die einzigen Europäer, welche die Diligence benutzten; ein paar
andere, die wir anfangs misstrauisch angesehen, ' warteten den
kurz nachher abgehenden billigeren Omnibus ab, der nur bis
Berraguia geht, und wir hatten das Coupé allein em, ein Umstand
von nicht zu unterschätzender Bedeutung bei einer zehnstündigen
Fahrt. Um fünf Uhr ging es ab, zuerst der aufgehenden
Sonne entgegen, dann langsam in weitem Bogen nach Süden
herum. Trotz der frühen Stunde begegneten uns schon überall
Trupps von Berbern, die zur Stadt wanderten oder, die. Hacke
auf dem Rücken, hinauszogen, um in den Weinbergen zu helfen.
Eine weite Strecke hinaus begleiteten uns die Weinberge, dann
kamen Weizenfelder mit Wiesen untermischt. Die Kolonisten
haben hier neuerdings ihr Gebiet der Strasse entlang weit hinausgeschoben
und ein paar ganz neue Dörfer liegen, von Weinbergen
umgeben, an der Strasse. Eine Strecke von über zwanzig Kilometern
geht es bergauf, immer dem Rücken entlang, welcher die
Zuflüsse des Scheliff von der Schiffa trennt; der Beni Salah bleibt
stets gegenüber, aber er wird immer kleiner und schliesslich
ist man ebenso hoch, wie sein 1500 Meter hoher Gipfel. Dabei
sieht man an einer Lücke im Bergkamme auf einmal Médéah;
von dem man sich schon viele Stunden entfernt glaubt, in ganz
geringer Entfernung, d. h. im Vogelflug, sich gegenüber. Scheliff
und Schiffa kommen sich hier schon ganz nahe und in verhält-
nissmässig kurzer, d. h. geologisch kurzer Zeit wird die Verwitterung
einen Pass durch den scharfen Grat gefressen haben,
auf dessen Kante wir dahin fuhren. Mehrfach begegneten uns
Trupps von Spahis in ihren feuerrothen Mänteln und ich dachte
schon, es sei irgend etwas ganz besonderes los, als mir einfiel,
dass ja ganz in der Nähe, bei Ben Chikao, eine ihrer Smalahs
liegt. Die für den lokalen Dienst bestimmten Abtheilungen dieser
eingeborenen O Gensdarmerie werden nämlich nicht in Kasernen
einquartiert, sondern wohnen in dorfartigen Ansammlungen zusammen,
und -jeder Spahis ist verheirathet und hat sein Vieh und
sein Land. Diese Spahis entsprechen genau dem, was man in
der Türkei Za p t i e h s , in Tunis Hambas , in Marokko Mach
a z’ni nennt und haben so ziemlich alle Funktionen der
Gensdarmerie zu erfüllen, nur sind diese bei einer Bevölkerung,
welche die Obrigkeit nur dann anzuerkennen pflegt, wenn sie
hoch zu Ross und den Säbel in der Hand vor ihnen erscheint, unendlich
mannigfaltiger und gehört dazu vor Allem auch da
Eintreiben der Steuern. Die Spahis bestehen zu neun Zehntel
aus Arabern, denen das Leben als solche ausserordentlich behagt;
sie- können ja als Spahis auf schönen Pferden im feuerrothen
Mantel herumparadiren nach Herzenslust, brauchen nicht zu
arbeiten und dürfen auf dem Lande kommandiren und regieren.
Da sie obendrein auch noch bis zum Lieutenant avanciren können
und die Regierung. erprobte Spahis gerne zu Chefs der Einge-
borenen verwendet, hat sie die Wahl unter den Abkömmlingen
der besseren Araberfamilien; man findet reiche Leute darunter
und besonders die'Subalternoffiziere sind oft »von grossem Zelte«,
d I aus sehr vornehmen Familien. Die wenigen Europäer, die
unter den Spahis dienen, befinden sich in dem sogenannten
Bataillon mobile, welches keine bestimmte Smalah hat und bei
Truppenexpeditionen die Führerdienste,- das Herbeischaffen von
Proviant, die Aufklärung des Terrains vor der Kolonne und dgl.
zu besorgen hat. Der Dienst in diesem Bataillon ist sehr anstrengend
und aufreibend, aber das Avancement ist rasch und
die dabei erlangte Kenntniss der ganzen Provinz, der arabischen
Sitten und Sprache gibt die Anwartschaft auf spätere Verwendung
iii höheren Stellen. — Seit der neuen Organisation der-Communes
mixtes stehen neben den Spahis noch die De r r e r , ähnlich ausgerüstet,
aber mit blauem Mantel; sie sind die dienstbaren Geister
der Administrateurs, der höchsten Autorität in der »gemischten
Gemeinde«; die ja meistens ein ganzes Stammgebiet umfasst.
Ueber die europäischen Ansiedler haben beide keine Gewalt, aus
leicht erklärlichen Gründen, denn der Spahis bleibt immer em
Araber und wird bei Streitigkeiten zwischen Europäern und Eingeborenen
immer für seine Landsleute Partei nehmen, eine Klage,
die auch gegen die eingeborenen Polizisten (Tchaouch) in den Städten
vorgebracht wird. Man hat darum neben den Spahis noch eine
Gensdarmerie nationale, welche ganz der französischen Gensdarmerie
entspricht. *)
*) Die Gensdarmerie in Algerien zählte 1884 cca. 1000 Mann, in 195
Brigaden getheilt. Da allgemein über ungenügende Sicherheit geklagt
wurde, schlug das Gouvernement schon 1883 vor, 200 neue Brigaden zu
errichten, doch scheiterte das Projekt daran, dass dann die Provinzen auf
ihre Kosten auch so .viel n e u e Kasernirungsgebäude hätten errichten müssen.
Die jetzige Regierung will übrigens auch den Smalahs zu Leibe, um deren
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