Es ist em Riesenwerk, in der ganzen Länge von sieben Kilometern
in den Reisen gehauen und durch eine Brustwehr, stellen-
' weise auch durch stehengebliebene Felsenstücke nach der Stromseite
hin geschützt. Zum Glück macht die Schlucht keine allzu
starben Windungen, so dass Tunnels nicht nöthig wurden. Gegen
tausend Fuss steigen die Felsen an beiden Seiten in die Höhe,
nur für die Affen wegsam, die hier noch häufiger sein sollen’
als anderswo, uns aber auch hier nicht zu Gesicht kamen. Die
Strasse führt anfangs am linken Ufer hin, und hier rieseln mehrfach
Quellen am Fels herunter, dann überschreitet sie auf einer
hübschen Steinbrücke den Wildbach und läuft nun dem rechten '
Hang entlang Die obere Hälfte ist die grossartigere, namentlich
die Stelle, wo eine Seitenschlucht' sich abzweigt und ein
zuckerhutförmiger Felskegel sich vielleicht tausend Fuss hoch
senkrecht und nackt erhebt. Die Strasse steigt rasch an; vielfach
begegneten uns Trupps von Kabylen und auch die Steinklopfer
waren sämmtlich Kabylen, aber von Frachtverkehr ist
kaum noch eine Spur, denn Setif bezieht jetzt alle seine Waaren
mit der Bahn über Konstantine von Philippeville, und die Strasse
wird verödet bleiben bis sich einmal die Kolonisation im Thale
selbst weiter entwickelt hat.
Alle Schilderungen von Chabet el-Akra, die wir vor unserer
Reise gelesen, stimmten darin überein, dass die Schlucht so eng
sei, dass man oben nur einen ganz schmalen Streifen Himmel
erblicke und die- Sonne selbst am hohen Mittag ihren Grund,
kaum bescheine. Da es nun selbst in Bougie noch ziemlich kühl
war, hatten wir unsere Winterkleider anbehalten, aber wir sollten
arg enttäuscht werden. Schon lange vor Mittag war jede' Spur
von Schatten verschwunden und die Sonnenstrahlen, von den
weissen Kalkwänden mit verdoppelter Kraft zurückgeworfen,
glühten ganz entsetzlich; auch die Augen .fingen-von dem angestrengten,
Suchen an den weissen Wänden an zu schmerzen und
der Durst wurde quälend, denn auf der ganzen Strecke von der
Brücke bis nach Kerata findet sich auch nicht ein Tropfen Trinkwasser.
Zum Glück war die Ausbeute sehr reichlich und da liess
sich schon Manches ertragen, aber wir waren doch froh, als wir
uns dem Ausgang der Schlucht näherten. Hier hat man gerade
eine der schwierigsten Strecken zu überwinden gehabt; der
brüchige Fels stürzte immer nach und man hat schliesslich
eine .ziemliche Strecke mit' einer Galerie überwölben müssen.
Wenig weiter hinauf weichen die Felsen auseinander und man
sieht die ersten Häuser von Kerata, aber wir haben doch noch
ungefähr eine Viertelstunde zu gehen, bis wir das neue Dort
und das Hotel erreichen. Kurz vorher sprudelt em mächtiger
Strahl köstlichen Wassers, von Trauerweiden und Eukalypten beschattet;
"es hat uns .selten ein Trunk so gemundet, wie dieses
herrliche Nass. ' > '
Kera t a ist zwar auch noch ein ganz neues Dorf, aber ein
unternehmender Kopf, wie sie leider in Algerien nicht allzuhäufig
sind, hat hier ein recht gutes Hotel errichtet, in welchem
Touristen schon einmal ein paar Tage aushalten können. Die
■ Lage ist ganz wunderbar. Gerade gegenüber erheben sich zwei
gewaltige Felsenmassen mit scharfem gezacktem Rand; hier und
da laufen grüne Bänder der Wand entlang, ein paar Spalten
sind mit spärlichem Gebüsch erfüllt, sonst sind die Wände vollkommen
nackt, zwischen ihnen klafft die mächtige Spalte des
\ Schluchteingangs. Davor dehnt sich im Grün das saubere Dorf-
eben, beherrscht von dem schlossartigen, zur Vertheidigung ein-
gerichteten Wohngebäude des Administrator der Commune mixte.
Kasuarinen und Eukalypten sind überall durcheinander angepflanzt
und wir können uns hier durch den Augenschein überzeugen,
dass die Kasuarine kaum langsamer wächst, als der vielgepriesene
Fieberbaum.
Die interessante und auch an Schnecken reiche Umgebung
des Dörfchens veranlasste uns, den nächsten Tag dazubleiben und
•erst am fünften Mai weiterzureisen. Noch einmal durchwanderten
wir die Schlucht bis zur Brücke hinab, aber wieder schauten wir
vergeblich nach Affen aus, nur ein Kabylenjunge mit seinen
Ziegen trieb sich an einer zugänglicheren Stelle herum. Die Vögel
waren um so zahlreicher; Tauben, Raubvögel, Schwalben und
-eine Menge kleiner Singvögel finden in den Kluften der oft
überhängenden Wände sichere Brntplätze und flogen in ganzen.
Schwärmen ein und aus. An der Einmündung einer kleinen
Seitenschlucht kletterten wir etwas in die Hohe in der Hoffnung,
eine seltene, sicilianischen Formen verwandte Schnecke (Helix
sclerotricha Bourg.), die Letourneux hier in einem Exemplar gefunden,
anzutreffen, aber wir mussten' die unangenehme Erfahrung
machen, dass schon in ganz geringer Höhe über der Thalsohle alles