mit 165 000 L. St. (3 300 000 Matk) Sieger. Mit den nöthigen
Neubauten kommt ihn die Bahn, die inclusive aller Nebengeleise
und der Zweigbahnen nach Marsa nur 40 km lang ist, .auf
180 000 L. St. zu stehen und an eine Rentabilität ist, da sie nur
dem Personenverkehr dient und die Güter ausschliesslich in flachen
Booten über die Bahira nach Tunis befördert werden, nicht zu
denken, aber Italien zahlt- die Zinsengarantie von 180 000 Fcs.
jährlich gerne, hat es doch dadurch die Franzosen vom Meere
abgeschnitten. Die Hafenangelegenheit bleibt darum vorläufig in
der Schwebe und man begnügt sich mit einigen Baggerarbeiten
am Eingang des Kanals.
Man hatte uns viel von der furchtbaren Prellerei beim Ausschiffen
erzählt, aber die Sache verlief ganz, wie in anderen Häfen
des Mittelmeers auch, und für einen Franken die Person brachte
ein Bootsmann uns gern in den Kanal hinein und an das Zollamt.
Auch dort herrscht Ordnung; die Beamten, meist Italiener,
waren sehr höflich und freundlich, und in kaum einer Viertelstunde
sassen wir schon beim Kaffee in dem recht leidlichen
Hot e l de France.
Wir hatten uns auf den Vorschlag unseres Freundes Petersen,
der einige Tage früher auch hier gewesen war, entschlossen, vorläufig
in la Goletta Wohnung zu nehmen, wo sich schon eine
ganze Kolonie deutscher Maler angesiedelt hatte,_ und Tunis von
hier aus zu besuchen. So lange die Umgegend uns genügende
Beschäftigung bot, ging das auch ganz gut, aber sonst, möchte
ich Touristen unser Beispiel nicht zur Nachahmung empfehlen,
denn grössere Exkursionen kann man doch nur von Tunis aus
unternehmen. Die Ruinen von Karthago .hat man freilich' in la
Goletta gerade vor der Thüre, aber wer nicht Alterthumsforscher
von Handwerk ist, kann die in einem halben Tage ganz gut abmachen
und kommt mit der Bahn in einer halben Stunde auch
von Tunis aus dahin. An und für sich bietet aber Goletta durchaus
nichts. Man hat es zwar häufig mit Venedig verglichen, aber
die ganze Aehnlichkeit besteht in dem Kanal, und dieser kann
mit dem Canal grande eigentlich doch kaum rivalisiren. Er läuft
ziemlich genau von Ost nach West; südlich liegt das Militärquartier,
nördlich das eigentliche Hafensfädtchen, mit seinen engen,
schmutzigen, ungepflasterten Gassen und seiner fast ausschliesslich
italienischen Bevölkerung. Eine Drehbrücke, zu deren Bedienung
immer eine Anzahl Sträflinge am Kanal hocken, verbindet die
beiden Theile; von ihr aus läuft die Piazzetta, an der unser Hotel
liegt, zur Bahn. Sie ist mit einem von Silberpappeln beschatteten
Brunnen geschmückt, aus dessen Röhren das köstliche Wasser
des Zaghouan sprudelf. Zwischen der Bahn und dem Meere erhebt
sich Neu-Goletta mit seinen regelmässigen, rechtwinklig
sich schneidenden Strassen und massiven, aber nur, — oder
richtiger noch — einstöckigen Häusern. Es nimmt die ganze
Breite der sandigen Landenge ein, welche den Binnensee, die
Bahira, vom Meere scheidet, und dehnt sich nach den Hügeln von
Karthago hin immer weiter aus. Ein tunisischer General ist klug
genug gewesen, sich bei einer passenden Gelegenheit diese ganze,
damals werthlose Sandfläche schenken zu lassen. Nun lässt er
sich die Bauplätze sehr theuer bezahlen, die meisten verpachtet
er gegen eine feste Rente, die nur. in den ersten drei Jahren ablösbar
ist. Das sichert seiner Familie für alle Zeiten ein fürstliches
Einkommen, denn nur wenige Käufer, selbst notorisch reiche
eingeborene Juden nicht, sind so klug, dass sie von dem Ablösungsrecht
Gebrauch machen.
Das Strassentreiben in Goletta ist weit verschieden von dem
in den algerischen Küstenstädten. Araber bekommt man gar
keine zu sehen, Mauren nur sehr wenige; die tunisischen Beamten
tragen sammtlich europäische Kleidung und. zeichnen sich nur
durch eine rothe Schaschia (Fez) mit grossem Goldstern aus. Hier
und da sieht man noch einen tunisischen Vaterlandsvertheidiger
in fadenscheiniger Uniform, meist der friedfertigen Beschäftigung
des Mützenstrickens hingegeben; auch die Sträflinge an der Brücke
haben sämmtlich das Strickzeug in Händen, denn der Staat bekümmert
sich um ihre Verköstigung nicht weiter und die Aermeren
müssen sich etwas verdienen, wenn sie nicht verhungern wollen.
Fremdartig erscheinen nur die eingeborenen Juden; sie tragen
hier nicht die schone kleidsame Maurentracht, wie in Algerien,
sondern Kaftane aus, buntem gestreiftem Zeug und grellfarbige
Jacken darunter. Den seltsamsten Eindruck machen aber anfangs
ihre Frauen mit den eng anschliessenden Leiüenhosen, den grell-
' farbigen Seidenblousen, welche die Beine bis zur Mitte des Oberschenkels
erkennen lassen, und den spitzen goldgestickten Sammet-
mützchen. Sie gestalten besonders am Sabbath das Strassenbild ✓
zu einem äusserst bunten; dann stehen sie in ganzen Trupps an