zwar energischen Widerstand entgegen, aber Block um Block
bröckelt ab und stürzt in die Tiefe. Stellenweise hat aber das
Wasser auch weichere Schichten gefunden und an solchen ziehen
dann kürzere oder längere Schluchten auf den Südhang hinüber
und lassen einzelne unregelmässige Zinnen stehen, ähnlich denen,
welche in Spanien den so häufig wiederkehrenden Namen Sierra
de los dientes de la vteja*) bedingen. Sind einmal die Zähne
alle abgefressen, so liegt der Bergabsturz ein paar hundert Fuss
weiter zurück und die Arbeit kann von Neuem beginnen.
Durch eine der Zahnlücken gelangten wir auf die Nordseite
des Dakla, an der tief unter uns die Strasse .hinzog. Hier springen
überall Quellen und Brunnen, und als wir über die Brachäcker
hinabstiegen, hatten wir uns vor den bruchigen Stellen zu hüten.
Ein alter Araber erquickte uns an einem kleinen Brunnen, der
ganz in Felsen stand, mit einem köstlichen Trunk. Beim Hinabsteigen
machten wir eine ganz ungewöhnlich reiche Ernte an
Laufkäfern, die sonst im.Süden nicht allzuhäufig sind. Medeah
mit Umgebung scheint überhaupt für Entomologen ein sehr
dankbares Feld. Auf der bequemen Strasse stiegen wir dann
langsam wieder zur Stadt empor, häufig anhaltend, um uns der
immer gleich schönen Aussicht zu erfreuen und ernstlich überlegend,
ob wir nicht der freundlichen Plateaustadt bei der Rückkehr
noch einen Tag widmen sollten. Ein paar verlassene Kolonistenhäuser
lagen am Weg; die Eigenthümer schienen trotz des
Wasserreichthums und des fruchtbaren Bodens nicht vorangekommen
zu sein und hatten ihr Eigenthum entweder an Araber
als Viehweide verpachtet oder einfach im Stiche gelassen, ein
Vorgang, der sich in Algerien nur zu oft wiederholt.
Das Städtchen selbst bietet dem Touristen allerdings gar
nichts; von Alterthümern ist durchaus nichts zu sehen, obschon
es an Stelle einer römischen Niederlassung und theilweise aus
deren Trümmern erbaut ist. Der antike Name hat sich auffallend
rein erhalten; die Römerstadt hiess ad Med i a s , und heute
schreiben die Franzosen zwar officiell Medeah , aber gesprochen
wird es an Ort und Stelle und in der Umgebung überall Medeah.
Die Ableitung ist aber doch nicht direkt,, sondern auf
einigen Umwegen erfolgt; als der Zirite Bolo g g u in Yus s e f
im zehnten Jahrhundert die verfallene Stadt wieder aufrichtete,
*) Bergkette der Zähne der alten Frau.
nannte er sie Lemdi a , nach dem Berberstamm, den er dort
ansiedelte; Lemd a n i oder L amd am heisst darum em Em
geborener aus Médéah heute noch überall m Aigenen. Dm Arabe
in deren Sprache ja der Buchstabe e eine so unbedeutende Rolle
spielt, machten daraus el M’dia und daraus wurde das französische
Médéah. Die Stadt, welche den Weg vom Plateau nach
der Metidscha beherrscht, spielte immer eine wichtige Rolle un
hat manehes feindliche Heer vor ihren Mauern gesehen bis die
Türken sie zur Hauptstadt des Beyliks. von Titten machten. In
den dreissiger Jahren wurde sie von den Franzosen, die mit Vermeidung
der Schlucht immer den Weg über den Col de M
zaïa einschlugen, wiederholt besetzt und wieder aufgegeben, und
als sie im Mai 1840 definitiv Besitz von ihr ergriffen, war von
der Residenz des Beys von Titteri kaum mehr übrig als em
Haufen Ruinen. So ist es kein Wunder, dass die alte Maurenstadt
heute einen ganz modernen Anblick bietet und selbst m
den engen Gässchen, / wo die eingeborenen Juden wohnen, neue
Häuser nach europäischem Zuschnitt stehen. Mauren haben sich
in der Stadt überhaupt nur wenige wieder angesiedelt sie hausen
meistens draussen in der Campagna. Das Klima gilt aber heu e
noch für das gesundeste in Algerien und die fruchtbare, wasserreiche
Umgebung rechtfertigt noch immer, was der geistreiche
Vagabund Si Ahmed ben Yousse f von Miliana ernst der
Stadt nachrühmte: »Médéah ist eine Stadt des Ueberflusses, un
wenn etwas Böses am Morgen hineinkommt, geht es vor Aben
wieder heraus«. „ ,,
Punkt vier Uhr am ändern Morgen klopfte uns der Kellner
heraus, und eine halbe Stunde später waren wir fix und fertig und
folgten ihm in ein Café-Estaminet, wo schon Kaffee zu haben .
war. Trotz der frühen Stunde war schon Leben auf der Strasse,
überall hockten Trupps von Eingeborenen herum. Einer verrichtete
auch' seine Morgenandaeht auf dem Platz unter den
Dirnen so eifrig und überlaut, dass es g a n z erbaulich gewesen
wäre, wenn wir nicht aus dem Lachen dèr anderen gemerkt hatten,
dass der Absynth - ziemlich die einzige »Errungenschaft der
Civilisation«, mit welcher sich der Araber befreundet hat - aus
1 ihm sprach; er fiel denn auch regelrecht ab, ehe wir wegtuhren.
Es musste wohl nicht zum erstenmal sein, denn seine Glaubensgenossen
alterirten sich gar ' nicht weiter darüber. Wir waren
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