C h i f f a zu fahren und von dort aus der berühmten Schlucht
einen Besuch zu machen. Das Dörfchen liegt recht freundlich
in fruchtbarer Umgebung, man sieht es ihm nicht mehr an, dass
es 1867 mit dem benachbarten Mouz a iav i l l e durch ein furchtbares
Erdbeben vollständig zerstört wurde. Die Katastrophe war
damals ganz merkwürdig lokalisirt, aber in dem jenseits der Ebene
am Sahel gelegenen Dörfchen Fouka versiegte dabei die starke
Quelle völlig und kam erst nach einiger Zeit wieder, aber ohne
die alte Stärke zu erreichen. Eine "sehr gute Chaussee führt in
schnurgerader Richtung auf die weithin sichtbare Seharte zu,
durch welche die Chiifa aus dem Gebirge herauskommt. Beinahe
drei Kilometer weit bleibt man noch in der Ebene, dann
rücken die Höhen von beiden Seiten zusammen ; ein paar Mühlen,
von prachtvollen Orangengärten umgeben, liegen am Weg, und
ein paar hundert Schritte weiter verengt sich das Thal zur Schlucht
deren Grund die Chiffa beinahe ganz einnimmt. Wer allerdings
die enthusiastischen Schilderungen einzelner Reiseheschreiber und
Reisehandbücher im Kopf hat, dem wird es ergehen wie uns, er
wird sich erheblich enttäuscht fühlen. Von schaurigen Felswänden
ist keine Rede, die Chaussee geht durch- ein enges gewundenes
Thal mit steilen, aber durchaus nicht unersteiglichen und bis oben
hinauf grün bewaldeten Hängen. Hier und da Regen in der
Schlucht sogar Häuser und selbst Felder. Erst am siebenten
Kilometer wird sie grossartiger. Die Abhänge erreichen eine beträchtlichere
Höhe, aber so unvergleichlich imposant, wie sie geschildert
werden, sind sie nicht, auch nicht an der Gabelung der
Schlucht, wo von Westen her ein kleiner lebhafter Bach, der
Rui s s eau des Singes, einmündet. Hier liegt neben einer Mühle
das bekannte Hô t e l des Singe s; aus der früheren ländlichen
Wirthschaft ist aber jetzt ein elegantes kleines Hôtel geworden,
dessen Preise mich ungemein an die erinnerten, die ich vor drei
Jahren an einer ebenfalls affenberühmten Stelle, auf dem Gipfel
des Felsens von Gibraltar, hatte zahlen müssen. Uns kam
übrigens' das Hôtel sehr willkommen, denn während wir eifrig, an
den .Kalkwänden der Schlucht nach Mollusken spähten, ohne
sonderliche Ausbeute zu machen, hatte sich ein schwarzes Wolkendach
auf die Berge gelegt, es fing an zu donnern und die ersten
Tropfen fielen schon, als wir das schützende Obdach erreichten.
In dem gewölbten Zimmer des Hotels hat ein tüchtiger Maler
eine ganze Affenbande in allen möglichen und unmöglichen Stellungen
abkonterfeit, aber der Mann war kein Naturforscher, er
hat lauter langgeschwänzte Meerkatzen gemalt und keinen emzi
o-en Magot*), der ja seinen wissenschaftlichen Namen Inuus ecau-
äatus gerade von dem Mangel eines Anhängsels erhalten hat.
Dieser Affe hat sich hier in dem felsigen Seitenthale der Uuffa-
schlucht noch erhalten; man findet ihn überhaupt an allen ähnlichen
Stellen in Nordafrika, am. häufigsten wohl in der Kabylie.
Dort haust er noch in voller Sicherheit, denn der Kabyle weiss,
wie jeder Muhamedaner, dass der Affe kein Thier ist, sondern ein
zur Strafe für seinen Unglauben und die Verhöhnung gottgesandter
Propheten verfluchter und verwandelter Mensch, der von Allah,
wenn die Zeit um ist, Sprache und menschliche Gestalt wieder
erhalten wird. Wer einen Affen tödtet, ladet damit Blutschuld
auf sein Haupt. Der Affe vergüt freilich die ihm erwiesene
Schonung mit dem entschiedensten Undank, er schmälert dem
Kabylen die ohnehin knappe Ernte in den Maisfeldern, und wenn
die Feigen und die Trauben reif sind, hüft keine noch so .sorgsame
Wache. Die Späher der Affenbanden belauern den Wächter
unablässig und sobald er nur einen Moment den Rücken wende*
oder die Augen'sehliesst, geben sie das Signal, die Bande fällt
über dep Baum her und in wenigen Minuten ist die Ernte verzehrt
oder wird fortgeschleppt und der arme Eigentümer kann
von unten zusehen, wie die Räuber mit höhnischem Grinsen ihre
Beute in ihren unzugänglichen Schlupfwinkeln verzehren. ’ Nur
dann und wann' einmal, wenn, die Feigen oder die Trauben gar
zu köstlich sind, vergessen die Gaudiebe ihre Vorsicht und berauschen
sich förmlich im Saft, und dann fällt wohl einer oder
der andere dem Wächter in die Hände. Aber auch dann wird
er sehr glimpflich behandelt. Mitunter ist ein Kabyle erbost oder
habgierig genug, einen Gefangenen an die Franzosen zu verkaufen,
doch gilt es nicht für eine schöne Handlung, einen verwunschenen
Gläubigen in die Sklaverei der Ungläubigen zu liefern. Gewöhnlich
greift man zu einem ändern Mittel, dessen Erfindung dem Scharfsinn
der Kabylen alle Ehre macht: man näht den Delinquenten
in eine enge'rothe Weste aus festem Zeug ein, die er nicht zer-
reissen kann, und hängt ihm an einem starken Draht eine Schelle
*) p>eiv Affe heisst in der Kabylie Ibki, in Marokko Satftt; der Araber
nennt ilin respektwidriger "Weise Kadi, Richter. —