Ein ganz guter Maulthierpfad, im Zickzack emporleitend, die
Strasse nach dem rebenreichen Raf -Ra f und Bizerta, brachte
uns bequem auf die Hochfläche, die mit Eichengebüsch bedeckt
ist, aber kein reicheres Thierleben bot, Eine prächtige Aussicht
rollte sich vor uns auf. Unter uns lag im dichten Grün das Dort
mit seinen flachen glänzend weissen Dächern, dazwischen die
mächtigen Quaderbauten aus vergangenen Glanzzeiten. Die Forts
und das Arsenal mit seinem Hafenbecken, dann der Rhar el-Melh,
der Salzsee, mit seiner wunderbaren Färbung, blau am Rande,
gelb in der Mitte, grün nach dem Ausgang hin, dahinter die
Landzunge, die ihn vom Meere scheidet, mit ihren zahlreichen
Dattelpalmen, ihren üppigen Gärten und ihren Salinen. Mehr
nach rechts übersah man die ganze weite neugebildete Ebene bis
zu den Hügeln von Utica und den Castra Cornelia, durchflossen
von der gewundenen Medjerda, dahinter die Hügel von Karthago
und ganz am Horizont die Höhenzüge von Dakhela mit dem wohl-
bekannten Doppelgipfel des Bou Kornein. Nach der anderen
Seite hin konnten wir keinen rechten Ueberblick gewinnen; nur
an einer Stelle sahen wir zwischen zwei Hügeln hinab auf ein
grünes ebenes Vorland, aus dem ein seltsamer Kegelberg aufragte.
Hier zwischen den Hügeln und dem Meer zieht sich ein reichbewässertes
Gartenland bis nach Bizerta, .von Fremden kaum
jemals besucht; ich wurde leider erst zu spät darauf aufmerksam
gemacht*).
Porto Farina ist eins der traurigsten Bilder von Verfall, die
man sich denken kann. Hier schuf Hamu d a Bey, der letzte
energische Herrscher von Tunis, zu Anfang dieses Jahrhunderts
einen prachtvollen Kriegshafen, von drei Forts beschützt, mit
ausgedehntem Arsenal und Schiffswerften. Seine Bauten sind
auch heute noch trotz ihres verfallenen Zustandes schöne Denkmäler
der maurischen Baukunst. Im • Alterthum scheint der Hafen,
obschon er damals schon sehr gut gewesen sein muss, nur wenig
Bedeutung gehabt zu haben. Ru s c inona wird nur einmal, bei
Titus Livius, erwähnt. Der Name ist nach Shaw phönicisch und
würde Vorgebirge der Lebensmittel bedeuten, so dass Porto Farina
nur eine Uebersetzung des alten Namens wäre, eine Ableitung,
welche aber Maltzan bestreitet.
*), Ganz besonders schön und fruchtbar soll das Dorf Ra s e lDs c h e b e l
sein, das unmittelbar jenseits des Höhenzugs in einer kleinen Ebene liegt.
Die erste Anlage eines Kriegshafens an dieser Stelle schuf
1640 Ust a Muhamed Dey, der auch die andalusischen Mauren
hier und in der Umgegend ansiedelte; er erbaute ein Fort, um
christlichen Raubschiffen das Landen zu verwehren. 1665 erschien
dessen ungeachtet der englische Admiral Rober t Black vor dem
Städtchen, bombardirte es und verbrannte neun tunisische Galeeren;
er erzwang dadurch die Freilassung aller englischen und holländischen
Gefangenen im Bagno. Schon im 18. Jahrhundert begann
die Verschlammung; 1725 konstatirte Peyssonel eine Abnahme
der Tiefe um 10' und gegen Ende des Jahrhunderts war der
Hafen kaum noch brauchbar. In 1740 glaubte Mu s t a p h a el
Genuese, ein Schwager des damaligen Bey, dem Uebelstande
abzuhelfen, indem er die Medjerda ableitete; aber gerade seitdem
machte die Versandung des Eingangs rasende Fortschritte: Hamuda
liess die Anlagen hier wie in Goletta durch den Ingenieur
Frank ausführen, einen geborenen Sachsen, den ihm die holländische
Regierung auf seinen Wunsch zur Verfügung gestellt hatte; Frank
entschied sich für Porto Farina erst nachdem sein Projekt, die
Bahira bis auf einen genügend breiten Kanal aüszufüllen, aus
Furcht vor den entstehenden Fiebermiasmen abgelehnt worden
war. Nach seinem Abgang versandete die Einfahrt rasch wieder.
Noch einen letzten ernstlichen Versuch, den Hafen wieder in
brauchbaren Zustand zu setzen, machte Mahmud Bey 1829, als
ihn die Engländer bedrohten; er Kess den Eingang ausbaggern
und brachte auch eine Anzahl Schiffe glücklich hinein; als sie
aber wieder herausgeführt werden' sollten, war die Versandung
schon wieder soweit vorgeschritten, dass eine Fregatte nicht mehr
genügende Tiefe fand und im Hafen liegen blieb und einsandete.
Seitdem ist es immer - stiller geworden am Rhär el-M e lh und
die siebenhundert Einwohner von Porto Farina stehen mit der
Aussenwelt kaum noch im Verkehr. Eine Zeit lang hofften sie
auf Frankreich und in der That hat das Zünglein der Wage bei
den Verhandlungen wegen Anlage eines Kriegshafens zwischen Porto
Farina und Bizerta geschwankt, ehe man sich definitiv für das
erstere entschied. Merkwürdig, dass die sonst fast absolut hafenleere
Küste Nordafrikas gerade hier an der das ganze Mittelmeer
beherrschenden Stelle vier zur Anlage eines gewaltigen und sicheren
Kriegshafens fast gleich geeignete Seen bietet: la Calle, Biserta,
Porto Farina und die Bahira von Tunis!