sorgsam mit Dornen verschlossen. Meist war aber der Abhang
zu steil und es war ein oft recht mühsames Klettern, bis wir
das erste Joch erreicht hatten. Yor uns dehnte sich ein flacheres
Thal, erfüllt mit Gerstenfeldern und Olivenpflanzungen; hier und
da hörten wir auch Menschenstimmen und es schien, als beobachte
man uns. und folge uns, aber wir bekamen Niemand zu
Gesicht. Bei ein paar verfallenen Wohnungen, die wohl auch
anno 1871 zerstört worden sein mögen — denn die Franzosen
haben das Blutbad von Palestro mit Wücherzinsen heimgezahlt—■
fanden wir unseren Pfad wieder, der uns nun in bequemerer
Steigung durch niederen Buschwald und um einen zwischenliegenden
Bergrücken herum in ein mit Grün erfülltes Thal
führte, jenseits dessen sich unser Ziel, die Kalkfelsen von T i z i
Ri r , erhoben.
Wir mussten aber noch ziemlich weit zurück, ehe wir das
tiefeingerissene Thal überschreiten konnten und dann wieder vor
zu dem Bergsporn unmittelbar über der Schlucht. Hier lag, von
Fruchtbäumen und Gerstenfeldern umgeben, eine Kabylenansiede-
lung. Ein paar Kinder liefen erschreckt zurück, die Hunde
fielen uns wüthend a n ; gleich darauf kam ein Mann in arabischer
Tracht aus dem nahen Felde und trat uns mit freundlichem
bon jour entgegen. Auf meine Bitte um einen Trunk
brachte er Wasser in einem jener porösen Gefässe, die man in
ganz Nordafrika hat, auäserdem aber auch Buttermilch und zum
Trinken eine Porzellantasse, jedenfalls den Stolz des Hauses.
Mittlerweile hatten sich die Kinder wieder herbeigewagt; mit
ihnen kam eine junge recht hübsche Frau in erträglich sauberem
Kostüm, eine Kette aus grossen Silbermünzen um den Hals,
unverschleiert, eine ächte Kabylin, und starrte verwundert auf
meine Frau, gewiss die erste Europäerin, welche diese 'Höhe
erklommen. Leider verstand unser Wirth nur ganz wenige Worte
französisch; etwas besser ging es mit der Li n g u a f r an c a ,* )
*) Bezüglich dieser l a n g u e s a b i r , wie sie die Franzosen nennen,
die früher das einzige Verständigungsmittel am Mittelmeer war, drängt sich
mir immer die Frage auf: ist sie wirklich ein verdorbenes Italienisch und
mittelalterlichen Ursprungs ? oder ist sie nicht eher ein Ueberrest aus den
Zeiten, wo das Latein die allgemeine Sprache am Mittelmeer war ? Ich
neige entschieden zu der letzteren Ansicht. So gut wie sich in Spanien
trotz des Glaubenshasses für Alles, was mit Transport zusammenhängt, die
arabischen Kunstausdrücke erhalten haben, eben so gut konnten und
doch kannte er auch da nur das Nothdürftigste, wie denn die
Kenntniss dieser Sprache — wenn man sie so nennen will —-
in der Neuzeit,, wo die jungen Eingeborenen meistens französisch
lernen, rasch verschwindet. Trotz der mangelhaften Verständigung
begriff aber der Biedermann alsbald, was ich wollte und
wunderte sich gar nicht einmal darüber; ob er schon anderen
Sammlern als Führer gedient? Oh, n n s ab i r (mich wissen),
sagte er und ging uns voraus auf einem schmalen Pfad, den
Felsen zu. Wir kamen noch an ein paar Hütten vorbei und der
Führer hatte seine Last, die wüthenden Spitzhunde abzuwehren.
Dann schloss sich uns noch ein jüngerer Kabyle an, der mit
einem furchtbaren Hackmesser an einem gefällten Baumstamme
herum arbeitete. Wer die Leute nicht kennt, hätte sich allem
mit den zwei Kabylen im Buschwald und der Felsenwildniss
etwas unbehaglich fühlen können, wir machten uns darum keine
Sorgen, denn so wild und bestialisch diese Bergstämme im Kriege
sind, im Frieden kann man sich unbedingt auf sie verlassen
und hat, sobald man sie auf ihrem Gebiet aufsucht, nichts zu
fürchten. Verletzung des Gastrechtes ist eines der schwersten
Verbrechen, die der kabylische Codex kennt und wer sie sich
zu Schulden, kommen lässt, der wird in’s Elend getrieben und
sein Haus dem Erdboden gleich gemacht. *)
Bald erreichten wir die. Felsen, die hier nicht als geschlossene
Wand emporragen wie auf der Nordseite, sondern eine wirre Anhäufung
gewaltiger Blöcke bilden, eine natürliche Folge ihres Ein-
fallens gegen Norden. Johannisbrodbäume und Ballota-Eichen
standen überall zwischen den Trümmern, erstere trotz der hohen
Lage hier am geschützten Hange ganz gut gedeihend. In den Spalten
fanden wir, was wir suchten, den Buliminus Bourguignati Let.,
und noch einige andere interessante Sachen. Unser Kabyle half
uns treulich suchen, nur wollte es ihm nicht in den Kopf, dass
uns die kleinen Sachen lieber waren als die grossen; den Bulimussten
auch im Handel und Verkehr der verschiedensprachigen Nationalitäten
am Mittelmeer die einmal gebräuchlichen lateinischen Ausdrücke in
Gebrauch .bleiben. Viele Worte sind auch offenbar nicht aus dem Italienischen
entlehnt, sondern aus derselben Wurzel wie dieses, dem Altlateimschen,
abgeleitet. .
*) Dieselbe Strafe tra f früher bekanntlich auch den Korsen, der einen
vom Gastrecht Beschützten schädigte.