Meerwasser noch manchmal bis an den Fuss des Felsens getrieben.
Dann wird auch wohl der Pass wieder einmal von den nach Tunis
bestimmten Lastthieren benutzt, wie auch der Verkehr aus dem
oberen Milianathal und dem fruchtbaren Gebiete der Ebene Mor-
näk, wo ehemals T h u b u r b o ma j u s lag, nach. Sl iman und
der Westküste noch diesen Weg nimmt.
Mir brachte die Kluft Alis eine sehr freudige Ueberraschung.
Am Fuss der Felsenwände, in Spalten tief verborgen, fand ich
eine reizende Clausilie (Gl. Tristrami Pfr.), die früher nur einmal
aus Tunisien nach Deutschland gekommen war und deren Fundort
man im südlichen Tunis vermuthete, ausserdem noch einen
kleinen, noch unbekannten Buliminus (— ich habe ihn seitdem
als Bul. Micelii beschrieben —) und verschiedene andere interessante
Sachen; beide Arten scheinen auf die Kluft und ihre nächste Umgebung
beschränkt, ich habe sie trotz allen Nachsuchens sonst
nirgends gefunden.
Der achtzehnte Juni verging über Laufereien, um meinen
Koffer von dem Zollamt zu erhalten, und über den Vorbereitungen
zu einem mehrtägigen Ausflug nach Por t o Far i n a , an welchem
sich noch mehrere Deutsche betheiligen wollten. Hier wären wir
über das Gebiet der Wirthshäuser hinaus, denn ausser in Tunis und
Guletta existirt ein Hotel vorläufig nur noch m .der heiligen Stadt
Kairouau; Europäer, auf deren Gastfreundschaft man rechnen
könnte, sind auch dünn gesät in Tunisien, also bleiben, wenn
man reisen will, nur zwei Wege. Entweder, man lässt sich durch
Vermittlung seines Konsulats einen Regierungsbefehl ausstellen, einen
sogenannten Am’rB ey oder kurzweg Amra; dann ist man Gast der
Regierung und wird auf deren Kosten oder richtiger auf Kosten der
armen Unterthanen, deren Gebiet man berührt, verpflegt; — oder
was nur bei kleineren Ausflügen thunlich, man verschafft sich von
reichen tuniser Mauren, die oft durch das ganze Land hin begütert
sind, Briefe an ihre Verwalter, die einem Aufnahme und
Verpflegung sichern. In letzterem Falle thut man jedoch immer
gut, sich allerhand europäische Bedürfnisse, an die man gewöhnt
ist und ganz besonders das nöthige Getränke mitzunehmen, wenn
man nicht auf Wasser allein angewiesen sein will. Beide Methoden
haben ihre Schattenseiten, aber unter den gegenwärtigen Verhältnissen
ist nichts zu machen. Frau Dr. Kunitz hatte sich an einen
der grössten Grundbesitzer Tunisiens gewandt, Si Hamida ben
Ayet, einen Nachkommen der ehemaligen selbstständigen Fürsten
von Djerba und Neffen des berüchtigten Si Mahmud ben Ayet,
der von 1847—49 allmächtiger Premierminister war und durch
Erpressungen wie durch Betrügereien beim Abschluss der ersten
Anleihen sich eine hübsche Anzahl von Milliönchen zusammenbrachte,
mit denen er nach Livorno durchbrannte. Si Mahmud,
der, wie die ganze Familie, schon seit geraumer Zeit unter englischer
Protektion steht, besitzt leerstehende Häuser in Bou Schater
auf den Ruinen von Utica, in Biserta, in Alia und angeblich auch
in Porto Farina und gab uns mit der grössten Bereitwilligkeit
Briefe an seine Verwalter.
So trafen wir denn am 19. Juni im Hause des Herrn
Dr. Kuni t z zusammen, neun Deutsche, die sich in zwei bequeme
Landauer vertheilten; die Gegend bis nach Porto Farina ist so eben,
dass man bei gutem Wetter bequem dorthin fahren kann. Es
hatte in der Nacht noch einmal tüchtig geregnet; in der Stadt
war es schmutzig genug,- aber draussen nur angenehm staubfrei
und die Luft war köstlich. Lange hatten wir uns durch die Strassen
der Stadt durchzu winden, dann ging es zumThore Bab-es -Sadoun
hinaus, vorbei an einem mit Kanonen besetzten' Fort und unter
den Bögen einer moderneren Wasserleitung hindurch ins Land
hinein. Die Gegend ist kahl und uninteressant bis zum Bar d o ,
dem Residenzschloss des verstorbenen Bey, einem merkwürdigen
Bau, der heute verlassen steht und wie seine Vorgänger bald in
Trümmern liegen würde, wenn nicht die Franzosen für seine Erhaltung
sorgten. Bald beginnt ein ausgedehnter Olivenwald. Alle
Oelbäume in Nordtunis sind in derselben Weise behandelt; der
Stamm* theilt sich in geringer Höhe über dem Boden in drei,
seltener in zwei Zweige und bildet so eine lockere lichte Krone,
zu welcher die Luft freien Zutritt hat. Tunis war im Alterthum
das Oelland par excellence, das den grösseren Theil der Mittelmeerländer
mit Speiseöl versorgte. Unsinnige Zoll- und Steuer-
massregeln haben die Olivenzucht sehr herabgebracht und würden
sie vernichtet haben, wenn es nicht aus fiskalischen Gründen streng
verboten wäre, einen Oelbaum abzuhauen, ohne einen neuen zu
pflanzen. Die Oelbäume zahlen in Tunis nämlich nicht, wie andere
Früchte, den Zehnten,, sondern eine Art Kopfsteuer - (Kanoun),
welche je nach dem Alter des Baumes 4, 6, 8 Karruben*) jährlich
*) Tunisiscbe Kupfermünze; man rechnet sie gewöhnlich zu 4 Cts.