tete sein Führer einen eigens .dazu mitgenommenen Hahn,
um die Geister des Berges zu beschwichtigen, und wenig später
kamen in Arround eine Anzahl Frauen und schlachteten vor seinen
Fussen ein Schaf, um dadurch seine Fürsprache für ihre in
Marokko inhaftirten Männer zu gewinnen. — Sab a t i e r * ) berichtet
von den freien A lt Hamid, einem Scheluhstamm östlich
von Marokko, dass sie dem Gotte des Flusses Ouëd Tek' init,
der in einem tiefen Becken unterhalb eines Wasserfalles wohnt’
alljährlich zwei Stiere und eine grosse Schüssel mit Kuskussu
opfern, damit er ihnen nicht das tödtliche Fieber sende.
Aehnliehe heidnische Züge werden sich wohl auch sonst noch
vielfach nachweisen lassen **), und so ist .es kein Wunder, wenn
der Araber von jeher den Berber mit Misstrauen betrachtet und
für, einen halben Ketzer hält, gerade wie der Römer selbst den
frömmsten deutschen Katholiken. Hat ja auch der Berber niemals
den Koran als bürgerliches Gesetzbuch anerkannt, und sich
seinen Vorschriften nur dann unterworfen, wenn sie mit seinem
alten Herkommen übereinstimmten. Die Opposition in dieser
Beziehung ist offenbar im Wachsen begriffen. Sabatier erzählt,
dass ihm, als er in einer Streitsache zwischen Arabern und Kabylen
zu vermitteln hatte und sich dabei auf den Koran berief,
von den Kabylen einstimmig * erwidert wurde : le Koran n’est
pas Kabyle.
Aber auch die religiöse (Jeberzeugung dés Kabylen, der sich
mit voller Gluth dem Islam angeschlossen, ist von der des frommen
Arabers eben so verschieden, wie etwa die eines frommen
Deutschén aus der Zeit vor den Kreuzzügen von der des orien-
talischen Christen. Der Islam hat dem kabylischen National-'
*) Revue géographique internationale' 1883 p. 196.
**) Massenhaft würden sich heidnische Züge sicherlich noch im Volksaberglauben
nachweisen lassen. Ein paar Proben theilt Letourneux mit.
Am ersten Februar geht der Kabyle in seinen. Viehstall und sagt jedem
Stück Vieh ins Ohr: Freue dich, der Januar ist vorbei. Zieht ein Gewitter
auf und hat die Kabylin eine Henne brüten, so geht sie zu ihr und sagt
ihr siebenmal: Fürchte dich nicht, kleines Thierchen, es donnert. - Kommt
ein Lamm zur Welt, so sagt ihm der Schäfer dreimal: Nimm dich in Acht
und vergiss nie, dass der Schakal dein Feind ist und der Schäfer dein
Freund. Dafür erhält er von dem Eigenthümer des Schafes einen Pfannkuchen,
den er draussen, wo die Heerde geweidet hat, verzehren muss. Sein
Schäferstab ist zauberkräftig; bekommt ihn ein Anderer in die Hände, so
kann er damit die Milch der ganzen Heerde in seine Schafe hexen.
Charakter sehr bedeutende Konzessionen machen müssen. Es
scheint mir als habe die Differenz, zwischen dem östlichen und
dem westlichen Islam bis jetzt noch wenig Beachtung gefunden,
wenigstens habe ich bei genauen Kennern des orientalischen Islam
vergeblich darum angefragt und auch m der Literatur keine
Belehrung darüber finden können. Aufgefallen ist mir nur, dass
ganz Nordafrika keine Derwische kennt, dass es aber dafür eine
andere und wichtigere Organisation' besitzt, welche^ dem nen
fehlt, die der religiösen Bruderschaften, der I k h o u a n oder
Khouan. Es würde zu weit führen, wollte ich hier auf diese
e i g e n t ü m l i c h e n Organisationen eingehen, die anscheinend nur^ zur
Erinnerung an irgend einen Heiligen und zur Verehrung a s
nach der von dem Stifter vorgeschriebenen besonderen Weise bestimmt
sind, aber durch ihre stramme Organisation und die Verpflichtung
der Mitglieder zu gegenseitiger Unterstützung m je er e-
fahr eine ganz ungeheure politische Bedeutung haben, , und nicht
nur den arabischen u n d türkischen Machthabern, sondern auch den
Franzosen mehrfach gefährlich geworden sind. Ich habe wie
schon oben gesagt, mir keine sichere Auskunft darüber verschaffen
können, ob s o l c h e Verbrüderungen im Orient überhaupt existiren;
jedenfalls spielen sie durchaus nicht die Rolle, wie im Maghre .
Fast alle die Begründer bedeutender Khouans entstammen dem
Westen; der grosse Ab d - e l - Ka d e r el Ghi l a n i war zwar,
wie sein Name besagt, ein Perser aus Ghilan, und er lebte un
liegt begraben bei Bagdad, aber sein Khouan verdankt die Begründung
dem Maghrebiner Bon Medin und hat seine Hauptstärke
ebenfalls in Nordafrika. Es ist auch wohl kein Zufall,
dass die Khouan erst in Gebrauch kamen, seit der Islam bei den
Berbern Wurzel zu fassen begann ; denn selbst der-älteste Stifter
eines solchen, eben der grosse Abd-el-Kader, lebte erst im sechsten
Jahrhundert nach Muhamed. Ic h möchte f a s t v e rmu t h e n ,
dass die Khouan n i c h t s a nde r e s s ind , als die be r -
b e r i s ch e n $ofs, . nu r a u f r e l ig iö s e s Geb i e t ü b e r t
r a g e n und d a rum ü b e r d i e S t amme s g r e n z e n h i n a u s gr
e i f end . Die Christenherrschaft hat ihnen einen n.euen
Aufschwung gegeben; alle fanatischen Elemente haben sich in
den ■ Brüderschaften vereinigt, und die jüngste und christenfeindlichste
derselben, die des Sidi Muhaüied ben Ali es Senusi,
scheint eben im Begriff, alle übrigen, selbst die K a d n y a , die