Maison Carree hat für Handel und Verkehr eine unvergleichlich
günstigere Lage als Algier, das ja seine Bedeutung nur dem
zufälligen Umstand verdankt, dass, als Barbarossa sich eine Hauptstadt
am Meere gründen wollte, alle guten Hafenplätze, besonders
Bougie, Bona und Oran, in den Händen der Spanier und für ihn
nicht zu haben waren. Die Lokalpatrioten trösten sich mit der
Hoffnung, dass die Enge des Bahnhofs in Algier doch noch einmal
zur Anlage eines Hafens an der Harraschmündung zwingen
werde, doch dürfte es damit wohl gute Wege haben; unsere Zeit
ist zu sehr gewöhnt, die Natur zu korrigiren, als dass sie-sich
so leicht von Schwierigkeiten abschrecken liesse, und man wird
eher einen Theil der Bucht ausfüllen, um Raum für Bahnhofsanlagen
zu gewinnen, als dass man den Verkehr nach einer
anderen Stelle als der Hauptstadt leitet.
Der Schmutz in den Gassen von Maison Carree entsprach
dem regen Markt verkehr; trotzdem arbeiteten wir uns, als der
Regen etwas' nachliess, über die Brücke hinüber zu den Höhen
durch, auf denen -das Bloekhaus, nach welchem die Stadt ihren
heutigen Namen trägt, liegt. Als Deckung des wichtigen Ueber-
gangs wurde die türkische Befestigung, welche den Namen
Bo r ds ch el Kant r a , Brückenfort, trug, schon seit 1830 von den
Franzosen besetzt gehalten, in den ersten Jahren allerdings nur
im Winter, da im Sommer die Besatzung zu furchtbar vom
Fieber heimgesucht wurde. Jetzt sind das Fort wie die neben
ihm erbaute Kirche und ein grosses Waisenhaus völlig verschwunden
in einem ausgedehnten Wald von Eukalypten. Aus den
Baumschulen der Herren C o r d i e r und T r o 11 i e r in Maison
Carree stammen ja fast alle die in Algerien angepflanzten Fieberbäume.
Auf dem mergeligen Abhang machten wir zwar eine
ungewöhnlich reiche Ernte an Schnecken, doch- nur von gemeineren
Arten, die wir auch sonst finden konnten, und der stärker
werdende Regen trieb uns wieder ins Städtchen zurück.
Ein Zug ging sobald noch nicht ab, dagegen hielten an der
Brücke ein paar der interessanten Fuhrwerke, die uns schon
manchmal in Algier aufgefallen waren, ringsum offene Omnibus mit
Vorhängen aus Segeltuch, die lustig im Winde flatterten. Es blieb
uns keine grosse Wahl, wir setzten uns hinein; neben uns pressten
sich ein paar arabische Viehhändler; dann kam auch noch ein
Kabyle mit seiner unverschleierten, allerdings nicht mehr sehr
verführerisch aussehenden Ehehälfte und einem zwölfjährigen
Bengel, der hier Zurückbleiben sollte und beim Abschied von
Muttern ganz entsetzlich heulte. Madame setzte sich meiner Frau
gegenüber, lehnte sich aber bald auf die Schulter ihres Gemahls
und entschlummerte sanft, so dass wir in aller Behaglichkeit die
kunstreiche Tätowirung- ihrer Hände betrachten konnten. Es war
ein förmliches Handschuhmuster; breite Streifen' aus zahlreichen
Punktreihen liefen von den Finger Zwischenräumen bis zum Handgelenk
und endeten an förmlichen Armbändern, an beiden Seiten
reichten sie bis weit auf den Vorderarm hinauf. Solche Zeichnungen
sieht man bei fast allen Frauen, weniger oft bei Männern;
sie sollen übrigens nicht immer als Verschönerung dienen,
sondern werden auch als Sympathiemittel gegen alle möglichen
lokalen Leiden-, Rheumatismus, Neuralgien u. dgl. angewandt.
Man macht mit dem Messer einen kleinen Ritz nach dem anderen
in die Haut und reibt ein Gemenge von Indigo und Kien-
russ ein, das eine unvertilgbare Färbung hervprbringt.
Anfangs interessirte uns das, aber nach und nach wurde das
gepresste Sitzen in dem engen Raum 'unbequem. Beim Zusammensitzen
mit Eingeborenen konnte ich überhaupt eine gewisse
Unbehaglichkeit nicht- unterdrücken, denn diese Biedermänner
haben zu eigenthümliche Ansichten über einen Punkt der Zoologia
humana. Bei uns ist die Kleiderlaus ein Thier, das man in
anständiger Gesellschaft nicht gern nennt und- dessen Namen zu
einer fast unzählbaren Masse von Wortzusammensetzungen dient,
welche sämmtlich in die Klasse der Verbalinjurien rangiren. Dem
gläubigen Muselmann aber ist sie der auserwählte Liebling Allahs,
dem er sein Ebenbild, den Menschen, zur ausschliesslichen Wohnung
angewiesen hat.' Alle anderen Schmarotzerthiere können
auch sonst existiren; der frömmste Araber- macht sich darum kein
Gewissen daraus, einen Floh, der ihn peinigt, zu fangen und von sich
zu werfen. Aber die Laus muss ohne den Menschen verkommen;
wie kann er dem Willen Allahs entgegenhandeln? Das wusste ich,
und wenn ich länger mit Arabern zusammenfahren musste, empfand
ich bald ein gelindes Jucken, das zum Glück meistens — leider
kann ich nicht sagen immer —' nur der lebhaften Einbildung
zuzuschreiben war. Auch diesmal war es' mir nicht ganz geheuer,
und als bei der Annährung an Hussein Dey der Regen anfhörte
und sogar die Sonne durchbrach, entschlossen wir uns rasch,