stock duldet eben keine Faulenzerei und verlangt im Süden doppelte
Arbeit, wenn ihn nicht das Unkraut überwuchern soll. Um
halb acht waren wir wieder in Böne, wo uns die dicke Wirthin
freudig als alte Bekannte willkommen hiess. Wir kamen gerade
recht, am anderen Mittag ging eins der besten Schiffe der Compagnie
transatlantique, der Charles V., nach la Goletta ab. Am
Sonntag Morgen blieb mir gerade noch Zeit genug zu einem
Gang nach der Seybousemündnng, wo aber Käfer kaum mehr anzutreffen
waren, und an den Hafen, wo ich noch eine Anzahl Handstücke
der interessanten Gesteine einsammelte, mit denen man
die Strassen von Böne pflastert. Um drei Uhr sagten wir der
freundlichen Stadt Lebewohl, für immer, wie wir glaubten; wir
konnten damals nicht ahnen, dass wir sie sechs Wochen später sehr
gegen unseren Willen noch einmal Wiedersehen würden.
Zwanzigstes Kapitel.
La Goletta.
Schwere Wolken bedeckten den Ds c h e b e l Ed o u g h b i s
fast zu seinem Fusse herab, als wir am 8. Juni an Bord des
Charles V. gingen, und ein scharfer Nordost versprach uns
keine allzu angenehme Fahrt. Kein grösserer Irrthum, als wenn
man annimmt, das Mittelmeer sei den ganzen Sommer hindurch
glatt wie ein Spiegel und kenne Stürme nur in den Wintermonaten;
ich habe nun einige zwanzig längere und kürzere Fahrten
auf ihm gemacht und nur ein einziges Mal glatte See angetroffen.
Die Meerenge zwischen Sicilien und Nordatrika steht noch besonders
in üblem Ruf; sobald der Barometerstand in den beiden
Hauptbecken des Mittelmeeres erheblich verschieden ist, und das
ist fast immer der Fall, strömt die. Luft mit mehr, oder minder
grösser Gewalt nach Osten oder nach Westen durch diese Lücke
in der. trennenden Landmasse und Windstille ist hier -so selten,
wie an den Säulen des Herkules. Das war nicht ohne Bedeutung
für die Entwicklung der Mittelmeerländer im Alterthum. Die
kleinen Schiffe konnten den Kampf mit Wind und Strömung
nicht wagen; entweder mussten sie sich mit. den Rudern mühsam
am Lande hinarbeiten, oder liegen bleiben bis günstiger Wind
kam. Wer die Uferländer und die Inseln der Meerenge besetzt
hielt, war somit im Stande, jedem Konkurrenten den Weg zu
sperren; das begriffen schon die Phönizier, und darum sehen wir
sie, während sie sonst überall sich mit kleinen befestigten Handelsposten
begnügten, hier gleich von Anfang an Kolonien gründen;
Ka r th a g o , Ut ica, Ubo Za r i t u s auf dem Festland, Mot ye
auf Sicilien, die Niederlassungen auf den Inseln Mal ta, Gozzo
und Pant e ller ia verdanken dieser Erkenntniss ihre Entstehung
und sie wurden gegründet, sobald die Karier und Griechen die
ersten Versuche machten, nach Westen vorzudringen. So blieb
den Griechen nur der Weg durch die Strasse von Messina und
diesem galten in letzter Instanz alle Kämpfe zwischen den Karthagern
und den Griechenstädten Trinakriens. Das silberreiche
Südspanien und; der Zwischenhandel mit den kunstfertigen Tyrr-
henern, von denen aus der Landhandel nach -Gallien und über
die Alpen hinüberging, waren dem Alterthum das, was dem
Mittelalter die Gewürzländer Indiens, und um den Handel dorthin
drehte sich bis zum Emporkommen Roms hauptsächlich die
Politik der Mittelmeerländer ; auch die durch das Orakel in Delphi
organisirte griechische Kolonisation Süditaliens muss in diesem
Sinne betrachtet werden und die Städte Grossgriechenlands, Sybaris,
Groton, Tarent verdankten ihr beispiellos rasches Aufblühen in
erster Linie der Möglichkeit, über das schmale Kalabrien hinüber,
oder zu Lande ungestört durch das übermächtige Karthago Handel
mit dem Westen zu treiben.
Im Zeitalter des Dampfes hat die Me e r e n g e s i e hat seltsamer
Weise keinen allgemein gebräuchlichen Namen Soviel von
ihren Schrecken verloren, aber die Küstenstrecke vom Kap Rosa am
Ostende des Busens von Böne bis zum Ras Addar oder Kap Bon
ist noch immer eine der gefürchtetsten im Mittelmeer; starke
Strömungen führen im Winter die Schiffe oft erheblich von ihrem
Kurs ab und plötzliche Windstösse lassen sie an den steilen un-
wirthlichen Felsenküsten zerschellen.
Der Charles \ nahm seinen Kurs anfangs quer über den
Golf hinüber auf das Kap Rosa zu, dann der steilen Felsenküste
entlang. Den Golf umsäumt fast ringsum niederes Dünenland,
dann wechseln steile Falaisen*) mit sandgefüllten Thälern; die
*) Dieser Ausdruck, der eine mauerartig abfallende, ungegliederte
Felsenküste bedeutet, verdient wohl Aufnahme in die physikalisch-geogra