Anhalt dafür, dass an der' Küste von Nordafrika nicht, wie
anderswo am Slittelmeer, das Meeresniveau sich geändert hat. An
vielen Stellen im Osten wie im Westen finden wir antike Bauten
heute vom Meer üherspült, in Westsicilien ist umgekehrt der
Hafen von Trapani, der einst ganzen Flotten bequeme Bewegung
gestattete, heute durch die Hebung des Meeresgrundes so klein
geworden, dass selbst die kleinen Floriodampfer nur mit Mühe
hineingelangen können., Vom Hafen Jubas haben wir eine genaue
Beschreibung und wissen, dass er nicht tiefer war, als für die
Dreirudrer nöthig. Heute, nachdem ihn die Franzosen von den
Trümmern der Uferbauten, die ein Erdbeben hineingeworfen, gereinigt
haben,*) hat er auch gerade noch Wasser genug für die
Fahrzeuge vom Tiefgang der antiken Triremen, also ca. 8—9';
hier hat eine nennenswerthe Niveauveränderung demnach nicht
stattgefunden, eine Thatsache, die für ganz Nordafrika von Tunis
bis Tanger zu gelten scheint.
Die Franzosen haben sich nicht damit begnügt, den Hafen
Jubas auszuräumen, sondern sie haben ihn auch durch einen Damm
gegen den Ostwind geschützt und die Einfahrt erleichtert. Trotzdem
will der Handel keinen Aufschwung nehmen; dazu fehlt das
Hinterland. Ausser Zürich und dem auf der Westseite an
der Küste gelegenen Novi finden alle anderen Ansiedelungen es
seit Anlage der Eisenbahn bequemer, ihre Produkte zur Bahn zu
bringen und in Algier verladen zu lassen. Auch die Vollendung
der beiden projektirten Küstenstrassen einerseits nach Tipasa,
andererseits nach Tenes kann das nicht ändern, und an eine Bahnverbindung
nach Blidah mit Fortsetzung nach dem Inneren wird
sobald noch nicht zu denken sein. Die Stadt, in welche mich der
Regen bald wieder zurücktrieb, macht'darum durchaus nicht den
Eindruck, als sei sie im Aufschwung begriffen und wird schwerlich
jemals wieder den Glanz der antiken Königsstadt erreichen.
Doch ist die Umgebung fruchtbar und ausgedehnt genug, um
der gegenwärtigen Bewohnerzahl ein bequemes Auskommen zu
verbürgen.
Als wir ins Hotel zum Frühstück gingen, flackerte im Kamin
ein tüchtiges Feuer, das uns sehr wohlthat; in Cherchel an der
*) Man fand dabei den wohlerhaltenen Rumpf eines antiken Schiffes,
von dem sich noch einige Reste im Museum zu Algier befinden, und eine
recht gut gearbeitete Kaiserstatue. *
Meeresküste am 29. März, wo man im Deutschland hier schon den
vollen Sommer vermuthet! Nach Tisch besserte sich das Wetter
etwas und wir stiegen trotz des Sturmes hinauf gegen, die Berge
auf der Landseite. In der nächsten Umgebung der Stadt überraschte
uns eine Schnecke, die, obsebon sonst am Mittelmeer gemein,
doch in Algerien westlich von dem Isserthal sonst nicht angetroffen
wird (Helix vermiculata Müller); sie war aber auf die
nächste Umgebung der Stadt beschränkt und'verschwand, sobald
wir höher stiegen; das deutet darauf, dass sie hier nicht einheimisch,
sondern gelegentlich einmal, wohl als geschätzte Delikatesse
für die Küche, eingeschleppt worden ist.'Ai-r Die Strasse
würde vor der Porte de Miliana rasch zu einem Feldweg, war
aber sehr hübsch angelegt und bedurfte nur der Chaussirung, uni
zu einer guten Landstrasse zu werden. Die Aussicht auf die
Stadt und das furchtbar tobende Meer wurde mit jedem Schritt
schöner, aloer Sturm und Regen störten den Genuss.' Trotzdem
gingen wir weiter. Auf der Höhe überraschten uns' ausgedehnte
Häusertrümmer, offenbar neuesten Datums trotz der hier und da
eingefügten unverkennbaren Römerblöcke, kleine Häuser mit Steingiebeln,
viereckigen Fenstern und Kaminen, also auch nicht von
Arabern gebaut. In der Stadt wollte Niemand etwas davon
wissen und ich glaube gerne, dass keiner von denen, die ich darum
fragte, jemals'da oben gewesen ist, obwohl die Stelle nur eine
halbe Stunde won der Stadt liegt und eine wunderbare Aussicht
bietet. So habe ich nicht erfahren können, welchen Namen das
Dorf öfficiell geführt hat und wann man hier das verunglückte
Kolonisationsexperiment gemacht hat. Es sind mir später noch
manchmal ähnliche verlassene Ansiedelungen aufgestossen, doch
nie eine von solcher Ausdehnung. Allem Anscheine nach hat der
Wassermangel die Kolonisten Vertrieben, denn ich sah nirgends
einen Brunnen; das Land, wieder von Eingeborenen kultivirt, sah
nicht gerade unfruchtbar aus. Wir machten in den Trümmern
eine ziemlich reiche Ernte an allerhand Schnecken, auch riesige
Skorpione waren massenhaft vorhanden, aber umsonst suchten
wir nach Schlangen, es- mochte ihnen wohl noch zu kalt sein.
Ein gepflasterter Weg führte von der Ruinenstätte abwärts,
einem neuerbauten Hause zu, das am Abhang eines tiefen Thaies
lag und in dessen Umgebung in gewaltiger Ausdehnung Gemüse
kultivirt wurde. Felder von Morgengrösse waren mit Salat,'