
 
		hatte gesehen, mit welchem Interesse wir die Vegetation betrachteten.  
 Hier  rief  er  uns  auf  einmal  an:  schuf,  schuf\  Sidi  (sieh,  sieh'  
 Herr),  und  zeigte  uns  einen  Weinstock,  wie  ich  ihn  allerdings  
 noch  nie  gesehen.  Zu  Tausenden  sassen  die  Gescheine  an  ihm,  
 so  dass  die Blätter  fast  vor  ihnen  verschwanden,  ich  möchte wohl  
 unseren  Winzern  einen  ähnlichen  Ertrag  gönnen. 
 Bei  Pon t   d ’Auma l e  erreichten,  wir  die  Thalsohle  und  die  
 Strasse  und  überschritten  den  Bummel  auf  einer  schönen Brücke,  
 Dann  hat  man  ca.  3 Kilometer  steil  zur Stadt  emporzusteigen  und  
 bekommt  einen  deutlichen  Begriff  davon,  wie  hoch  sie  eigentlich  
 liegt.  Das  macht  den Aufenthalt  in Konstantine  wenig  angenehm,  
 da  man  bei  jedem Spaziergang  auf  dem  Heimweg  die  steile  Höhe  
 erklimmen  muss;  für Leidende  ist es,  abgesehen von  seiner  hohen,  
 rauhen  Lage,  schon  darum  nicht  geeignet. 
 Die  beiden  vorstehend  genauer  beschriebenen  Exkursionen  
 genügen,  um  sich  ein  Bild  von  der  Lage  der  alten  numidischen  
 Königsstadt  zu  machen,  und  die  meisten Touristen  begnügen  sich  
 mit  ihnen.  Wir  fanden  aber  noch  für  ein  paar  weitere  Tage  
 ausreichende  Beschäftigung  und  machten  reiche  Ausbeute,  besonders  
 an  den  Abhängen  und  auf  dem  Plateau  von  Sidi Mecid  uiid  
 in  dessen  Kaktuspflanzungen,  die  zum  Glück  nur  aus  der  fast  
 stachellosen  Form*)  bestanden.  An  dem  mit  Laubmoosen  und  
 Flechten  überreich  bewachsenen Nordabhang  fanden  sich  eine Anzahl  
 interessanter  Arten,  die  nur  auf  den Felsen  von  Konstantine  
 beschränkt  sind.  Die  Schieferabhänge  von  Mansourah  erwiesen  
 sich  dagegen  trotz  des  sie  deckenden Strandkieferwaldes  sehr  arm  
 an  Thierleben;  nur  in  einer  kleinen  Quelle  fand  sich  eine  eigen-  
 thümliche  Schneckenart. 
 Einer  interessanten  Beobachtung  muss  ich  hier  gedenken.  
 Als  wir  an  der  Felsenwand  mit  dem  grössten  Eifer  nach  dem  
 interessanten JBuliminus Milevianus suchten,  der,  ganz mit weissem 
 *)  Man  hat  am Mittelmeer  zwei Kaktusformen,  die  schwach gestachelte,  
 oft  fast  stachellose  Opuntia  ficus  indica  und  die  sehr  stachelige  Op.  amy-  
 claea.  ln  Sicilien  pflanzt  man  zu  Hecken  hier  und  da  auch  die  fast  gerade  
 empor  wachsende,  gegen  Frost  empfindlichere  Op  Dillenvi  Haw.  Der Kabyle  
 pflanzt  mit  Vorliebe  d ie ,stachellose  Form',  die  er  Karmous  el-lcalou  nennt,  
 weil  die  saftigen  Stengelglieder,  klein  geschnitten  und  mit Heu  und Häcksel  
 gemischt,  ein  gutes  Viehfutter  abgeben,  während  die  stacheligen  nur  von  
 wenigen  Thieren  gefressen  werden. 
 Kälkstaub bedeckt,  nur  schwer  zu finden  war,  fand  ich unter einer  
 abgesprengten Steinplatte  mindestens  200 Exemplare  eines  grossen  
 Rüsselkäfers  (Larinus  cardui  L.)  den  wir  sonst  nur  ganz  einzeln  
 auf blühenden Disteln gefunden,  dicht gedrängt  beisammen  sitzend.  
 Aehnliche  Ansammlungen  sonst  nicht  gesellig  lebender  Arten  hat  
 man  gerade  bei  Rüsselkäfern  (z.  B.  dem  gemeinen  Erbsenrüssler)  
 mehrfach  beobachtet,  ohne  dass  es  bis  jetzt  gelungen wäre,  sie  zu  
 erklären, und  auch hier würde es schwer sein, einen plausiblen Grund  
 aufzufinden,  denn  ähnliche Verstecke  waren  in  der  nächsten Nähe  
 in Menge,  ohne  dass  man  o  ' in  einem  auch  nur  einen einzigen Käfer 
 aufgefunden  hätte. 
 Die  Stadt  Konstantine  bietet  gerade  nicht  viel Interesse.  Das  
 Leben  ist  hier  allerdings  viel  mehr  arabisch,  als  in  Algier  oder  
 gar  inOran,  aber  die Ein geborenen,  die  man  auf  der Strasse  sieht,  
 sind  meistens  schmutzig  und verkommen  und  die  eingeborene Bevölkerung  
 ist  auch  hier  entschieden im Rückgang  begriffen.  Kon-  
 \  stantine  hatte  einmal, eine bedeutende  Industrie,  seine  Gerbereien  
 und  seine  Lederarbeiten  waren  berühmt,  aber  heute  sieht  man  
 sich  in  den  Bazaren' umsonst  um,  wenn  man  irgend  etwas  Charakteristisches  
 und Eigenthümliches als  Andenken  erwerben möchte.  
 Nur  europäische  Fabrikwaare  macht  sich  breit,  selbst  die-einst  
 so  berühmten" Schuhe  kommen  aus  Lyon  oder  Pirmasens.  Die  
 Gerberei existirt  allerdings  noch;  dem ganzen Rande  der  Rummelschlucht  
 entlang wohnen  nur Lohgerber  und  der von  ihren Werkstätten  
 ausgehende  Geruch  ist  in  der  ganzen  Stadt  bemerkbar,  
 aber  auch  ihnen wird die  europäische Konkurrenz täglich  fühlbarer.  
 An  den  alten  Sitten  und  Gebräuchen  . hält  man  hier  noch  mehr  
 fest,  wie  in  Algier,  Begräbnisse  wie  Hochzeiten  werden  noch  
 ganz  mit  dem  altherkömmlichen Pomp  vollzogen  und  die  Frauen,  
 die  hier  blaue  Ueberwürfe  und  gelbe  oder  auch  blaue  Gesichtsschleier  
 tragen,  verhüllen  sich  viel  sorgsamer,  als  die  algerischen  
 Mauresken.  Auch  die  Juden  halten  hier  noch  zäher  an  der  Nationaltracht  
 fest,  als  in  Algier,  die  Frauen  haben  spitze  Sammet-  
 mützchen  auf  und  tragen  die  Arme  blos  bis  obenhin;  sie  leiden  
 im  Allgemeinen  nicht  an  übergrosser  Schönheit. 
 Am  interessantesten  ist  noch  der  arabische  Markt,  wo  die  
 Landesprodukte  der  Umgebung  zum  Verkauf  gestellt  werden;  in  
 diesem  Mai  war  er  aber  auch  nicht  sonderlich  reich  versehen.  
 Für  die Agrumen,  die  im  unteren Rummelthale  recht  gut gedeihen,