Hafer ganz gut. Nur bei schwerer Arbeit füttern die Kolonisten
Gerste. Erst fünf Kilometer weiter, au Qu a r a n t i ème , wie
die einsame Herberge am vierzigsten Kilometersteine von Médéah
aus heisst, wurde umgespannt ; auch wir fanden hier ein leidliches
Frühstück und ein prasselndes Kaminfeuer, das recht wohl that.
Wie immer war neben dem europäischen Wirthshaus auch ein
arabisches Café errichtet, neben dem eine Menge Eingeborener
die wohl zu einem Markte zogen, lagerten. Uns bediente ein
taubstummer Kabyle, der ungeachtet seines angeborenen Sinnes-
mansrels sehr flink und aufmerksam war O ‘ und sichv mit Kutscher
und Kondukteur, wie mit den Hausleuten ständig zu necken hatte.
Die Strasse wendet sich von Berruaguia aus mehr westlich
und durchzieht ein nur wenig kultivirtes, aber nicht unfruchtbares
Waldgebiet, welches erst 'die verschiedenen Zuflüsse des
Isser, dann Isser und Scheliff scheidet. Eine Zeit lang herrschen
noch Eichen, dann treten schöne Strandkiefern an ihre Stelle ;
der Wechsel scheint von der geologischen Beschaffenheit des
Bodens abzuhängen, denn mit den Eichen schwinden auch- die
Kalkbänke, welche mitunter wie künstliches Quaderpflaster ganze
Flächen bedeckt hatten und stellenweise kaum von Mauerwerk
zu unterscheiden waren; lehmiger Sandstein trat an ihre Stelle
und leider merkte man bald auch der Strasse an, dass die Steine
seltener geworden. In ' ermüdender Eintönigkeit zog sie sich
durch den Strandkieferwald den Hängen entlang. Nur einmal
lag eine kleine Kubbah am Weg, umgeben von einem weiten
Todfenfelde. Es ist das Heiligthum des Sï el Khel fa ben
Yahia, zu welchem vier Stämme, die Beni Hassen, die Hassen
ben Ali, die Beni Sliman und die Abid, ihre Todten bringen. Der
Heilige ist einer der unzählbaren Nachkommen des Mule y
Idris el Kebir, des grossen Reformators des Islams im Westen,
von dem auch die marokkanischen Sultane und die Schürfa von
Wesan stammen. Sein Grossvater warWessir des letzten Königs
vön Tlemcen und als dessen Herrschaft durch die Barbarossen
vernichtet wurde, wanderte der Stammeschef Si Yahia ben
Sql tan aus und fand bei den unabhängigen Berberstämmen in
diesen Bergen ein Asyl. Keiner der vier hier in Frage kommenden
Stämme wollte aber den anderen den Besitz einer so heiligen
Familie gönnen und so einigte man sich schliesslich dahin, dass
da, wo die vier Stammgebiete zusammenstiessen, von jedem
Stamme ein Stück Land abgetreten wurde, welches die Nachkommen
des Heiligen, die Ouled Yahia oder Schür fa, wie sie
auch genannt werden, heute noch besitzen. Die Türken Aiaben
die frommen Leute, welche ihre kabylischen Freunde stets hübsch
ruhig zu halten verstanden, immer protegirt und auch die Franzosen
haben ihre, Steuerfreiheit geachtet; aber die alles1 gleic
machende Republik war gottlos genug auch dieses Privilegium
zu vernichten. . • . ,
Erst als die Strasse sich nach dem Scheliffgebiet z u senken
begann, kamen ein paar einzelne von Europäern bewohnte Häuser.
Dann ging es steil in unzähligen Windungen hinunter zum Oufed
el Hakouni , einem kleinen Zufluss des Scheliff. Nirgen s a e
ich noch so die‘ Wirkungen der Erosion, studiren können, wie
hier in dem thonigen Boden; die Abhänge waren vollständige
Modelle der Gebirgsbildung. Man konnte genau verfolgen wie
die Wände der Ravins erst durch tiefe Furchen m zahllose
parallele Kämme zerlegt werden; dann wird der Kamm an lrgen
einer Stelle durchbrochen; was darüber ist, rutscht ab, was darunter
wird zu einem spitzen Pik, an dessen Fussr das Wasser
dann wieder so lange nagt, bis er auch zusammenrutscht und so die
Arbeit von neuem beginnen kann. Aber auch an den zerrissensten
Abhängen haben sich noch Strandkiefern erhalten und oft thronen
stattliche Stämme ganz isölirt auf hohen spitzen Piks, die nur
durch ihre langen Wurzeln zusammengehalten werden. Der
Boden zwischen den Stämmen ist völlig kahl, und gerade dieser
Unfruchtbarkeit dankt der Wald seine Erhaltung, denn wozu
sollte ihn der Araber zerstören, wenn der Boden nachher keine
Gräser zur Weide hervorbringt? Noch eine kurze Strecke folgt
die Strasse dem Thal des fast wasserlosen Flusses, dann überschreitet
sie ihn kurz vor seiner Einmündung m den Scheliff und
folgt nun dem Hauptthal. Gegenüber auf hoher grüner Warte
wird Boghar sichtbar, aber nicht es ist unser Reiseziel, sondern
das auf dem rechten Ufer gelegene Handelsstädtchen Boukhr an.
Ein steiler Abhang, dessen Gefüge bei dem Mangel jeder Vegetation
unverhüllt zu Tage liegt, bildet das rechtsseitige Thalgehänge,
aus Schichten mächtiger Kalkblöcke mit dazwischenliegendem
feinem Griess bald so regelmässig äufgeschichtet, als
hätten Riesenhände hier eine Mauer errichtet, bald m den wunderbarsten
Biegungen die instruktivsten geologischen Profile bildend.