in einem solchen Fuhrwerk vier Tage lang durch eine Gegend
wie das Plateau der XJled Mokhtar fahren, muss ja den Menschen
auf Selbstmordgedanken bringen! Wie gut sassen wir dagegen
in unserem Coupe, wieder ganz allein im Wagen, und wie gern
ertrugen wir die Bequemlichkeiten der algerischen Diligence! Unsere
Geduld wurde freilich auf eine arge Probe gestellt, denn die
Regengüsse hatten die Strasse aufgeweicht, und es musste bergauf
immer Schritt gefahren werden und darauf sind die algerischen
Pferde nicht eingerichtet. Im langsamsten Schneckentempo ging
es hinauf nach der Höhe, die Pferde tasteten in dem weichen
Boden förmlich voran und manchmal glaubten wir, der Wagen
müsse zurückrollen. Von Berruaguia aus, wo gerade der sehr
besuchte Markt abgehalten wurde, stieg ich zu Fuss den steilen
Berg hinan, auf steilen Traversen die Serpentinen abschneidend
bis zur Höhe,,ein köstlicher Gang durch den thaufrischen Wald.
Bergab ging es dann wieder rascher und um ein Uhr waren wir
in Medeah.
Hier erfuhren wir, dass wir noch entschiedenes Glück mit
dem Wetter gehabt; in Medeah wie in Algier war es entsetzlich
gewesen und im Hotel in Medeah hatte der Regen vom
flachen Dache aus die Zimmer überschwemmt. Das hätten wir
in dem tiefgründigen Lehm bei Boghar und in unserem zugigen
Zimmer brauchen können ! Wir wollten eiog entlich einen Wagoen
nehmen und uns bis zum Eingang der Schlucht fahren lassen,
um diese zu Fuss zu durchwandern, aber das Fest von Blidah,
das die ganze Provinz toll zu machen scheint, machte uns einen
Strich durch die Rechnung; was an Fuhrwerken zu vermiethen
war, hatte schon am Morgen Festgäste dorthin gebracht, und da
wir keinen Tag mehr zugeben konnten, blieb uns nichts übrig,
als die Diligence weiter zu. benutzen. Wir konnten so wenigstens
die kühne Strassenanlage bis zum Eingang der Schlucht bewundern,
aber von dieser sahen wir noch weniger, als beim
Heranffahren,- und mit schwerem Herzen mussten wir die schönen
Schnecken an den Wänden hängen lassen. In la Ch if f a hatten
wir Zeit zu einem guten Abendessen, wie wir es in dem kleinen
Dorfe nicht erwartet hätten. Dörfer in unserem Sinne gibt es
eben in Algerien nicht, der Unterschied zwischen Landmann und
Städter verschwindet hier vollkommen. Ein Franzose und ein
Belgier assen mit, gereiste verständige Leute, und so entspann
sich bald eine lebhafte Unterhaltung. Der Belgier, der aber in
Holland wohnte und eigentlich gar nicht recht wusste, welcher
Nationalität er angehöre, erwies sich als ein wüthender Chauvinist
und wollte unbedingt den Eisass zurückhaben, während der
Franzose meinte, das seien abgemachte Geschichten, von denen
man am besten nicht mehr spräche. Mit der Regierung waren
aber beide gleich unzufrieden, wie ich denn überhaupt in Algerien
wenig zufriedene Staatsbürger gefunden habe.
Abends um neun waren wir wieder im Bahnhof von Algier,
wo uns der diensteifrige Jean schon erwartete, und die bequemen,
uns nun schon vertrauten Zimmer im Hotel f h a t e n uns nach den
Strapazen der Tour recht wohl.
Siebentes Kapitel.
Die Dolmen v o n Guyotville.
Von allen Menschenwerken in Algerien kann keines den
aufmerksamen Beobachter so fesseln, wie die räthselhaften Steindenkmale
aus grauer Vorzeit, die man in Nordafrika so häufig
findet, wie in irgend einem westeuropäischen Lande, die Bretagne
nicht ausgenommen. Die bekanntesten und besuchtesten
— diesen Ausdruck allerdings sehr relativ genommen, denn
welcher Tourist hat für dergleichen Interesse ? Ä lieg en ungefähr
vier gute Stunden von Algier entfernt auf dem Plateau der Beni
Messous bei Guy o tv i l l e , und ihnen galt eine Exkursion, die
ich mit Freund Joly zusammen am 20. April unternahm.
Wir brachen zeitig auf und erstiegen von C it e Buge aud
aus in steilen Serpentinen die schroffe Berghohe, welche vom
Bouzarea aus in’s Meer hinein vorspringt. Auf dem Abhang
nach Norden hin steht das Wahrzeichen der Franzosenherrschaft,
die Kirche unserer lieben Frauen von Afrika, die hier als Schutzpatronin
der Seeleute an Stelle der Notre Dame de la Garde
getreten ist und auch die Muselmänner bekehren soll. Darum
hat man den romanischen Kuppelbau mit einem Minaret versehen
und innen steht mit grossen Lettern angeschrieben. Notre
Dame d’Af r i q ue , p r i e z p o u r n o u s et p o u r l e sMu s u l -
mans , ein Beweis christlicher Liebe, für den dem Araber frei