oben gewesen zu sein, und das war uns denn doch die Anstrengung
nicht werth. Wir kletterten noch eine Zeit lang in
den Felsen herum ohne sonderliche Resultate, dann drehten wir
um und kamen im Hotel noch zum Frühstück recht.
Milianah bietet ausser seiner Lage durchaus nichts Interessantes,
denn von dem römischen Mal l iana ist kaum noch eine
Spur übrig und auch die arabische Stadt ist bis'auf wenige Reste
verschwunden. Nur um eine Moschee schwebt noch eine heitere
Erinnerung, die an den frommen Spötter Sidi Mohammed ben
Yussef, der unbeschadet seiner Heiligkeit eine Verwandtschaft
mit unserem Eulenspiegel nicht verleugnen kann. Er hat als
frommer Bettelderwisch ganz Nordafrika durchwandert und jeder
Stadt, je nachdem er aufgenommen wurde, einen mehr oder
minder boshaften Knittelvers angehängt, der heute noch, vier
Jahrhunderte nach seinem Tode, im Munde der Araber' weiter
lebt. In Milianah blieb er endlich und lebte als hochverehrter
Marabut viele Jahre; ob der Vers, den er auf seine Heimath
machte und welcher besagt, dass in Milianah die Frauen die
Hosen an hätten und ihre Männer eingesperrt hielten, auf persönlicher
Erfahrung beruht, meldet die Legende leider nicht, aber
unwahrscheinlich ist es nicht, denn sonst gaben ihm immer höchst
subjektive Empfindungen den Stoff. Wie dem auch sei, seine
Grabstätte in Milianah steht heute noch in grösser Verehrung, so
dass sogar der französische Militärfiskus, der sonst so hartherzig
ist wie der unsere, unerhörter Weise ein menschliches Rühren
empfand, und das Gebäude, das er schon als Kaserne mit Beschlag
belegt hatte, den Gläubigen wieder zurück gab, gewiss das grösste
Wunder, das Sidi Mohammed in Leben und Tod bewirkt hat.
Wir machten nach dem Frühstück noch einen kurzen Gang
durch das Städtchen, besahen den recht hübschen öffentlichen
Garten, genossen noch einmal die Aussicht von der im Reisehandbuch
besonders gepriesenen Läster-Ecke (Com des blagueurs),
dann hielt uns nichts mehr in Milianah. Da aber erst gegen
Abend ein Omnibus ging,' trugen wir unser leichtes Gepäck auf
das üiligencebureau, damit man es uns nach dem Bahnhof hinabschicke,
und machten uns zu Fuss auf den Weg. Steile Traversen
führen durch die Gärten hinunter und kürzen die Strasse um ein
paar Kilometer ab. | Jeder Fuss breit Land ist bebaut und zum
Bewässern eingerichtet, kleine Wasserfälle stürzen von den Felswänden
herunter, stellenweise wurden wir ganz an das reizende
Tlemcen und an Italien erinnert. Hier begriff ich, warum Mauren
und Araber Milianah so rühmen und lieben und warum in jedem
Garten ein Landhaus steht. Ohne von dem beutegierigen Panther
belästigt zu werden, der nach Schwarz*) »unter diesem Füllhorn
des Segens lauert und die Abhänge des Zaccar mit Vorliebe be- •
wohnt« erreichten wir die Heerstrasse wieder, entzückt von den
Gärten, leider ohne alle Ausbeute, obschon die drei dem Schneckenleben
günstigsten Bedingungen, Kalktuff, Wasser und üppige
Vegetation, in einer Weise entwickelt waren, wie man sie sich
besser gar nicht denken kann- Jedenfalls enthält der Kalk
irgend eine Beimengung, welche die Schnecken mit ihren feinen
Zungen eher herausfinden, als die Chemiker.
Aber während wir unter blühenden Mandelbäumen schwärmten,
hatte das schwarze, schwere Wolkending, das schon den
ganzen Morgen am Ouaransenis gehangen, sich los gemacht und
zog mit bedenklicher Eile den Cheliff herauf, gerade auf uns zu.
Es hiess sich sputen, was nach der Anstrengung vom Morgen für
meine Frau keine kleine Zumuthung war, und dabei trat nun
gerade an den Böschungen überall eine schöne Schnecke (Helix
cespitum var.) in so riesigen Exemplaren auf, dass wir sie unmöglich
sitzen lassen konnten. Trotz dieses Hindernisses kamen
wir noch glücklich ins Thal und durch , den grÖssten Theil des
endlosen Städtchens hindurch, aber dann brach das Wetter mit
furchtbarer Gewalt los und zwang uns, in einer kleinen Kneipe
Schutz zu suchen. Der Regen hielt aber so lange an, dass wir
schliesslich doch heraus mussten, und weichte uns auf der kaum
zweihundert Schritte betragenden Strecke zum Bahnhof noch
gründlichst ein. Das entschied über unsere Weiterreise. Wir
hatten beschlossen, nach el Affroun zu fahren und dort zu. übernachten,
um gleich am anderen Morgen den Omnibus nach Cherchel
zu benutzen. Nass und ohne Kleider, zum Wechseln verspürten
wir aber gar keine Lust, es mit dem zweifelhaften Comfort des
Dorfhötels in el Affroun zu versuchen, und .nahmen lieber Billete
nach dem nur wenig entfernteren Blidah. Wir hatten es nicht zu
bereuen, denn in dem Hotel de France fanden wir ein Unterkommen,
so gut wir es uns nur wünschen konnten, und köstliche
Betten zum Ausruhen von den Strapatzen des Tages.
.*) 1. c. p. (59.