wurden, als im . sechzehnten Jahrhundert die Berber das Joch
dieser frommen Araber brachen, ihrer sämmtlichen Heerden beraubt
und zur Flucht in die nördlichen Berge gezwungen, wo sie,
wahrscheinlich mit berberischen Ureinwohnern gemengt, — .denn
die mit ihnen gewöhnlich zusammengerechneten Rekba scheinen
kabylischen Ursprungs — seitdem in einem Zustand von Wildheit
und Armuth leben, der selbst die anderen Bergstämme mit
Verachtung auf sie blicken lässt. Ohne jeden staatlichen Zusammenhang,
jeder Stamm, ja fast jede Familie auf eigene Faust raubend,
wurden sie fast nur durch die gemeinsame Verehrung des Sidi
Abdal lah ben Djemel zusammengehalten, dessen Kubbah ge-
wissermassen den Mittelpunkt ihres Gebietes bildet. Ihre Räubereien
an der algerischen Grenze gaben den Vorwand zur Besetzung von
Tunis; sie waren zwar damals nicht schlimmer, als sonst auch,
aber man wollte Italien zuvorkommen und brauchte einen Grund.
- Es ist offenes Geheimniss in Tunis, dass R o u s t a n , der französische
Konsul in Tunis, die Khroumirs durch zwei Agenten, den
tunisischen Konsul in Böne, Giuseppe Allegro, dessen Mutter
eine Araberin und der unter den wilden Grenzstämmen aufgewachsen
war — er ist seitdem ganz zum Islam übergetreten und
nennt sich Yu s su f ben Al i , man hat ihn zum Dank zum
Kaid in Südtunis ernannt, — und den Agenten der Compagnie
transatlantique in la Calle, P a n a r i e l lo , den Vertrauensmann,
durch dessen Hände der ganze Export der Bergstämme ging, ganz
in der Gewalt hatte und nach Belieben auf- und abwiegelte, bis
die Zeit gekommen war. Der Krieg selbst war eine lächerliche
Komödie; die Khroumirs hatten, rechtzeitig gewarnt, bis auf wenige
ihre Sitze verlassen und waren über die Medjerda hinüber gewichen;
die paar Zurückgebliebenen spielten in ihren Waldbergen
mit den Franzosen Versteckens, und als nach monatelangemr.^an-
str engen dem Hin- und Hermarschiren endlich das grosse elftägige
Kesseltreiben, das den ganzen Stamm bei der Kubbah des
Sidi Abdallah zusammendrängen und ihm dort ein Sedan bereiten
sollte, zu Ende kam, fand man dort nur einen einzigen Khrou-
mir, den alten Wächter des Heiligthums, und dieser war so entsetzlich
schmutzig, dass man ihn nicht zum Gefangenen machen
mochte. Die Franzosen in Tunis sprechen darum nicht gern von
dem glorreichen Feldzug, die Tunisier noch weniger, denn ihre
Armee spielte dabei eine noch traurigere Rolle, und musste sich
von den französischen Officieren wegjagen lassen, so bald es diesen
beliebte.
Uebrigens sind die Folgen des Khroumirkrieges für das Land
recht segensreich geworden. Ueberall in dem einst unzugänglichen
Bergland herrscht Ruhe; eine einzige Garnison in dem neuge-
gründeten A'in Dr a h am die zweite i n F e r n a n a wurde des
tödtlichen Klimas wegen schon nach einem Jahre wieder aufgeg
e b e n — genügt, um die Ordnung aufrecht zu erhalten, man hat
reiche Eisenminen entdeckt, und bald werden ein paar Lokalbahnen
das Land eröffnen. -Nur der Gesundheitszustand lässt
noch viel zu wünschen übrig. Das ganze Gebiet zwischen dem
Medjerda-Thal und dem Meere, und das Küstenland von Böne
bis Bizerta sind seit Jahrhunderten der perniciösen Malaria verfallen.
Warum, ist schwer zu sagen, denn,das Gebiet ist'gebirgig, gut
bewachsen und durchaus nicht zu wasserreich. Es wird viel Mühe
kosten, hier Wandlung zu schaffen.
Von Tabarka ab hielt das Schiff sich weiter von der Küste
entfernt, da hier ein paar Klippen Vorsicht gebieten, doch Hessen
wir das Licht der einsamen Felseninsel la Ga l i t a zur Linken.
Das stärker werdende Schwanken des Schiffes und die zunehmende
Nacbtkühle trieben mich schliesslich in die Koje. Als ich am
Morgen zeitig wieder auf Deck kam, lag Land zur Rechten wie
zur Linken, links in einiger Entfernung die kegelförmige Felsenmasse
der Insel Zembra*) und dahinter, scheinbar mit ihr zusammenhängend,
aber schon in blauer Ferne verschwimmend Kap
R a s Ad d a r mit den südwärts verlaufenden Bergzügen, zur
Rechten in ganz geringer Entfernung Kap Kama r t mit seiner
Dünenwüste, daran sich unmittelbar anschliessend, im dichten
Grün zerstreut, die weissen Häuser von la Marsa , und etwas
weiter auf einem höheren, steil abfallenden Landvorsprung die
glänzende Häusermasse des heiligen Städtchens Sidi bou Said.
Ich war gerade im rechten Augenblick gekommen; wenige Minuten
später umfuhren wir die Spitze von Sidi bou Said, und nun lag
*) Die Insel, das Co r s u r a der Alten, führt auf den Karten die verschiedensten
Namen: Zemb r a , Zemhrone , K a m e l a , Ka rme l a , el
Djamour . Sie ist' ein unbewohnter Kalkherg mit Bleigängen. Gu e r i n
beschränkt den alten Namen Corsura wie Kamela und Karmela anf die vor
Cap Farina liegende I s o l a p l a n a ; Zembra hiesa nach ihm im Alterthum
Aegimurus .