den Strassenecken oder sitzen am Meeresstrand und läuschen den
Klängen der Musik, die auf der neu angelegten Piazza oder auf
der liotonde spielt. Unwillkührlicli denkt der Fremde bei
ihrem Anblick an Balleteüsen oder Seiltänzerinnen, die man in
Europa allein in solchem Kostüm zu sehen, gewohnt ist. Sie sind
durchschnittlich hübscher als ihre Glaubensgenossinnen in Algier
und erinnerten uns einigermassen an die schönen Bewohnerinnen
der Mellah in Tetuan; jüngere sehen darum auch trotz der seltsamen
Tracht gar nicht übel aus, Kindern von 12—14 Jahren
steht die blaue Seidenblouse sogar ganz reizend; aber es ist
immer einigermassen anstrengend, wenn man eine alte dicke Dame
in diesem Kostüm dahin watscheln sieht und nicht lachen darf.
Gleich am Nachmittag begleitete ich zwei deutsche Maler,
die Herren F. und G. nachMarsa, wo sie eine Wohnung zu miethen
wünschten. Die Bahn, eine Zweigbahn der Linie Goletta-Tunis,
brachte uns in einer Viertelstunde dahin; sie führt durch abge-
erndtete Felder, von denen der bewässerungsfähige Theil schon
wieder mit Mais bestellt war, und recht hübsche Olivenpflanzungen,
und hält sich immer in der Ebene zwischen der Bahira und den
Hügeln, auf denen Karthago lag. Auf einem Hügel an der Bahn
liegt Malga, hineingebaut in die Cisternen Karthagos, in welche
einst die grosse Wasserleitung vom Zaghouan mündete. Die Gewölbe,
mit Thüren versehen, dienen als Viehställe. Seit dem Tode
des Bey Mohamed es Sadok, der seine Residenz in dem Lustschlosse
el Bar do aufgeschlagen hatte, ist la Ma rs a der fashionable
Sommeraufenthalt für die tunisischen Grosswürdenträger und die
reichen Mauren geworden, denn sein Nachfolger, der als Bey du
Camp*) gewissermassen in der Verbannung hier lebte, kann sich
nicht entschliessen, den ihm lieb gewordenen Palast zu verlassen und
kommt nur bei feierlichen Gelegenheiten in seinen Stadtpalast in
Tunis, während er den Bardo nie betritt. So hat sich die Umgebung
des Schlosses rasch 'mit Landhäusern bedeckt, und Marsa
würde noch einen ganz anderen Aufschwung nehmen, wenn nicht
der Grund und Boden ganz dem Bey gehörte, der vor einigen
Jahren auch den ausgedehnten Grundbesitz des Grafen Raffo **)
*) Der officielle Titel des ältesten Familiengliedes nach dem regierenden
Bey.
**) Raffo, der vor einigen Jahren starb, war der Sohn eines genuesischen
Uhrmachers, aber in Tunis geboren. Er war anfangs Subalternbeamter, bis