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dem Reisenden gegenüber äusserst coulant und gestattet ihm sogar,
seine Reise in el Kantara zu O ' unterbrechen und am anderen
Tage weiter zu fahren.
Schon um vier Uhr klopfte Louis, der immer gesuchte und
nie zu findende Kellner, an unsere Thüre, um fünf Uhr sassen
wir in der Diligence und fort ging es über die Hochebene, welche
sich hier als eine wenig über eine Stunde breite Einsenkung
zwischen dem Tuggur und den eigentlichen Aurès hindurch erstreckt
und ohne jede trennende Wasserscheide aus dem Gebiet
der Salzseen, denen die spärlichen Gewässer von Batna zufliesseh,
in das des Ouëd Ka n t a r a und der Sahara hinüberführt. Der
Boden ist ein fruchtbarer Lehm, offenbar der Absatz' eines ehemaligen
Sees, welcher das ganze heute abflusslose Hochbecken
einnahm und wahrscheinlich bei el Kantara nach der Sahara hin
abfloss. Im Anfang sieht man noch gut bebaute Felder, dann beginnt
eine Einöde, eben so schrecklich, wie die um Boghar und
von eben so kahlen Berghängen eingefasst, über die sich aber
beherrschend der Pic des Cèdres erhebt, einem Vuikànkegel ähnlicher,
als irgend ein anderer nicht vulkanischer Berg, den ich
kenne. Einè Kantine, deren mit dem Blech amerikanischer Petroleumkannen
beschlagenen Wände im Strahl der Morgensonne
blitzten, ist auf Stunden weit die einzige menschliche Wohnung,
und die Fahrt ist für gewöhnlich äysserst langweilig zu nennen.
Uns wurde sie aber durch eine eigenthümliche Begegnung hochinteressant
gemacht. Ein Araberstamm kam nämlich aus der
Wüste herauf, um seine verbrannten Winter weiden mit den
Sommerweiden in den Aurès zu vertauschen. Ich konnte seinen
Namen nicht in Erfahrung bringen ; wahrscheinlich war es eine
Abtheilung der Ouled Zeyan, die in den Oasen Beränis,
Djemora und Beni Suik überwintern. In Trupps von 30 bis
40 Kam'eelen getheilt, jeder mit der entsprechenden Anzahl von
Menschen und den zugehörigen Schafen Und Ziegen, bedeckten
sie die ganze Hochebene auf Stunden hin. Die einen kamen uns
schon in voller Marschrüstung entgegen, die Kameele bepackt,
die jüngeren hübscheren Frauen und ein Theil der Kinder auf
ihnen sitzend, letztere meist in förmlichen Nestern, mit einem
Lämmchen oder einem Hund als Spielkameraden; die älteren
Frauen wie Lastthiere bepackt hinten nach keuchend, - die Männer
auch zu Fuss, die Kameele führend oder die Schafe und Ziegen,
die sich, obschon mit einander weidend, immer getrennt halten,
nachtreibend, nur wenige zu Esel. Andere brachen gerade ihre
Lagerstätten ab, wieder andere lagerten noch ganz ruhig, und
ein Trupp war schon wieder mi,t dem Aufschlagen des Lagers
beschäftigt. Pferde sahen wir nur ganz wenige, Rinder gar
keine; sie sind zu anspruchsvoll im Futter und halten die Hitze
nicht recht aus. Die Frauen mit ihren armdicken Zöpfen und
ungeheuren Ohrringen waren natürlich unverschleiert, wie die
Beduinenfrauen immer; im grellfarbigen Aufputz, in Gang und
Haltung erinnerten auch sie wieder auffallend an unsere Zigeuner.
Es war ein hochinteressantes Bild, eine Scene aus dem alten
Testament; gerade so ist schon Abraham mit seinen Heerden im
Sommer das Jordanthal zum Hermon hinaufgezogen und im
Winter wieder hinunter zum todten Meer. Ganz besonders bewegt
gestaltete sich das Treiben, wenn unsere Diligence, im Trab um eine
scharfe Ecke biegend, auf einmal in einen ruhig dahinziehenden
Trupp hineinsauste; wie dann die Frauen aufkreischten und Alles
durcheinandersprang, um die störrischen Kameele und Esel von
der Strasse wegzubringen.
Bei el Bia r , einem unbedeutenden Oertchen, treten wieder
die ersten Spuren fliessenden Wassers auf; eine Wasserscheide ist
nicht bemerkbar; die Ravins verlegen ihren Anfangspunkt immer
weiter nach Batna hin und werden mit der Zeit schon das Gebiet
der Stadt und der Abflüsse des' Cedernpiks dem System des Oued
Kantara anschliessen. Die Gegend bleibt gleich kahl bis nach
Ain Touta, der Relaisstation,-wo man im Schutz einer Smalah
der Spahis eine Anzahl Elsässer angesiedelt hat. Der Boden
scheint fruchtbar und ist auch nicht schlecht bewässert, aber das
Dorf macht trotzdem keinen prosperirenden Eindruck.
Nun erscheint am Horizont die scharfgezackte Bergkette,
welche die Wüste vom Hochplateau scheidet, und bald beginnt
die Strasse sich zu senken. Früher war hier eine sehr gefährliche
Stelle und manches Unglück ist beim Hinabfahren passirt, jetzt
führt eine gute Chaussee in langen Serpentinen am Steilhang
hinunter durch eine abschreckende Steinwüste, in der man keinen
grünen Halm sieht. Immer enger schliessen sich die Berge zusammen
; n'och einmal biegen wir um eine Ecke, und nun sehen
wir- uns in einem ringsum von Felsenbergen eingeschlossenen Kessel,
aus dem sich kein Ausweg zu bieten scheint. Auf einer schönen
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