Niveau des Felsriegels erreicht ist, hört ein Tiefernagen für
längere Zeit auf und beginnt erst wieder, wenn auch der Fels
so tief durchfressen ist, da^s sich wieder ein genügendes Gefälle
bilden kann. Aber die Arbeit geht unaufhörlich weiter und in
einer geologisch zu reden gar nicht allzufernen Zeit wird die
breite Ebene von Boukhrari bis zur Hochfläche hinauf in ein
tiefes Thal mit wildzerrissenen Gehängen verwandelt sein.
. Vielfach begegneten mir Eingeborene, von denen ein paar
Familien dicht am Fluss ihre Zelte aufgeschlagen hatten. Sie
behaupten ächte Araber zu sein und erklären ihre auffallend
dunkle Färbung durch ihre Abstammung von keinem geringeren,
als von Antar ibn Scheddad, dem grossen Helden und Dichter
der vorislamitischen Zeit, dessen »Moallaka« *), einst in der Kaaba
aufgehängt, uns ja erhalten ist, und der bekanntlich zum- Vater
zwar einen Edlen aus dem Stamme der Absi, Scheddad ben
Muawijah, zur Mutter aber eine schwarze Sklavin hatte. Solche
Blutmischungen sind im Allgemeinen bei den Arabern eben so
selten, wie bei den Berbern, denen die Billigkeit der Frau über
die Farbe geht, häufig: selbst die Stämme am Südrand der Sahara
sind darum noch ziemlich reinblütig, während die Tebu und südlichen
Tuarek fast schwarz sind und sich auch im Charakter
mehr den Negern nähern. Die Ouled Antar haben übrigens ihre
Stammsage am Scheliff neu lokalisirt und zeigen sogar die Stelle,
wo ihr Held in hohem Alter von dem Tajiten Ouas i r ibn
Dschaber erschlagen wurde. Sie haben aber neben Negerblut
offenbar auch viel Berberblut in ihren Adern und sind wahrscheinlich
mit den Kabylen des Scheliffdefiles nach und nach zu
einem Stamme verschmolzen, haben darum auch vielfach feste
Wohnungen und treiben Ackerbau.
Auf dem Hochplateau südlich hüten die O-uled Mo kht a r ,
ein ächt arabischer Nomadenstamm, ihre Heerden; in Boukhrari
wollte man sie so wenig wie die Ouled Antar loben und behauptete,
beide seien unverbesserliche Viehdiebe. Es mag das nicht
ganz unbegründet sein,-denn in der Beziehung haben alle Nomadenstämme
noch ziemlich eigenthümliche Ansichten.
*) Preisgedicht. Äntars Liebe zu Abla und sein Kampf mit Dhemdhem
ist auch der Gegenstand eines Heldenromans, der Asma'i, den Hofdichter
Harun al Raschid’s zum Verfasser hat, und heute noch überall unter den
Arabern populär ist.
Als ich zum Hotel zurückkehrte, war reges Leben da; ein
paar elegante Chaisen hielten auf der Strasse, mehrere höhere
Militärs und ein Civilist mit Frack und dreifarbiger Schärpe
spazierten auf und ab, die Rekrutirungskommission war angekommen,
um selbst hier an der Grenze der Wüste noch zu
fungiren. Auch vor dem Städtchen waren zahlreiche Zelte auf-
geschlagen und lagerte ein starker. Convoi, der Laghouat ver-
proviantiren sollte. Ich dachte mit einem gelinden Schrecken an
schlimme Erfahrungen, die ich vor drei Jahren unter ganz ähnlichen
Umständen in Saida gemacht, aber zum Glück- brauchten
die Herren unser Zimmer nicht, nur unsere Nachbarn, ein 'Subalternbeamter
und ein kattunerner Reisender, wurden ausquartiert,
wir aber erhielten ein extra gutes Abendessen in dem ganz besonders
behaglich durchwärmten Speisesaal. Die Rekrutirung erstreckt
sich leider nur auf die Franzosen und die eingeborenen
durch Cr emi eux zu französischen Bürgern gemachten Juden,
nicht aber auf die Araber, und konnte uns so kein besonderes
Interesse bieten. Dafür hatten wir das Vergnügen, drei reichgekleidete
Eingeborene mit uns speisen zu sehen. Es waren
Gemeinderäthe der Commune mixte, Kaids der Nachbarstämme,
die es ihrer Stellung schuldig zu sein glaubten, sich zeitweise als
Freigeister zu zeigen. Zwei von ihnen konnten mit Messer und
Gabel ausgezeichnet umgehen und benahmen sich ganz wie gebildete
Europäer, dem dritten schien es noch manchmal in den
Fingern zu zucken und er bedurfte noch einiger Unterweisung;
Wein tranken sie aber alle -drei. Sie kümmerten sich übrigens
um die Offiziere so wenig, wie diese um sie; seit der Einführung
der Civilregierung im ganzen Teil ignoriren sich Militär und Eingeborene
völlig.
Nachts um zwei Uhr gingen wir zum Diligencenbureau. Man
hatte uns in Algier Hoffnung gemacht, wir könnten von Boghar
nach Aumale fahren, aber hier wusste man von einer Strasse dorthin
nichts und wir mussten wieder nach Medeah zurück. Mit
unserer Diligence gleichzeitig ging die nach Laghouat ab, die wir
ursprünglich bis Dschelfa hatten benutzen wollen, und wir
segneten unsere Sinnesänderung, als wir den engen.Kasten ohne
Coupe , sahen, in welchem schon eine' dicke Engländerin mit
Sohn, Gesellschafterin und Hündchen und der ausquartierte Schnitt-
waarenhändler aus St. Die Platz genommen hatten. Selb sechst
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