afrikanischen Hochplateaus zwei mächtige Flusssysteme in entgegengesetzter
Richtung liefen, welche in den Golf von Gabes
und in den atlantischen Ocean mündeten. Von dem letzteren,
dem heutigen Oued Dr äa, wissen wir, dass er noch in historischer
Zeit, als die Karthager die Westküste Afrikas kölonisirten, ein
stattlicher Fluss war, in welchem Krokodile und Flusspferde
lebten; heute erreicht nur in ganz besonders regenreichen Jahren
ein schwacher Wasserfaden in seinem Bette das Meer. Woher
kommt diese Wasserabnahme? Lenz sucht ihren Grund in der
Entwaldung der Atlashöhen und der saharischen Gebirge. Das
mag allerdings dazu beigetragen haben, doch glaube ich, man
darf dieses Moment nicht überschätzen. Einmal ist die Waldverwüstung
in Algerien denn doch nicht so fürchterlich, wie man
gewöhnlich annimmt, und in Marokko wahrscheinlich noch viel
weniger, und dann ist sie eine Verwüstung eigentlich nur in forstlichem
Sinne. Man hat den Hochwald niedergeschlagen, aber an
seine Stelle ist an weitaus den meisten Stellen der Buschwald getreten,
und es fragt sich, ob dieser für die Aufspeicherung des
Wassers nicht zum mindesten ebenso wirksam ist, wie der Hochwald.
*) Als wir oben auf dem Col de Sfä hielten, kam mir
ein andrer Gedanke, der vielleicht eine Lösung der Frage bietet.
Das Becken von e 1 0 u t a j a war zweifellos noch in einer, geologisch
zu reden; ganz 'kurzen Vergangenheit ein See; nur ans
einem solchen kann der fruchtbare Lehm, dem'" kein Steinchen
beigemengt ist und der vielleicht auf hundert Meter Tiefe ganz
gleich bleibt, ausgefallen sein. Ringsum erheben sich geschlossen
die Berge, nur eine leichte Senkung führt hinüber in das Becken der
Hodna, das jetzt ebenfalls abflusslos ist, und um den Vorsprung auf
dem wir standen, hat sich in einer schmalen Rinne der Fluss, der hier
den Namen Oued Biskra annimmt, den Weg gebahnt In früheren
Zeiten bestand also hier ein Reservoir von mindestens 5—-6 Quadratmeilen
Oberfläche und grösser Tiefe, in welchem sich die Winterwasser
der Aures sammelten. Der von ihm ausgehende Fluss hatte
darum auch im Sommer genug Wasser, um nicht nur, wie heute
noch im Winter, den Sch o t t el Me l r h i r zu erreichen, sondern
auch diesen und die ganze anstossende Depression füllend als
'Tr i to n s f lu s s ins Mittelmeer abzuströmen. Genau dieselben
Verhältnisse haben wir ja noch in Egypten; nur den Aequatorial-
*) Cfr. oben pag. 146.
seen verdankt es. der Nil, dass er ohne den geringsten Zufluss
•auf der ganzen kolossalen Strecke von der Mündung des Atbara
bis zum Mittelmeere seine Wasserfülle bewahren und die
Sahara in einer Länge von 700 Kilometern durchbrechen kann.
Früher war er noch günstiger gestellt. Das unterste Sammelbecken
an dem Zusammenflüsse des Gazellenflusses mit dem Bah r el
Gebel ist bereits zum Sumpfe geworden und wird in einer ver-
hältnissmässig kurzen Zeit ausgefüllt sein; im Laufe der Zeiten,
allerdings in einem Zeiträume, dessen Grösse wir auch nicht annähernd
schätzen können, wird der Victoria-Nil von den Murchison-
Fällen an bis zum Ukerewe den diesen schützenden Felsriegel
beseitigt haben, die Katarakten werden längst verschwunden sein,
und dann ist Egypten auch das geworden, was heute die Länder
am Unterlaufe des Oued Biskra sind und was es ohne den Nil
immer gewesen sein würde, ein Theil der Saharä, in dem nur o 1 manchmal, wenn die tropischen Regen besonders stark fallen oder
ein besonders hoher Schnee auf den abessynischen Bergen schmilzt,
ein schwacher Wasserfaden an vergangene Zeiten erinnert.
Aber die Ebene von el Outaja ist schwerlich das einzige ehemalige
Sammelbecken am Nordrand der Wüste. Wenn ich die
so überaus- gleichmässige Entwicklung der Gorges am Nordabhang
des Hochplateaus überlege, so scheint mir die Annahme durchaus nicht
allzugewagt, dass auch am Südhange die Beckenbildung sich wiederholen
möge. Von Oued Dr äa wissen wir, dass sich an der
Stelle,: wo er nach Westen umbiegt, das ausgedehnte Seebecken
ed Debaja befindet, das er in manchen Wintern noch wenigstens
theilweise füllt und früher offenbar das ganze Jahr hindurch ge-:
füllt erhielt. Ob sich früher ein zweites Reservoir weiter oben
befand, das die Speisung des unteren Beckens erleichterte, lässt'
sich bei dem traurigen Stand unserer Kenntnisse über diesen
Theil Marokkos nicht sicher bestimmen; jedenfalls geben alle mir
bekannt gewordenen Karten am Oberlauf des Oued Dräa eine
Bergkette an, welche er querdurchbricht; eine frühere Seebildung
ist darum nicht einmal unwahrscheinlich.
Zwischen den Oued Dräa und die Zuflüsse des Schott el-
Melrhir schiebt sich ein drittes Flusssystem ein, das des Oued
Guir oder Mes saou ra, das in direkt südlicher Richtung verläuft.
Noch hat kein europäischer Reisender das Thal dieses
Flusses, an dessen Oberlauf die Oasen von Tuat und Ta f i l a l e t
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