Man kommt an den schönsten Maurenbauten vorbei, zuerst an
einem in prächtigen Verhältnissen erbauten Officierscafe, das leider
unaufhaltsam verfällt, dann an den beiden Hauptforts, Bordscb
Diouan*) und Bords ch Al i el Mekki , über deren Thoren
lange in Marmor gehauene arabische Inschriften den Ruhm ihres
Erbauers verkünden. Noch im Dorfe liegt das Heiligthum des
S id i Haded, eines berühmten Wunderthäters, von dem man mir
aber nichts berichten konnte, als dass er Schlangen und Skorpione
verschluckt -und sich ungestraft alle möglichen Wunden beigebracht
habe; er war also ein Aissouah. Man wallfahrtet indess
zeitweise zu seinem Grabe und Wunder ereignen sich noch immgr.
So wurden mir fünf Oelbäume gezeigt, die auf dem sonst kahlen
Platz vor der Grabkapelle in einer geraden Linie und in ganz
gleichen Abständen stehen; sie sind entsprossen aus den Stäben,
an welche fünf fromme Beduinen ihre Rosse anbanden, während
sie am Grabe beteten.
- Jenseits des Thores treten die Berghänge immer dichter an
den See heran und die Gartenzone wird immer schmäler. Aber
niemals habe ich eine ähnliche Ueppigkeit der Kaktushecken gesehen
; sonst sind im besten Fall die Stengelglieder am Umfang
dicht mit Früchten besetzt, hier drängten sich diese auch noch
auf den breiten Flächen. Die Gärten liefern übrigens neben den
Salinen auf der Landenge auch fast allein den Lebensunterhalt für die
Bewohner. Vieh wird kaum gehalten; es waren damals nur fünf
Ziegen im Dorfe und die waren sämmtlich krank. Palmen sieht man
überall, aber sie tragen keine Früchte, denn Niemand nimmt sich
die Mühe, sie behufs künstlicher Befruchtung zu besteigen. Nach
der Zwergpalme suchten wir umsonst, so günstig die Bodenverhältnisse
für sie erschienen; ob sie vielleicht auf der ändern der
Meeresströmung zugewandten Seite wächst, konnte ich nicht in
Erfahrung bringen. Wir gingen hinaus bis zu einer am Meeres-,
strande gelegenen Quelle, die, von einem alten Brunnengebäude
überdeckt und von einem riesigen Maulbeerbaume .überschattet,
so- recht zum Träumen einlud. Die köstlichen Beeren durften
wir nach Belieben pflücken, denn der Baum gehörte Allah; auch
) So nannte es mir Mosca; nach Guerin (Voyage en Tunisie, II, p. 14)
heisst es dagegen Bo r d s c h Oustani , nach dem Bey, welcher den ersten
Kriegshafen hier anlegte, Ousta Muhamed, oder wie Guerin will, Fort der
Mitte, weil es in der Mitte zwischen den beiden anderen Forts liege.
von den vorbeipassirenden Eingeborenen erhielten wir in der
freundlichsten Weise Obst und namentlich die hier sehr geschätzte
Schlangengurke, die man roh isst. »Man nennt sie in Tunis
Fakus el gamra, Mondgurke, weil sie nur im Mondschein sich
entwickeln soll. .Wir Hessen uns auch richtig verlocken und sind
nicht weiter nach dem Kap hinaus gekommen; von dem Apollotempel
, der ihm im Alterthum deii Namen gab, ist ja ohnehin
längst jede Spur verschwunden.
Am anderen Morgen trennte sich die Gesellschaft. Die
Maler wollteii noch einen Tag bleiben und dann nach Tunis
reiten, unterwegs auch noch ein paar Aufnahmen machen. Für
uns war auf dem Wege nichts zu hoffen, was für den tagelangen
Ritt in der glühenden Sonne entschädigt hätte, wir schlossen uns
darum au Frau Dr. Kunitz an und mietheten ein Boot, das uns
nach la Goletta bringen sollte. Um 10 Uhr waren wir am Arsenal,
dessen Becken heute noch tief genug für grössere Schiffe
ist, ein Beweis, dass hier keine Hebung stattgefunden. Der
Wind war günstig; mit der Geschwindigkeit eines Dampfschiffes
schossen wir über die Seefläche; in der Einfahrt streifte selbst
unser kleines, kaum beladenes Fahrzeug für einen Moment den
Boden, aber auch nur für einen Moment, dann ging es hinaus
in das Anfangs grüne, dann prachtvoll blaue Mittelmeer. Es war
eine köstliche Fahrt trotz der etwas bewegten See. Gegen zwei
Uhr umfuhren wir Ras Sidi bou Said, der Wellengang liess nach,
das Klüversegel wurde noch aufgezogen und hin ging es über
die Wellen, so scharf, dass das Wasser durch die Abflussöffnungen
aufs Verdeck drang, aber auch so stetig und ohne Schwanken,
dass jede Spur von Seekrankheit bei den Damen verschwand.
Um halb vier lagen wir an der Brücke von la Goletta und kamen
gerade noch recht zum Zuge nach Tunis.
Zweiundzwanzigstes Kapitel.
Beja u n d Zaghouan.
Unsere Hauswirthin hatte Wort gehalten, ein paar geräumige
kühle Zimmer standen uns zur Verfügung, sehr zu unserer
Freude, denn schon durchschwirrten unheimliche Gerüchte von
Cholera und Quarantäne die Luft. Einen Moment schwankten
wir ,', ob wir nicht den nächsten Dampfer nehmen sollten, um