financière überflüssig. Nachgeweint hat ihr außer ihren höheren
Angestellten gewiss Niemand in Tunis, denn sie hat dem Lande
keinen Segen gebracht und nur das Interesse der Gläubiger im
Auge behalten. Damit gewann Frankreich freie Hand; sofort
wurden die unsinnigen lästigen Ausgangszölle abgeschafft und
eine ganze Anzahl segensreicher Maassregeln in baldige Aussicht
genommen. Nach dem, was ich von Tunisien gesehen, ist es mir
zweifellos, dass es auch ohne europäische Kolonisation einen
rascheren Aufschwung nehmen _ wird, als irgend eine der drei
alten afrikanischen Provinzen, und ich mag auf die Hoffnung
nicht verzichten, dass ich noch einmal Gelegenheit haben werde,
mich davon mit eigenen Augen zu überzeugen.
Ein günstiges Schicksal hatteies so gefügt, dass unser unfreiwilliger
Aufenthalt in den Monat Rama d a n fiel, den Fastenmonat,
in welchem der Muhamedaner die Nacht zum Tage macht
und einen guten Theil seiner Zeit auf der Strasse zubringt. Es ist
keine geringe Aufgabe, welche der Koran an seine Bekenner stellt,
alljährlich einen ganzen Monat hindurch vom ersten Beginn der
Tagesdämmerung an zu fasten, bis es so dunkel geworden ist, dass
man einen weissen Faden nicht mehr von einem schwarzen unterscheiden
kann, und zwar nicht zu fasten, wie unsere Katholiken bei
Mehlspeisen und Fischen, sondern sich aller Speisen nicht nur,
sondern auch des Trinkens und sogar des Tabakrauchens zu enthalten.
Fällt der Ramadan nun gar, wie eben, in den Hochsommer,
so begreift man kaum, wie die Leute die Qual aushalten. Mansah
es ihnen aber auch an und gar manchmal überzeugten wir
uns, wie auch der friedfertigste, sanfteste Maure gegen Abend
grimmig und bissig wurde und sich erbittert mit seinen Glaubensgenossen
herumstritt. Sank endlich die Sonne, so wurde es still,
und von Minute zu Minute horchte alles immer gespannter nach
der Kasbah hin, um das Zeichen ja, nicht zu versäumen. Endlich
kracht der erlösende Schuss; ein Gebet, aber ein ganz kurzes,
dann greift jeder zu dem bereitstehenden Wassergefäss, zuerst
den quälenden Durst zu stillen; wer auf der Strasse ist, geht
ins nächste Haus, wem es auch gehören mag ; dann zündet er
die langentbehrte Cigarre an und wandelt vergnügt zum Abendessen.
Hungrig bleibt im Ramadan Niemand; wer einigermassen
wohlhabend ist hält offene Tafel und an jedem Abend sieht man
überall Schüsseln mit Kuskussu und Fleisch tragen. Eine Stunde
lang etwa iät es todtenstill in der Maurenstadt, Alles isst, dann
fangen die Strassen an sich zu beleben, die Stühle vor den Cafes
füllen sich rasch mit Gästen, überall schallt der Ton der Trommel
und der Rhababe (Geige) und es beginnt ein tolles Treiben, das
man nur mit unserm Karneval vergleichen kann. Manchmal am
Abend haben wir auf dem Platz Ha l f a o u in gesessen und den
Menschenstrom an uns vorüberrauschen lassen; unbekümmert kann
man sich unter die Mauren mischen, denn in den Ramadannächten
ist aller Fanatismus abgethan und freundliche Grüsse
werden auch dem Ungläubigen von allen Seiten zu 'Theil.
Am Morgen des 23. Juli erschallte statt des einen Kanonenschusses,
der sonst den Beginn des Fastens verkündete, eine
ganze Salve; der Ramadan war zu Ende, das Beiramfest - begann.
Eingeborene in phantastischem Aufputz, mit mächtigen
Vogelflügeln, einen Helm mit hohem Federbusch und Muschelverzierurigen
auf dem Haupte, begleitet von einem Neger, der
eine Handtrommel oder Kastagnetten aus Kupferblech schlägt,
durchzogen die Strassen und tanzten vor den Häusern, eine kleine
Gabe Erbettelnd; die kleinen Stiefelwichser, soweit sie muhame-
danischer Konfession, prangten in geschenkten Kleidern, selbst der
zerlumpte. Heilige, der sich sonst halbnackt auf den Strassen
herumtrieb, hatte einen neüen Kaftan an, und die wohlhabenden
Mauren sahen aus, wie frisch aus dem Ei geschält. Alles jubelt
und schmaust, aber in erster Linie ist der Beiram ein Kinderfest.
Auf dem Halfaouin sah es aus, wie auf einem deutschen Jahrmarkt;
eine Bude mit Spielwaaren reihte sich an die andere, dazwischen
wurden alle möglichen Leckereien feilgeboten und vor
jedem Laden drängte sich in Schaaren die aufgeputzte Jugend,
Waffen waren am meisten begehrt, dann Spritzbüchsen, mit denen
die liebe Jugend allen erdenkbaren Unfug anstellte, und natürlich
Lärminstrumente. Aber auch sonst war für Belustigungen aller
Art überreich gesorgt; schön gesattelte Eselchen standen für die
bereit, welche sich das zweifelhafte Vergnügen eines Rittes durch
das Menschengedränge bereiten wollten; Carroussels aller Konstruktionen
von dem uralten arabischen Modell, dessen Pferde
kaum als solche zu erkennen sind, bis zur modernsten russischen
Schaukel waren von spekulativen Maltesern errichtet, kurzum, es
war genau dasselbe tolle, lärmende Treiben, wie bei einem Jahrmarkt
oder einer Kirmes. Nur die Frauen fehlten und auch