wir so gut wie nichts; die Römer haben sich ja nie mit der religiösen
Ueberzengung unterworfener 'Barbarenstämme beschäftigt
nur ganz gelegentlich finden wir den »grossen Gott der Numiden«’
einmal erwähnt; den christlichen Kirchenvätern aber war es ganz
gleichgültig, zu welchem Götzen die blinden Heiden riefen und
noch weniger waren die-Araber aufgelegt, sich damit zu befassen
Es scheint aber, dass die Numiden, wie ihre Verwandten in Kanaan,
ihre Götter auf hohen Bergspitzen verehrten;*) die Heiligen
nahmen darum mit Vorliebe ihre Wohnsitze auf den höchsten
Bergen, und die meisten Hochgipfel .sind nach Heiligen, männlichen
oder weiblichen Geschlechtes, benannt, die auf ihnen wohnten
und wohl nach und nach an die Stelle der einst dort angebeteten
Götter traten. Die Verehrung von Heiligen auch nach ihrem
Tode ist in Nordafrika uralt; schon He ro d o t weiss zu berichten,
dass die Nasomonen auf den Gräbern angesehener
Leute sich Orakel holten, ganz wie das heute der Berber noch
thut; sie beteten dort und legten sich dann schlafen und der
iraum brachte ihnen den erflehten Rath. Heute schwört man in
er ganzen Sahara und m vielen Berberlanden beim Buche des
S i d i Ab d a l l a h , aber wer’ ist dieser Heilige, den selbst die
luareg ehren, den aber ausser Nordafrika Niemand kennt? Auch
hinter anderen Heiligen njögen alte Heidengötter stehen und wie
die mittelalterlichen St, Peter und St. Georg die Züge Wotans
nur kaum eben verhüllen, so würde, wenn überhaupt bei den
Kabylen eine alte Tradition bestände, auch in dem grossen Sidi
Abd-el-Kader el Ghilani, der ja anderen Heiligen gegenüber fast
die Stellung eines Halbgottes einnimmt, unschwer ein alter Nu-
midengott erkennbar sein.
Alle Berber haben, dem Koran zum Trotz, eine Vorliebe für
geräuschvolle Feste, und sie feiern sie im Freien, im Wald und
auf Bergeshöhe, unbekümmert um die Verleumdungen, welche die
prüden scheinheiligen Araber an diese Lustbarkeiten, an denen
Männer, Frauen und Kinder Theil nehmen, knüpfen. Wenn in
den Aures das erste.Grün sprosst, 'ziehen die Schawi mit ihren
- amilien hinaus, sie umgehen in feierlicher Procession ihre Saaten
länder was Barth (Wanderungen durch die Küstenländer
des Mittelmeeres, I. p. 114) über die Zauekes oder Sauya und den
Kult auf dem tunesmchen Zaghouan sagt. Ein heiliges Gebirge Zaghun oder
Sarhun erwähnt auch Lenz in der Umgegend von Mekines in Marokko.
und Pflanzungen, lagern drei Tage im Walde und kehren dann
mit jungem Laub geschmückt in ihre Dörfer zurück.*) Ebenso
feiern sie ein dreitägiges Erntefest ; wenn die Wintersonnenwende
kommt, nimmt die Fraù. einen Stein aus dem Heerde und umgibt
ihn mit frischer Erde, und in der Neujahrsnacht — sie heisst
. noch Junäa, Januar — schmaust und zecht man die ganze Nacht
und wechselt am Morgen die Kleider und alle gewöhnlichen Gebrauchsgegenstände.
Aecht heidnisch sind auch die Festlichkeiten
mit denen die Kabylen am Dschurdschüra den Tag feiern, an welchem
nach den Oktoberregen der erste Pflug ins Feld geht. Schon
am Vorabend findet eine feierliche Fleischvertheilung statt und
jede Familie steuert nach. Kräften Kuskussu und Brod zu einem
reichen Mahle für die Armen. Aui Morgen des Tages bringt
jeder Grundbesitzer für jedes Paar Ochsen, das er hinausgehen
lässt, vier harte Eier, vier Granaten und vier Nüsse ; sie werden
versteckt und am Abend von der Dorfjugend gesucht. (Wem
fallen dabei nicht unsere deutschen Ostereier ein?) Ebenso werden
den Ochsen an die Hörner und auf dem Kopf kleine Kuchen befestigt,
uîn welche die liebe Jugend nachher sich balgt. Dann
geht es in feierlicher Procession hinaus; der Ackersmann nimmt
eine Probe von jeder Fruchtgattung, Weizen, Gerste, Bohnen und
Erbsen, in die Hand und streut sie als Opfergabe über den Acker,
der Imam spricht die Fatha,**) und die Arbeit beginnt. — Auch
die Ehrfurcht des Kabylen vor dem Pfluge, dessen Anfertigung
früher einer besonderen Kaste oblag, und dessen Diebstahl als
ganz besonderes Verbrechen behandelt wird, und vor der Dreschtenne
(Anna r, arabisch nedder ); die er uur mit blosen Füssen
betritt und sorgsam reinhält, haben ihre Wurzel wohl in Zeiten,
die weit hinter das Eindringen der Araber zurückreichen, - Dass
sich vielfach heidnische Opfergebräuche erhalten haben, ist bekannt.
Frauen, die Kindersegen erflehen wollen, schlachten in Algier
an der Genienquelle, in Konstantine im Bad von Sidi
Mecid ein schwarzes Huhn. Als Ho o k er***) zum Kamme
des Tagherout-Passes im hohen Atlas hïnaufstieg und sich
plötzlich ein schwerer Schneesturm gegen ihn erhob, schlach*)
Man vergleiche darüber Ma s q u e r a y , in Bulletin de la Société
géographique, 6™e Série, vol. XII. Dann über ein ähnliches Fest in der
• Oase Sokna R o h l f s (Kufra p. 144).
**) Die ersten Verse des Koran.
***) Marocco and the Great Atlas p. 223.