Demolirung eines Theils der alten arabischen Gassen Raum gewonnen
hat. Yon dem Place de la Republique laufen zwei ebenfalls
mit Arkaden eingefasste Hauptstrassen aus, r u eBa b Azoun
nach dem gleichnamigen Thore und ru e de Cha r t r e s ; sie
sind mit der vom Place de Gouvernement nach der anderen Seite
auslaufenden rue Bab el Oued und den nächstanstossenden Gassen
die europäischen Geschäftsquartiere, während die wohlhabenderen
Europäer, soweit sie nicht in der glücklichen Lage sind draussen
in einer der Yillenstädte ein Haus zu besitzen, an den in weitem
Bogen zur Kasbah hinaufführenden beiden Rampes wohnen.
In dem dreieckigen Raum, der die Europäerstadt als Basis, die
beiden Rampen als Schenkel hat, sind noch die engen Gässchen
des maurisoben Algier erhalten und wogt noch das maurische
Lebeu; wir werden davon später zu reden haben. Freilich sind
auch hier viele Häuser in den Händen von Europäern und eingeborenen
Juden. Nach der Eroberung wanderten viele fanatische
Mauren aus, um in Tunis, Marokko, ja selbst in Stambul
unter einem rechtgläubigen Herrscher eine neue Heimath zu
suchen, und verkauften natürlich ihre Besitzungen um jeden
Preis. Andere, weniger glaubenseifrig und sich besonders
schlau diinkend, verkauften, ' obschon sie zum Bleiben - entschlossen
waren, in der festen Ueberzeugung, dass das Christenregiment
doch nicht lange dauern werde und dass , es ihnen dann
ein Leichtes sein werde, sich ihres früheren Eigenthumes wieder
zu bemächtigen. Noch mehr aber sind durch die nachlässige
Art und Weise ihres Geschäftsbetriebs, durch den Leichtsinn,
womit ein Maure für den anderen Bürgschaften' übernimmt und
Wechsel unterschreibt, ruinirt worden und um Haus und Hof
gekommen und nur wenige Quartiere sind noch in den Händen
der alten Eigen thüm er.
Noch mehr gilt das für die nähere Umgebung der Stadt,
die deren Hauptreiz bildet. Algier liegt bekanntlich am steilen
Abhang des Sahel*), einer Hügelkette, welche sich'zwischen die
fruchtbare Metidjaebene und das Meer in einer Länge von ca.
65 Kilometern einschiebt und von dem Durchbruch des Ha r r
a s c h bei M a i s o n C a r r e e bis zum hochragenden Chenoua reicht.
*) Der Name Sahel kommt in Nordafrika mehrfach vor; so heisst der
hei Bougie mündende Fluss Sahel, und ebenso in Tunis die ehemalige Provinz
Byzacena. t
Sie fällt an den meisten Stellen steil gegen1 das Meer ab und lässt
an der Küste nur an der Mündung der Ravins Raum für kleine
Dörfer, in deren Umgebung in neuerer Zeit die wohlhabenden
Algeriner mit Vorliebe Vignen und Landhäuser anlegen. Erst
jenseits Pointe Pescade weichen die Höhen zurück und bilden
gegen den Ouëd Mazagr a n , die zweite Entwässerungsader der
Metidja hin, ein flacheres Hügelland, in welchem sich jetzt zahlreiche
blühende Ortschaften, wie Guy ot v i l l e , St ao u e l i ,
Zer a l d a , Chieraga etc. entwickeln. Jenseits des Mazagran
verschwindet das Küstenland wieder und ausser Casti g l i o n e
liegt bis nach Cherchell hin kein europäisches Dorf mehr an der
Küste. Der Ouëd Nad-or bildet die Westgrenze und scheidet
den Sahel vom Chenoua, de'r durch ein nicht sehr hohes Hügelland
mit dem Massiv des Zac c a r zusammenhängt. Die ganze'
Hügelkette gehört den ältesten O O Formationen an. Granit, Glimmerschiefer
und Talkschiefer, mit ¡Sandstein und festem Kalk wechselnd,
bilden das feste Gerüste der Gegend; nur an den Ränden
reichen jüngere und ganz junge Gesteine bis zu einer gewissen
Höhe hinauf; den höchsten Punkt bildet der Berg von Bouzarea
dicht hinter Algier, 402 m. hoch. Noch zur Türkenzeit war der
grôssère Theil des Hügellandes mehr oder minder gut bewaldet,
heute haben sich nur noch wenige Reste erhalten, aber man
konservirt sie sorgsam und die Begründung einer Ligue de
Reboisement in Algier, die allerdings bis jetzt nur eine theoretische
Wirksamkeit zu entfalten scheint, lässt hoffen, dass man
ernstlich an eine. Wiederanpflanzung gehen wird.
Folgt man der Strasse von Bab el Ouëd aus dem Meere entlang,
so reihen sich anfangs Landhäuser in ununterbrochener
Reihe bis zum Ausgang ’ des Dorfes St. Eugène. Die bequemen
Wägen der Trambahn, mit drei Pferden bespannt, befördern den
Reisenden für wenige Sous bis dahin, aber trotz Billigkeit und
Bequemlichkeit wird der Nordländer, der im Frühling nach Algier
kommt, doch lieber den Weg zu Fuss zurücklegen, um in Muse
die prächtige Vegetation zu bewundern, die sich in den Gärten
der meisten Landhäuser entwickelt. Nirgends sonst habe ich
eine ähnliche Mannigfaltigkeit schönblühender Zierpflanzen jj in
halbwildem Zustand gefunden, wie hier. Die üppigen Blüthen-
massen der brasilischen Bougainvillaea speciosa mischen sich mit
dem zierlich gefiederten Laub und den blauen Blüthentrauben