der herrliche Busen vor ,uns, den man im Alterthum nach Karthago
benannte und heute nach Tunis benennt. Dicht vor uns
lag die Stätte, auf der einst die Königin des Mittelmeeres thronte,
aber umsonst spähten wir nach ihren Trümmern; die geringen
Reste der Rivalin Roms sind nur aus nächster Nähe sichtbar
und anscheinend in völlig ödem Feld liegt der grosse Jesuitenkonvent,
welchen der Kardinal La v i g e r i e neben der Kapelle
des heiligen Ludwig erbaut hat. Die Gegend ist wunderbar schön.
Zur Linken erhebt sich unmittelbar vom Meere aus der zwei-
gipfelige Dschebel bou Korne in, an seinem Fusse kaum
Raum lassend für die weissen Häuschen des Bades Hamma n -
e l -Enf: an ihn schliesst sich südwärts die phantastische Silhouette
des Bleiberges Ds c h e b e lR’sa-ss, und ganz weit im Süden ragt,
im Nebel verschwimmend, der Za g h o u a n empor, der Wolil-
thäter von Nordtunis, von dem aus das belebende Nass bis zum
Meeresstraude herabgeleitet wird. Zur Rechten wechseln von Sidi
bou Said ab kahle, rothe Steilhänge mit in üppigem Grün versteckten
Landhäusern, bis zu dem flachen Strande gerade vor uns,
auf dem fast im Meeresniveau das Hafenstädtchen la Gol e t t a
liegt. Hinter diesem dehnt sich aber noch einmal meeresartig ein
blauer See, die Bah i r a , und wo ihn ein paar niedrige Hügel
gegen den Horizont abgrenzen, schimmert eine weisse Häuser- O o O 7
masse von einigen Minarehs überragt, das weisse Tunis.
Die Rhede von Goletta — ein Hafen ist immer noch ein
frommer Wunsch — ist ziemlich seicht und Dampfer müssen darum
beinahe einen Kilometer vom Lande entfernt vor Anker
gehen. Sie sind dort der ganzen Wuth des Nordwindes ausgesetzt
und Strandungen kommen gar nicht selten vor; 1820 wurde
die ganze damals nicht unbedeutende tunisische Kriegsflotte hier
in einem Tag vernichtet und damit die Seemacht des Staates für
immer gebrochen. Nur Fischerboote und kleine Küstenfahrer
finden in dem Kanal, der zur Bahira führt, einen sicheren Ankerplatz,
aber die Einfahrt in diesen ist bei Scirocco oder heftigem
Nordwind oft kaum möglich. Ein guter Hafen ist für Tunisien
eine unbedingte Nothwendigkeit, seine Anlage würde auch gar
keine besonderen Schwierigkeiten bieten und wäre längst in Angriff
genommen, wenn die französischen Bahnen eine Verbindung O o 7 " ,
mit dem Meere bei Goletta hersteilen könnten. Das dürfen sie
aber nicht, denn der Gesellschaft, welche die Verbindungsbahn
Goletta-Tunis gebaut hat, ist durch ihre Konzession das Monopol
auf 99 Jahre in einer so vorsichtigen Form gesichert, dass rechtlich
gar nichts dagegen zu machen ist. Deshalb setzt die Bahngesellschaft
Böne-Guelma , welche sich durch den Einfluss des
früheren allmächtigen Generalkonsuls Roustan das Monopol des
Eisenbahnbaues in Tunisien gesichert hat, alle Hebel in Bewegung,
um die Anlage des Hafens bei Tunis selbst in direkter Verbindung
mit ihrer Endstation zu erreichen. Dazu müsste aber durch die
Bahira, deren Tiefe kaum über m beträgt, ein Kanal ausgebaggert
werden, und in Tunis fürchtet man nicht mit Unrecht
die Miasmen des dann zu Tage geförderten Schlammes. An eine
Erwerbung der Bahn ist aber nicht mehr zu denken; die günstige
Gelegenheit wurde eben versäumt.
Es ist das eine schnurrige Geschichte, und die beste Illustration
zu der in Tunis herrschenden Eifersucht zwischen Frankreich
und Italien. Die Bahn zwischen Tunis und Goletta wurde^ seiner
Zeit von einer englischen Gesellschaft, der Tun i s i a n Ra i lwa y
Company , erbaut und kostete damals 40 000 L. St., schon eine
ganz hübsche Summe-, wenn man bedenkt, dass sie über vollständig
ebenes Terrain läuft, dessen Erwerbung nichts kostete und dass
sie nicht die geringste Kunstbaute nöthig machte. In Folge erbärmlicher
Verwaltung gab aber die Bahn so schlechte Resultate,
dass ihre Eigenthümer sie gerne mit Verlust losgeschlagen hätten.
Da begannen von französischer Seite die ersten Vorbereitungen für
die Annexion; die Bahnlinie Duvi v i e r -Souk Ahr a s -T uni s
wurde ernstlich in Angriff genommen, und nun wurde die Erwerbung
der Bahn eine Lebensfrage für die Kompagnie Böne-
Guelma. Aber sie fand einen scharfen Konkurrenten in den
Italienern, die um jeden Preis festen Fuss in Tunis fassen wollten
und dem alten Ru b a t t in o , der damals die Dampferverbindung
mit Tunisien ausschliesslich in den Händen hatte. Anfänglich
blieben die Franzosen Sieger und erstanden die Bahn für
105 000 L. St., aber Rubattino veranlasste durch eiu Nachgebot
einen Aktionär, die Angelegenheit vor die Chancery division of
the High Court in London zu bringen, der Gerichtshof annullirte
denVerkauf, und nun kam es zu einer öffentlichen Versteigerung.
Mittlerweile hatte sich die Öffentliche Meinung in Italien-bis zu
einem sehr bedenklichen Grad erhitzt, die Regierung hatte Rubattino
eine Zinsgarantie zugesagt, und so blieb er bei der Auktion