la mer,« riefen die französischen Soldaten, als sie zum ersten Mal diese
Höhe erreichten und die Aehnlichkeit mit dem Meer drängt sich
unwillkürlich Jedem auf. Aber es ist nicht das stille, glatte Meer,
nicht eine' endlose ebene Sandfläche, wie man sich' so gerne die
Wüste träumt; wie im Sturm erstarrte Wogen sieht die nächste
Parthie mit ihren tief eingerissenen Bachbetten und tafelförmigen
Erhöhungen aus; wenn, wie vor unsren Augen, ein schweres Wetter
über die Ebene herankommt, ist die Täuschung vollständig, und
unwillkürlich horcht man nach dem Donner der Brandung. Aber
es blieb uns keine Zeit zu langem Bewundern; unheimlich drohend
kam das Gewitter über die Ebene, her, die Wolken la^en fast auf
der Erde und verhüllten die noch eine gute Stunde entfernten
Palmenwälder von Biskra, und die noch vor uns liegende Wegstrecke
ist keine der besten; in schärfstem Trab ging es den steilen Berg
hinab und dann weiter, durch ein paar Ravins hindurch, nachher
über .ebeneres Land. Es begann zu regnen; jeder Tropfen zischte
förmlich auf, wenn er die erhitzten Rollsteine berührte und bald
bedeckte eine Schicht weissgrauen Wasserdampfes - gespenstisch
weithin die Ebene. Aber die Pferde .hielten sich wacker und ehe
das Gewitter in voller Wuth losbrach, tauchten Cypressen und
Palmen vor uns auf und wir rollten in die, von Arkaden eingefassten
Strassen von Biskra, in denen man eben die Laternen an-
zuziinden begann.
Es war nur ein kurzer Augenblick gewesen, den wir oben
hielten, aber er hatte genügt, um in mir einen Gedanken wachzü-
rufen, der vielleicht nicht ohne Bedeutung ist für die Lehre von
der Bildung der Sahara. Bekanntlich streitet- man seit mehreren
Jahrzehnten sehr eifrig über die frühere Beschaffenheit der grossen
•nordafrikanischen Wüste und die Bedeutung derselben für das
Klima Deutschlands. Der schweizer Geologe D e s o r hat zuerst
die Ansicht ausgesprochen , dass wir nur der. Sahara als der
Heimath des Föhn respektive des Scirocco es verdanken, dass unsre
Heimath nicht wie die unter gleicher Breite in Nordamerika
liegenden Gefilde von Labrador von Schnee und Eis starrt und
sich eines so unverhältnissmässig milden Klimas erfreut. Der
Gedanke lag nahe, die Zeit, in welcher das nicht der Fall war;
die Eiszeit, dadurch zu erklären, dass damals die Sahara, der Ofen
der grossen Luftheizung für Mitteleuropa, noch nicht in der
heutigen Weise existirt habe., Auf einer Reise, welche Desor mit
Seinem Freunde Esche r von der Lint h und dem- Botaniker
Cha r l e s Ma r t i n von Montpellier eigens deshalb unternahm,
fanden sie südlich und südwestlich von Biskra einzelne Schalen
der gemeinen Herzmuschel (Cardium eäule L.) und schlossen daraus,
dass die Sahara in einer verhältnissmäs,sig nicht weit entlegenen
Zeit vom Meere überdeckt, dass in Folge davon der Südwind
kälter gewesen und die Vereisung der Alpen und des ganzen
Nordens eingetreten sei; die Hebung der Ebene über den Meeresspiegel
bedingte dann naturgemäss die Entstehung des Scirocco-
Föhn und das Aufhören der Eiszeit.
Diese Theorie erscheint in ihrer Einfachheit so unbedingt einleuchtend,
dass sie allgemeine Annahme fand . und namentlich in
populären Schriften heute noch Geltung hat. Nur Dove, der berühmte
Meteorologe, bekämpfte sie entschieden, weil er annahm,
dass der Föhn nicht mit der Sahara Zusammenhänge und die von
Nordafrika nach Norden strömende Luft durch die Umdrehung
der Erde soweit abgelenkt werden müsse, dass sie erst in Asien
den Boden berühren könne. Ich will hier nicht weiter auf das
Verhältniss zwischen Föhn und Scirocco eingehen, kann mir aber
doch die Bemerkung nicht versagen, dass unter dem Namen
Scirocco in Nordafrika und am westlichen ,Mittelmeer ziemlich
überall zwei Winde zusammengefasst werden, die gleichen Ursprung,
aber eine sehr verschiedene Intensität haben. Der -eine ist der
gewöhnliche warnie Südwind, ohne begleitende Staubmassen, wie
man ihn sowohl in Nordafrika wie in .Süditalien und Spanien so
oft beobachtet; er erhöht die Temperatur, macht sich für ' den
Menschen unangenehm empfindlich, schadet aber der Vegetation
nicht. Diese Form wird bedingt durch das ruhige Abströmen der
Wüstenluft;. ihr entspricht wohl auch der H a r ma t t an, dessen
persönliche Bekanntschaft ich aber noch nicht gemacht habe.
Ein1 ganz anderes Bild bietet sich, wenn die zweite Scirocco-
form auftritt. Am Südhimmel zieht eine fahle Röthe auf, eine
entsetzliche Schwüle entsteht, blutigroth und strahlenlos steht die
Sonne an dem wolkenlosen Himmel. Auf der Erde herrscht eine
unheimliche Stille und Ruhe; nicht nur die grösserenThiere und
Vögel, auch die kleinen Insekten ö ' bis zu den Ameisen hinab bergen . . . sich in denVerstecken; die Heerdenthiere ducken sich an emiger-
massen geschützten Stellen, die Kameele der Karavane werfen sich
nieder, Hals und Kopf nach Norden hin lang ausstreckend, und