einen Ausflug wagen. Er galt natürlich der Brücke' über die
Rummelschlucht, über die wir am Abend gekommen, und den
Bergen gegenüber. Die neuangelegte Hauptstrasse von Konstantine,
die R u e n a t io n a l e , welche vom Brückenthor biä" an unser
Hotel dem Felsenrand fast parallel läuft und dann nach der Place
Nemo u r s hinüber das maurische Viertel quer durchschneidet,
entlang gehend, standen wir in wenigen Minuten auf dem mächtigen
Eisenbogen, welcher heute die Verbindung mit der anderen
Seite darstellt, und konnten hineinblicken in den tiefen engen
Spalt, auf .dessen Grund der Rummel fliesst.
Die Lage von Konstantine ist eine ganz eigenthümliche und
von den mir bekannten Schilderungen sind pur wenige geeignet,
eine richtige Vorstellung von ihr zu wecken.*) Die falscheste ist
vielleicht die neueste, die von Schwarz**). Man höre! »Man
denke sich eine riesenhafte Säule von 3—400 Meter Höhe , um
deren Fuss nahezu in einem vollständigen Kreis ein schäumender
Fluss herumläuft und deren senkrecht abgeschnittene schwarze***)
Seiten nur an einem Punkte, wie um das Umfallen des Kolosses
zu vermeiden, mit den ringsum aufsteigenden Höhen durch ein
verhältnissmäsig schmales Landband verbunden sind. Auf der
Plattform dieser gigantischen Säule, in solch schwindelnder Höhe,
auf einer so zu sagen in den Aether hinaus geschobenen Halbinsel,
einer nahezu isolirten Klippe liegt eine grosse weisse Masse.
Dies ist Konstantine . . . . Um die groteske Wildheit, die der
Stadt schon durch ihre Lage auf dem hohen , abgeschnittenen,
wasserumflossenen Felswürfel eignet, noch zu erhöhen, treten nun
aber auch die Berge, welche nahezu rings um Konstantine aufsteigen,
mehrfach mit nicht minder senkrechten Wänden auf dem anderen
Ufer des Flusses bis dicht an die Gewässer heran, so dass
auf diese Weise eine enge finstere Schlucht von grausiger Tiefe*
gebildet wird, die in einem Bogen den Ort umzieht und ihn vom
warmen Leben der übrigen Welt wie durch ein grosses Grab voll
Tod und Verderben absc’hneidet.« ,
*) Eine sehr richtige Vorstellung gibt ein arabisches Sprüchwort, das
aber etwas zu derb ist, um es hier mitzutheilen; man findet es bei Piesse. —
’) Algerien (Küste, Atlas und Wüste) nach 50 Jahren französischer
Herrschaft. Leipzig, Frohberg 1881. p. 105.
***) Der Kalk von Konstantine ist aber weissgrau!
Herr Schwarz besitzt eine lebhafte Phantasie, cías beweisen
seine Schilderungen des Dunkels im Schlunde, in welchem Etilen
und Falken herumflattern, und-des »wahren Stroms von Passanten«
auf -der nur bei Ankunft der wenigen Züge etwas belebten Brücke,
aber ein Professor der Geographie sollte doch die geographische
Lage einer Stadt wahrheitsgetreuer schildern. Versuchen -wir
unseren Lesern ein etwas genaueres Bild davon zu geben.
Kurz unterhalb der Stelle, wo der Ouëd Rummel und der
Ouëd bou Merzoug sich vereinigen, streicht ein Höhenzug quer
durchs Thal, also fast von West nach Ost, den Dschebel Chet-
t aba und den Dsch. 0 u a ch verbindend. Gerade die Mitte
wird von einer gewaltigen Kalkmasse gebildet, welche nach Norden
wie nach Süden senkrecht abfällt, während sie nach Osten
und Westen in schieferige Hügel übergeht ; sie ist, wie so viele
ähnliche Kalkmassive im westlichen Algerien, von Norden nach
Süden geneigt, der Nordabsturz darum erheblich höher, als der
südliche; die Oberfläche bildet also ein nach Süden offenes
Plateau. Diese Kalkmasse hat den von Süden kommenden Gewässern
den Weg versperrt und einen See gebildet, dessen Wässer
immer höher stiegen, bis sie sich, vielleicht einen schon vorhandenen
Spalt, oder eine weichere Ader des Gesteins, benützend,
einen Abfluss nach Norden bahnten. Vielleicht war auch eine
Höhle vorgebildet, kurzum, das Wasser fand seinen Weg und
sägte, vom. höheren Nordrande anfangend, den harten Kalkblock
endlich soweit durch, dass der Kes.sel dahinter zu einem trockenen
Thalgrunde wurde. Von vulkanischen Zerreissungen, von
den Wirkungen irgend einer Erdkatastrophe kann hier durchaus
keine Rede sein; nur dem nagenden Wasser verdankt die tiefe
gekrümmte Schlucht ihre Entstehung, welche die Kalkmasse durchschneidet
und die grössere und höhere Hälfte, den Berg S id i
Mecid, von der kleineren und niedrigeren trennt, welche heute
die Stadt trägt. Es muss das schon in sehr früher Zeit geschehen
sein, denn die Ablagerungen des ehemaligen Sees Enthalten
Schnecken, die von den heute in Nordafrika lebenden ganz verschieden
sind und — etwaige neue Entdeckungen ° - o in den Bertoren
der Oentral-Sahara Vorbehalten — ihre nächsten Verwandten in
Westindien haben. *) Der Rummel macht, nachdem er die
*) Thoma s (Académie des Sciences, 4 Févr. 1884) setzt dièse Ablagerungen
zwischen Mioeän und Pliocän; ähnliche Schneckenformen finden
17