europäischen Bewohner Guelmas scheint keiner oben gewesen zu
sein. So schlugen wir also einen anscheinend in der gewünschten
Richtung laufenden Fahrweg ein, von dem wir hofften, dass er
uns zu den früher oben betriebenen Marmorbrüchen führen würde,
aber nach einiger Zeit lief er gerade in den Buschwald hinein
und wurde zu einem schmalen Fusspfade, welcher durch dichten
Wald in ein enges, schluchtartiges Thal leitete. Hier machten
wir an einigen niederen Felsen allerdings eine ganz hübsche Ausbeute,
aber weiter oben hörten die Felsen auf, und als wir
endlich den Kamm erreichten, sahen wir den Mahouna noch in
weiter Ferne und durch ein paar bewaldete Rücken von uns ge-
trehnt, über die den Weg zu finden wir uns doch nicht getrauten.
Wir drehten also um und da ein aufsteigendes Gewitter eine
Mittagsexkursion unräthlich erscheinen Hess, gaben wir den Mahouna
auf. Vor zwanzig Jahren hätten wir seine Waldschluchten schwerlich
so sorglos betreten; gerade in ihnen hat J u l e s Gé r a rd
seine glänzende Laufbahn als Löwentödter begonnen.
Am anderen Morgen fuhren wir schon um 3/46 Uhr weiter,
zunächst nur bis Bou Nouar a, der Station vor Kroubs, die
unmittelbar an den Kalkfelsen und der alten Todtenstätte liegt.
Gegen zehn Uhr waren wir dort, übergaben unser Gepäck, dem
freundlichen Stationsvorsteher, der merkwürdiger Weise von den
Dolmens wusste, und schritten dann dem nahen Berge zu. Ein
prachtvoller-wolfsstreifiger Windhund, ein ächter Slugi aus der
Wüste, schloss sich uns an ; er schien es als Hund eines Europäers
für seine Pflicht zu halten, uns zu begleiten und zu beschützen.
Es ist eine schöne Race, ganz unseren grossen Windhunden gleich,
nur vielleicht etwas stärker gebaut, auch mit hängenden Ohren,
ungemein graziös und vornehm in ihren Bewegungen, aber, wenn
einmal aufgeregt, wild und blutdürstig. Die Färbung ist meist
ein einfarbiges Gelbroth, doch sieht man auch nicht selten ge-
striemte, und in Tunis fand ich auch einen glänzend schwarzen,
Von den gemeinen Dorfhunden halten sie sich getrennt, wie von
einer anderen Art. Ihre Schnelligkeit ist eine wunderbare, aber
trotzdem sind nur die allerbesten im Stande, die flüchtige Gazelle
im Lauf zu fangen, wenn sie sie nicht beschleichen können, und
solche Exemplare sind ausschliessHch in den Händen der vornehmsten
Chefs. Das gewöhnliche Jagdobjekt der Slugis ist
auch nicht die Gazelle, sondern die Bubalis-Antilope (Älcelaphus
bubalis Pallas), welche in zahlreichen Rudeln die Vorwüste belebt.
Der Slugi ist der Liebling des Arabers und wird von ihm
als ein vom gemeinen Hunde ganz verschiedenes Thier angesehen;
er ist sein Zeitgenosse und der Spielkamerad der Kinder und wird
bei Erbtheilungen so hoch geschätzt wie ein Pferd. Allem Anschein
nach ist. er auch mit den Arabern ins Land gekommen, denn die
Windhundrace, welche die alten Egypter besassen, und welche
auf den Denkmälern auch zur Löwenjagd benützt erscheint, ist
nicht der Slugi, sondern hat aufgerichtete, höchstens an der Spitze
leicht umgeklappte Ohren. Die arabische Tradition leitet ihren
Namen von dem des sagenhaften Landes Sluguia ab und lässt sie
aus einer Kreuzung von Hunden und Wölfen entstanden sein.
Ein paar hundert Schritte brachten uns an den Fuss der
Felsenberge. Hier in einer Steinwüste sonder Gleichen haben
Generationen längst vergangener Zeiten, die in den fruchtbaren
Thälern unten wohnten, ihre Todten zur letzten Ruhe gebettet.
Zu Hunderten stehen noch die Dolmens umher, vier rohe Platten
des Kalksteins und eine Deckplatte darüber, keines, soweit wir
sie gesehen, vor den anderen ausgezeichnet, vielleicht auch keines
ungeplündert, so gering auch die Leichenbeigaben gewesen sein
mögen. Von Tausenden sieht man - noch kenntliche Trümmer,
und wenn man bedenkt, dass dieses Leichenfeld bei el Guerrah,
vier gute Stunden weiter nordwestlich, beginnt, und bis zum
Fusse des Dschebel Thaya südöstlich fortstreicht, so wird man es
nicht übertrieben finden, wenn inan die Zahl der hier befindlichen
Dolmens nach Zehntausenden berechnet.
Wir kamen aber nicht um der todten Urkabylen und ihrer
Gräber willen, sondern wegen der schönen Helix massylaea Morel et,
welche sich' hier findet und die horizontalen Deckplatten mit
Vorliebe benutzt, um sich darunter vor der Sonnengluth zu
bergen. Es war keine Kleinigkeit, sie in ihren Verstecken aüf-
zufinden; wir mussten in die vorn offenen Dolmens hineinkriechen
und auch sonst, auf dem Boden liegend, die horizontalen Felsspalten
untersuchen, um eine nennenswerthe Anzahl zusammenzubekommen.
Die Sonne brannte furchtbar vom wolkenlosen
Himmel, aber die Kröten hüpften munter zwischen den Steinen
herum und verkündigten für den Nachmittag wieder das gewohnte
.Gewittef. Im Stationsgebäude empfing uns der Slugi, den die
Langeweile und die Mittagszeit vor uns nach Hause getrieben
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