nach dem ersten Oel-
bäurn, der uns den Eintritt in die Olivenregion bezeichnen sollte,
aber der strenge Winter von 1882 hat die Grenze der Olive um
ein paar Stunden nach Süden verschobeu und erst bei Lamanon,
wo ein zweiter Felsriegel in die Ebene vorspringt, tritt sie wieder,
zuerst an geschützten Stellen, dann überall in der Ebene auf;
es wird wohl ein paar Jahre dauern bis die Bewohner der Gegend
die Lehre des strengen Winters vergessen haben und den Oel-
baum wieder pflanzen. Uebrigens; ist bei Donceres nicht der
nördlichste Punkt überhaupt, an dem man noch die Olive pflanzt;
etwas weiter westlich am. Südabhang der Cevennen geht sie bei
Beauchastel im Dep. Ardeche bis zu 44° 50’ hinauf, und in Istrien
wie am Südhang der Alpen noch beinahe einen vollen Breitegrad
nördlicher; einzelne Bäume finden sich selbst noch bei Bozen
und von Padernone im1! Sarcathal abwärts bis zum Gardasee
bilden sie ganze Wälder. Sie halten dort ohne' Schäden eine
vorübergehende Wintertemperatur von — 8°R. aus, aber eine höhere
und länger andauernde Kälte wird ihnen verderblich; aus diesem
Grunde kommen sie selbst am Südrande des schwarzen Meeres
nur an wenigen geschützten Stellen, an der Südküste der Krim gar
nicht mehr fort. Im Anfang dieses Jahrhunderts soll man Sogar am
Nordufer des Genfer Sees mit gutem Erfolg -Oelbäume kultivirt und
Oel bereitet haben, bis ein kalter Winter der Sache ein Ende machte.
In Avignon wurde .für einen Augenblick der Mistral Herr,
über den Südostwind, aber es blieb trüb und den Mont Ven-
toux bekamen wir gar nicht zu Gesicht. Bald begann auch der
Scirocco wieder zu blasen, stark genug, um eine Verspätung
des Zuges zu veranlassen. Bei Tarascon, der Heimath des
grossen Tartarin, dessen Abenteuer mich in Algerien so manchesmal
erheiterten, verliessen wir die Route unserer vorigen Reise,
und nun ging es durch die fruchtbare Rhöneebene hinüber nach
Arles , dem alten Arelate. Diese Hauptstadt Galliens lag einstmals
an der Mündung der Rhöne, ehe. der wilde Bergstrom
aus den Trümmern seiner Heimathberge die grosse Deltainsel der
Cama r g u e aufschüttete. (Diese bildet heute eine Sumpfebene
von 15 Quadratmeileü, mit neun Ortschaften und 3—400 Pachthöfen,
nur ein Fünftel ist bebaut, der Rest dient als Weide für
die flinken kleinen Pferde, die man in Marseille so häufig sieht,
und'für unzählige Schafe, die aber im Sommer in die Seealpen
wandern.) Die Rhöne’ ist von ihrer Theilung ab kaum noch schiffbar;
um Arles seinen Seehafen zu retten, hat man 1804 einen
60 Meter breiten und 7 — 9 Meter tiefen Kanal nach Bouc am
Ausgang des Etang de Berre angelegt, aber die Konkurrenz von
Marseille ist zu übermächtig und der Kanal dient fast g nur
dem Lokalverkehr. Arles .bleibt eine stille Landstadt von 22000
Seelen und hat aus seiner Vergangenheit wenig gerettet; nur die
Schönheit seiner Frauen ist dieselbe geblieben, wie im Alterthum,
aber der vorbeifahrende Reisende bekommt davon eben so wenig
zu sehen, wie von der Stadt. Nach wenigen Minuten schon jagt
das Dampfross weiter, dem grossen Kanal entlang. Noch kurze
Zeit begleitet uns zu beiden Seiten die üppige Vegetation der
Rhöneebene, dann verschwindet sie und eine schreckliche Einöde
umgibt uns, eine dürre nackte Fläche, soweit das Auge reicht,
mit rundlichen Kieselsteinen bedeckt, zwischen denen selbst jetzt
im Frühjahr nur hier und da eine kümmerliche Vegetation auf-
spriesst. Wir sind in der C r a u , der französischen Sahara. So
unvermittelt liegt diese Steinwüste, in dem prangenden Garten
der Böuches du Rhöne, dass sie' auch den Alten auffiel; schon
im >befreiten Prometheus« des Aeschylus finden wir die Sage,
dass Herkules, als er mit den Rindern des Geryon aus Spanien
zurückkam, hier von den Eingeborenen überfallen wurde; die
nie fehlenden Pfeile des Halbgottes waren verschossen und er
wäre der Ueherzahl erlegen, wenn nicht Zeus seinem Sohne
durch die Steine, die er vom Himmel herabfallen liess, frische
Waffen geliefert hätte. Seitdem liegen die fremdartigen Steine
hier zwischen Kalkfelsen und Schwemmlehm; das Land hiess
Campus h e r c u l e u s oder auch l a pi d eus , das Steinfeld, in
genaper Uebersetzung des altkeltischen Namens, der von Crai ,