damit sind die meisten französischen Kolonisten nichts weniger
als einverstanden und die Zeitungen verlangten in allen Tonarten,
man solle die Ausübung aller Rechte an die Erwerbung des französische^
Bürgerrechts knüpfen. Das käme freilich einer völligen
Ausschliessung gleich, denn der Eingeborene sieht in der Naturalisation
einen völligen Abfall vom Glauben und trotz aller Erleichterungen,
trotz der verlockenden Vortheile, welche die Regierung
bietet, beträgt die Anzahl der von 1865—1884 naturali-
sirten Araber, Kabylen und Mauren nur 551, eine Zahl, die deutlicher
spricht als ganze Bücher*).
In den Communes mixtes ist dem eingeborenen Element eine
grössere Betheiligung gestattet, doch ist der Admi n i s t r a t e u r
ziemlich souverän und gar manche der -Herren sollen sich von
türkischen Paschas nur dem Namen nach unterscheiden. Der
Ausdruck »mixte« ist überhaupt ein Euphemismus, depn nur die
so sehr spärlichen Einzelansiedler gehören ihnen an, jedes, auch
das kleinste Kolonistencentrum hat Recht auf eine-Sonderstellung
und auf ausschliesslich europäische Vertretung. Die Bedeutung der
Errichtung der Gommunes mixtes liegt aber darin, dass sie den
vollständigen Bruch mit allen Traditionen des arabischen Feudalsystems
darstellt. Es hat lange gedauert, bis sich die Franzosen
über die Schädlichkeit und Gefahr der Institutionen klar wurden,
welche sie bei der Eroberung vorfanden. Sie' glaubten immer
wirklich die grossen arabischen Familien an sich fesseln und sie
für die französischen Interessen gewinnen zu können. Da,s begriffen
die Araber sofort, und wo sich ein Stamm unterwerfen
musste, fand sich immer ein Glied der herrschenden Familie, das
der Regierung freundlicher gegenüber trat und natürlich zum
Kaid und wenn es sich brauchbar erwies, sogar zum Baschagha
oder Khalifa befördert wurde. Die anscheinend Abtrünnigen fanden
bei den streng legitimistischen Arabern doch immer als Glieder
der rechtmässigen Herrscherfamilie unbedingten Gehorsam, natürlich
aber doppelt freudigen, wenn sie zu gegebener Zeit die
Maske abwarfen und. zum heiligen Krieg riefen **). Aber auch -
*) Nach einer Angabe des Herrn Sabatier kommen davon auf die Gemeinde
Akbou allein 318.
) Mit welcher Naivetät die Franzosen dabei manchmal zu Werke
gingen, beweist der Aufstand der Kabylen in 1871. El Mokrani, der Führer
der Empörung war von den Franzosen zum Baschagha der fruchtbaren
dann wurde immer noch Sorge dafür getragen, dass im Fall des
Misslingens dem legitimen Hause seine Stellung erhalten wurde,
irgend ein jüngeres Glied der Familie blieb den Franzosen treu
und nahm sogar als Spahisofficier oder Führer einer Abtheilung
Ghums (eingeborener Irregulären) am Kampf gegen seine' Landsleute
theil, und ihm wurde natürlich dann die Kaidwürde übertragen.
- Bei den grossen Stämmen am Wüstenrande war eine
solche Politik freilich kaum nöthig, da es den Franzosen fast niemals
gelungen ist, dieselben völlig zu unterwerfen und sie gerne
zufrieden waren, wenn nach langem unentschiedenem Kampfe die
Aufständischen endlich den Aman (die Amnestie) nachsuchten und
wenigstens nominell ihre Oberherrschaft anerkannten. Den Stammeshäuptern
blieb die völle Souveränität, die Steuererhebung, ja
selbst das Recht über Leben und Tod massten sie sich in manchen
• Gegenden noch an und die Bureaux arabes drückten für gar
manche Gewaltthat die Augen zu.
Die Errichtung der Communes mixtes im Civilgebiet und der
Communes indigènes im Militägebiet bedeutet den völligen Bruch
mit dem Feudalsystem. Die grossen Chefs, die Aghas, Basch-
aghas und Khalifas haben ihre Obermacht über die einzelnen Kaids
vollständig verloren, und aus den Kaids sind Adjoints indigènes
geworden, die direkt unter dem Administrateur stehen. Um die
Bedeutung dieser Aenderung zu würdigen, muss man wissen,
dass die sämmtlichen eingeborenen Chefs hauptsächlich dureh einen
Antheil vom Zehnten bezahlt werden. Früher wurde derselbe
unter die verschiedenen Rangstufen vertheilt; der Kaid, der ihn
direkt erhob, behielt die Hälfte des Antheils, die andere theilten
Agha und Baschagha. Jetzt behält der erhebende Kaid das Ganze
Medjana gemacht worden; seine Macht wurde durch einen feindlichen Vetter,
Ben Abd-es-Selam, halancirt, aber die französische Regierung bewirkte,
selbst eine Aussöhnung zwischen diesen beiden und weiterhin mit Ben Ali
Scherif, dem Baschagha der Kabylen, und Ben Haddad, dem Oberhaupt
der Bruderschaft der Rahmaniya. Die unmittelbare Folge war die gemeinsame
Empörung dieser vier. Freilich wird in Algerien behauptet, die Militärpartei
habe diesen Aufstand, welcher der Einführung des Civilregimentes
unmittelbar folgte, nicht ungern gesehen. (Cfr. Gastu, le peuple algérien,
chap. III. 1). — Ebenso hat man der schon durch ihre Scherifwürde sehr
einflussreichen Familie der Aghas der Ouled Sidi Sheikh alle die Wüstenstämme
längs der tunesischen Grenze untergeordnet, und nun befindet sich
dieselbe seit zwanzig Jahren in vollem Aufstand.