ragt und von Kabylen bewohnt 'wird. Die neuen Ansiedler
hätten vielleicht besser gethan, wenn sie das Dorf nicht in der
alten verzettelten Weise wieder aufgebaut hätten, die eine erfolgreiche
Vertheidigung unmöglich macht. Aber der Franzose ist
viel zu sehr gewöhnt, von oben herab geleitet und beschützt zu
werden, als dass er an Selbstvertheidigung dächte, und so baut
er im Feindesland die Dörfer gerade so, als ob er daheim in
seiner belle France wäre. Besser, er nähme sich die Bauweise
zum Muster, welche die Deutschen bei ihren Ansiedelungen im
Slavenland oder in Siebenbürgen befolgten. Die Regierung könnte
das ohne besondere Kosten thun. Sie baut ja doch jeder
neuen Ansiedelung eine Schule und eine Mairie, meist auch eine
Kirche ; würde man diese ohnehin massiven Gebäude zweckmässig
um den öffentlichen Platz gruppiren und durch Mauern verbinden,
so hätte man einen festen Kern, in dem Mensch und
Vieh Zuflucht finden könnten, bis Ersatz käme. YY ;ire so jedes
Dorf zur Vertheidigung eingerichtet, so könnte man auch getrost
die Armee verringern und der Landwehr, der Armée territoriale,
die Hauptsorge für den Schutz der Kolonisten überlassen, ohne
. Katastrophen befürchten zu müssen, die jetzt bei jedem Aufstande
trotz der zahlreichen' Besatzung unvermeidlich sind. Anderenfalls
wird die Armée territoriale schwerlich von sonderlichem Nutzen
seiu ; oder glaubt man wirklich, die Kolonisten würden sich
beeilen, einem Aufgebot Folge zu leisten, wenn sie. ihre Familien
in offenen Dörfern schutzlos zurücklassen müssen ?
Palestro. macht allerdings so mit den Gärten und Bäumen
zwischen den Häusern einen freundlicheren Eindruck, als wenn
es geschlossen und stadtmässig gebaut wäre. Man sieht, dass hier
Leute wohnen, die wirklich gekommen sind um in Nordafrika
sich eine neue Heimath zu gründen, was in den Kolonistendörfern
Algeriens leider Gottes durchaus nicht die Regel ist.
Auf dem öffentlichen Platz war reges Leben, Pferde wurden am
Rohrbrunnen getränkt und geputzt, und zwischen den Kolonisten
trieben sich zahlreiche Kabylen und marokkanische Berber herum.
Das Hôtel liess im Punkte der Reinlichkeit mancherlei vermissen
und hatte auch ziemlich Ungeziefer, abér die Verpflegung war
leidlich und wir amusirten uns nicht wenig über die alte Wirthin,
die Küche und Serviren besorgte und durch kein Drängen eiliger
Gäste .sich aus der Ruhe bringen liess.
Am anderen Morgen waren wir schon früh auf den Beinen.
Die Umgebung von Palestro hatte nichts, was uns locken konnte,
also aecordirten wir mit unserer Wirthin dahin, dass sie uns
Plätze in der Diligence sichern und meinen Tornister mit spe-
diren solle; dann machten wir uns zu Fugs auf nach den
Gorges, um den am linken Ufer gelegenen Felsenberg von Ti z i
R i r zu besteigen. Dort findet sich nämlich nur ganz oben eine
eigenthümliche Schnecke, die wir natürlich aufsuchen wollten.
Die Zeit war etwas knapp; um ein Uhr mussten wir unbedingt
widder unten sein, um die Diligence nicht zu verfehlen/
und der Aufstieg betrug mindestens 6—700 m. Bis zum
Pingang der Gorges braucht man immerhin ungefähr drei Viertelstunden.
Die Strasse war sehr belebt, denn es war Wochenmarkt
(Suk) in Palestro, zu dem die Eingeborenen von weither
zusammenströmen. Es waren lauter Männer, vorwiegend schlanke,
wohlgewachsene Gestalten, viele in j arabischer Tracht mit der
Kameelhaarschnur um das Kopftuch, doch genug unverfälschte
Berber darunter mit dem schmutzigen Lederkäppchen auf dem kurzgeschorenen
Kopf. Häufig begegneten uns auch Reiter, aber dann
ritten immer zwei auf einem Maulthier, wie in Spanien, was der
Araber nie thut. Marktbare Waare sah ich bei keinem, entweder
wollten sie Einkäufe machen oder es trieb sie nur die Neugierde,
wie so oft. Für den Araber hat ja die Zeit keinen Werth und
er läuft oder reitet Tagereisen weit, nur um Neuigkeiten zu
hören und; mit Bekannten zu schwätzen. Unmittelbar am Ein-
gang der Schlucht führt ein schmaler Pfad bergan und der
Anweisung folgend, die uns Freund Joly in Algier gegeben,
s.chlugen wir diesen ein. Mir wurde es einigermassen unbehaglich,
als ich den steilen buschigen Abhang übersah, der bis
oben hinauf gar keine Aussicht auf Ausbeute bot und dabei den
wolkenlosen Himmel und unsere Winterkleider in Betracht zog,
und ich schwankte, ob wir nicht die Partie aufgeben sollten,
aber meine Frau wollte den Bulimmus nicht - schwinden lassen
und so klommen wir langsam empor. An der ersten Ecke verloren
wir richtig unseren Pfad und mussten uns nun durchs
Gestrüpp den Weg suchen. Wo das Terrain es einigermassen
erlaubte, hatten die Kabylen sich Stücke angerodet und auf den
Gerstenäckern Feigen, Oelbäume, hier und da auch Reben gepflanzt
; die Felder waren mit Hecken umgeben und der Eingang