gleichem Eifer, wissenschaftlicher Gründlichkeit und tiefer Sach-
kenntniss unterzog; dann ging es wieder ins Café, es wurde Schach
gespielt oder mit G. über den Satz 0 X 00 = 1 gestritten, den
er uns trotz aller Mühe nie begreiflich machen konnte; nachher
Siesta, dann wieder Kaffee, Abendessen, noch einmal Kaffee, bis
endlich die Schlafenszeit gekommen. Dabei amusirte man sich im
Ganzen aber so gut, dass wir das Sommertheater nur einmal besuchten,
und ich bin überzeugt, unsre Mitgefangenen werden an
den Ramadan in Tunis mit eben soviel Vergnügen zurückdenken,
wie wir.
Etwas Gutes hatte aber der lange unthätige Aufenthalt in
Tunis doch; wir lernten die Stadt und das Treiben auf ihren
Strassen und in ihrem Bazar gründlicher kennen, als wenn wir,
wie ursprünglich beabsichtigt, nur. ein paar Tage geblieben wären,
und konnten uns bald ohne Führer in dem anscheinend laby-
rinthischen Gewirr der Bazar-Gässchen zurechtfinden. Es ist das
nicht so schwer wie man gewöhnlich annimmt. Alttunis, d. h.
die Stadt innerhalb der alten Ringmauern, wird von dem neuen
Europäerviertel in der Ebene durch die P o r t a d e l l a Ma r in a
geschieden; vor derselben erstreckt sich der breite Boulev a r d
de la Ma r ine , welcher gerade in den Zollhof hineinführt, und
an diesen schliessen sich breite, gerade, sich im rechten Winkel
kreuzende Strassen, welche sich rasch mit drei- und vierstöckigen
massiven europäischen Häusern füllen. Das ist Neu-Tunis, dessen
Anlage von 1862 datirt, wo Leon Roche s , der französische
Konsul, vom Bey die Erlaubniss erhielt, das französische Konsulat
an der Strasse nach dem Hafen ausserhalb der Enceinte zu erbauen.
Prinz Plon-Plon und seine junge Gemahlin standen bei
der Einweihung Pathen. Bald darauf wurde die Stadtmauer
zwischen der Porta della Marina und Bab el Zira geschleift,
an ihrer Stelle erhob sich die R ue Bäb e lZ i r a , die durch
zahlreiche Querdurchbrüche mit der parallel innerhalb der Mauer
laufenden R u e de la Commission verbunden wurde, und so
gab es Raum genug für die wohlhabenderen Christen, welche
seither auch in den engen Gässchen innerhalb der Mauer hatten
wohnen müssen. Leider hat man bei dem Mangel jeder polizeilichen
Autorität nicht daran gedacht, die algerische Bauweise
mit Säulenhallen im unteren Stock vorzuschreiben, und so sind
die schattenlosen Strassen bei der Sommerhitze wie in den Regentagen
des Winters so unbehaglich wie möglich. Da die Oberfläche
des Bauterrains kaum über das Niveau der Bahira erhaben
ist, können auch keine unterirdischen Keller angelegt werden und
man muss clie Strassen hoch auffüllen. Es ist das übrigens von
der Aktiengesellschaft, welche das ganze Terrain angekauft hat,
schon geschehen; überall wird tüchtig gebaut und es ist nur die
Frage, ob es gelingen wird, die Häuser zu entsprechenden Preisen
zu verkaufen oder zu vermiethen.'
Passirt man das Thor, so befindet man sich auf einem kleinen,'
unregelmässig gestalteten, aber leidlich gepflasterten Platze,
Piazza ma r in a oder P l a e e de la Bourse. Hier ist immer
ein reger Verkehr, denn hier münden fünf enge Gässchen, welche
die Hauptverkehrsadern von Alttunis bilden. Auch sie sind zum
guten Theile noch von Christen bewohnt, gehen aber ganz unmerklich
nach der einen Seite in das Juden viertel, nach der anderen
in den maurischen Bazar über. In diesem, der aus zahlreichen
überdeckten Gassen besteht, konzentrirt sich die Handelsund
Gewerbthätigkeit von ganz Tunis, er ist. aber schon so oft
geschildert worden, dass ich mir es füglich hier ersparen kann,
noch einmal über ihn zu berichten. Nur muss ich bemerken,
dass man sich bei Einkäufen, auch von Mauren, sehr in Acht
nehmen muss. Die guten alten Zeiten, in denen man sich noch
unbedingt auf das Wort eines maurischen Händlers verlassen
konnte, sind vorbei; die Leute haben im Handel mit den Europäern
so schlimme Erfahrungen gemacht und sind so furchtbar
betrogen worden, dass sie selber gelernt haben, Andere über das
Ohr zu hauen; man darf ihnen darum auch nicht über ein Viertel
des geforderten Preises bieten und ohne langes Handeln geht es
nicht ab. Am schlimmsten für den Fremden ist aber, dass auch
hier europäische Fabrikwaare die einheimischen Industrieprodukte
immer mehr verdrängt und man kaum noch bei irgend einem
Artikel sicher ist, dass er nicht aus Frankreich, aus Offenbach
oder Wurzen eingeführt ist. Herr von Knapp, der als Importeur
diese Sachen gründlich kennt, hat uns vor manchem Hereinfall
bewahrt, schliesslich kaufte ich aber doch ein paar Babuschen
(Pantoffel) von dem Schuhmacher selbst und überzeugte mich erst
zu Hause, dass es Lyoner Maschinenarbeit war. Sicher ächt sind
nur die Sattlerarbeiten und die schönen Goldstickereien, welche
ausschliesslich von Männern im Bazar selbst gearbeitet werden;