alle anderen Mittelmeerhäfen. Das genügte aber der italienischen
Re gierung nicht und sie drohte allen Verkehr mit Tunis einzustellen,
wenn nicht die Quarantäne gegen Frankreich "verschärft
würde. Die Nebenbuhlerschaft zwischen Franzosen und Italienern
machte sich überhaupt bei der ganzen Choleraaffaire in einer
sehr unerquicklichen Weise geltend; das Bestreben, den Handel
mit Marseille dabei möglichst zu chicaniren, war unverkennbar.
Als Quarantänestation wurde vorläufig, bis zur Einrichtung von
Porto Farina, wo ja ausser den Räumlichkeiten absolut nichts
vorhanden war, der ehemalige Harem des Bey bestimmt, ein auf
einer Landzunge zwischen Goletta und Karthago gelegenes Gebäude,
das für 150 Betten Raum bot. Die Verwaltung, natürlich wie alle
einträglichen Posten damals noch in italienischen Händen, erwies
sich aber so unfähig und die Klagen in den Blättern nahmen
solche Dimensionen an und enthüllten so arge Skandalosa, dass
die Franzosen schon nach vierzehn Tagen das ganze Subaltern-
personal zum Teufel jagten und durch Militär ersetzten. Der Herr
Direktor und der Oberarzt gaben daraufhin auch ihre Entlassung
und dem Conseil sanitaire war damit der Todesstoss versetzt. Er
fand das auch ganz in der Ordnung und muckste nicht.
Es ist dem Binnenländer kaum möglich sich einen Begriff
davon zu machen, welchen lähmenden Einfluss die Quarantäne auf
eine Stadt ausübt, die wesentlich auf Dampferverkehr angewiesen
ist. Die Cholera war doch nur in Marseille ausgebrochen und
doch sperrten sich sofort alle Länder gegen einander ab ; keinem
genügten die Quarantänemassregeln des anderen. Die Waaren-
dampfer und Frachtschiffe stellten ihre Fahrten alsbald ein.
Die subventionirten Gesellschaften, welche das nicht durften,
reducirten ihre Fahrten wenigstens aufs Aeusserste und liefen, wo
sie konnten, gar nicht in die Häfen ein, sondern begnügten sich,
die Postsäcke draüssen auf der Rhede auszutauschen. In Tunis
machte sich die Sperre bald sehr empfindlich, denn die Tuniser
Kaufleute sind eigentlich nur Krämer, welche ihren Bedarf von
Marseille oder Genua von einer Woche zur anderen mit dem
Dampfer beziehen und keine Vorräthe haben; vier Wochen Verkehrsstockung
Hessen den Mangel selbst an Kaffee und Zucker
schon ganz merklich werden. Dazu kam noch eine kluge Maassregel
des Conseil; da es an Desinfektionsmitteln fehlte, verbot
er einfach das Ausschiffen von Waaren aller Art. Die Entrüstung:
über diese Radikalkur war aber so gewaltig und einmüthig, dass
das Verbot bald wieder aufgehoben wurde.
In der Stadt wurden ebenfalls einige Massregeln getroffen.'
Der neugewählte, ganz nach französischem Muster eingerichtete
Conseil municipal verordnete, dass bei strenger Strafe Juden und
Christen ihre Häuser, Läden und Fleischbänke reinigen müssten
und dass die Fleischbänke in der Stadt überhaupt sofort geschlossen
werden sollten. Von da ab roch es hier und da in
der Stadt nach Karbolsäure und Chlorkalk, ab und zu wurde auch
einmal gekehrt und ein paar tunisische Funktionäre gingen mit
wichtigen Mienen in den Strassen herum und schnupperten in
der Luft, aber im Uebrigen blieb Alles beim Alten und eine Anzahl
krepirter Hunde, die als wir ankamen schon in einer offenen
Gosse nicht weit von unserer Wohnung lagen, verpesteten bei
unserer Abreise noch geradeso die Umgebung. Ein Glück, dass
Tunis die Probe auf seine Sanitätsmassregeln erspart blieb.
Auch auf uns hatte die Verhängung der Quarantäne eine
lähmende Wirkung; nach Sicilien hinüber konnten wir nicht, nach
Frankreich bis auf Weiteres auch nicht, wenn wir nicht eine bedenkliche
Quarantäne beim Austritt .aus Marseille aushalten wollten,
aber auch in Tunisien konnten wir keine Ausflüge mehr machen, da
wir hicht wussten, ob man uns wieder in die Stadt hinein lassen
würde. Von Tag zu Tag hoffte man auf die Einrichtung einer
direkten Dampferlinie Tunis-Port Vendres, und Tag für Tag wurde
uns auf dem Bureau der Compagnie transatlantique dieselbe stereotype
Antwort: Wir haben noch keine Nachricht, fragen Sie Morgen
wieder, dann können wir Ihnen vielleicht Auskunft geben. Dazu
die erschlaffende Hitze, die am Tage durchschnittlich 40 0 C. im
Schatten, Nachts selten unter 30 0 im gutgelüfteten Zimmer betrug
und das. allnächtliche Zanzarenvergnügen, und man wird begreifen,
dass wir nach und nach in ein Gebummel hinein geriethen, wie man
es sich sonst auf Sammelreisen nicht gestattet. Morgens wurde
möghchst lange geschlafen, dann ging’s ins Café Cercle, wo die
ganze deutsche Gesellschaft sich zusammenfand, die neuesten Nachrichten
und die unmöglichsten Projekte wurden ausgetauscht, bis
die Essenszeit kam. Im Café Hellenique wurde lange über die
Speisekarte berathen, bis wir uns schliesslich gewöhnhch dahin
entschieden, dass der Professor wieder einen seiner wunderbaren
Salate anfertigen solle, eine Aufgabe, der er sich mit imlner