welche Vorschläge zur Regelung aller Eigentumsverhältnisse
machen soll, die sich nicht ohne Weiteres nach dem französischen
Civilgesetz beurtheilen lassen.
Ein Haupthinderniss bieten die sogenannten Habbus , die
Güter der Moscheen und der frommen Stiftungen, die natürlich
unverkäuflich sind. Ein Theil dieser Habbus entspricht ganz den
türkischen Wakuf; er ist freies Eigenthum der betreffenden
Stiftungen und wird ausschliesslich zu deren Nutzen verwaltet.
Die Stelle eines Verwalters dieser Güter war früher das einträglichste
Amt in Tunisien und gab zu den grossartigsten Unterschlagungen
Gelegenheit. Die Franzosen haben dem ein Ende
gemacht und sehen dem gegenwärtigen Verwalter, dem Scheih
el Gu a r t i n i , scharf auf die Finger, i Die Stiftungen waren
früher steuerfrei, heute zahlen sie eine jährliche Aversionalsumme
von 180 000 frcs. in die Staatskasse. Weit bedeutender ist aber
eine zweite Art von Habbus. Will ein reicher Tuniser seiner
Familie für alle Zeiten ein bestimmtes Einkommen sichern und
sie unabhängig stellen von den Launen des Deys und s seiner
Günstlinge, so übergibt er sein Vermögen einer Moschee oder
einer frommen Stiftung unter der Bedingung, dass die Einkünfte
aus demselben einem Gliede seiner Familie, das er näher bezeichnet,
gewöhnlich dem ältesten der Gesammtfamilie, ausgezahlt
werden und erst dann heimfallen, wenn die Familie ausstirbt.
Eine solche Stiftung kann natürlich nicht konfiscirt werden, denn
selbst der ärgste Tyrann wird nicht wagen, sich an Habbüs zu
vergreifen, aber sie gereicht trotzdem nicht immer der Familie
zum Segen, denn sie wird nicht, wie bei unseren Fideikommissen
von dem Berechtigten verwaltet, sondern von dem Mokaddem,
einem Verwalter, welchen die Moschee oder häufiger der Kadi,
der Richter, ernennt. Dieser Mokaddem kann mit dem Gute
ganz nach Belieben schalten, er kann es selbst bebauen, er. kann
es vermiethen, er kann es sogar vertauschen, wenn der Richter
seine Einwilligung gibt, und hat nur den Reinertrag abzuliefern,
Rechnung braucht er Niemand abzulegen. Das war ganz gut,
so lange die sprüchwörtliche Rechtlichkeit der Mauren galt, aber
in der neueren Zeit treten immer schlimmere Missbräuche hervor
und gar nicht selten theilen Kadi und Mokaddem den Ertrag und
notorisch reiche Familien sehen sich an den Bettelstab gebracht.
Hier könnten die Franzosen vielleicht mit Erfolg einschreiten;
die Erbitterung ist auch bei den Mauren so gross, dass selbst
die muhamedanische Bevölkerung ein Antasten dieser Habbus gut-
heissen würde.
Ein lästiges Hinderniss bei der Grunderwerbung ist das alte
Gewohnheitsrecht der Schufa, welches jedem unmittelbaren Angrenzer
einer Parzelle das Vorkaufsrecht gestattet. Es mag das
eine altberberische*) Einrichtung sein, denn sie findet sich durchaus
nicht in allen mohamedanischen Gebieten und von den verschiedenen
rechtgläubigen Riten des Islam wird sie nur von
den Hanefi, dem in Nordafrika vorherrschenden, anerkannt. In
Tunisien gilt sie aber allgemein und wer ein Stück Land kaufen
will, muss sich erst mit allen Nachbarn abfinden, oder, da das
bei der Unsicherheit der Besitztitel und den häufigen endlosen
Processen oft kaum möglich ist, die Schufa auf irgend eine Weise
umgehen. Gewöhnlich macht man das in der Art, dass man die
Kaufsumme nicht ganz genau stipulirt, oder dass der Käufer ausser
der festgesetzten Summe noch eine Hand voll ungezählten Geldes
gibt, was die genaue Angabe des Preises unmöglich macht. Beim
Verkauf grösserer geschlossener Güter zieht man aber gewöhnlich
ein anderes Verfahen vor und schliesst einen schmalen Streifen
längs der ganzen Grenze vom Verkauf aus, so dass kein Nebenlieger
unmittelbar an das verkaufte Stück grenzt. Doch genügen
auch diese Vorsichtsmaassregeln nicht immer und es wird den
Franzosen nichts übrig ^leiben, als die Schufa ausdrücklich aufzuheben**).
*) Ganz dasselbe Recht galt bekanntlich in vielen deutschen Gauen,
ein Ausmärker konnte Grund und Boden erst erwerben, wenn kein Nachbar
ihn kaufen wollte. Man ygl. oben S. 229.
**) Sehr lehrreich für Jeden, der Grundbesitz in Tunis erwerben will,
sind die Vorgänge beim Verkauf der Domäne Enf ida, die ja eine Zeit lang
zu einer Haupt- und Staatsaktion aufgebauscht würden. Die Enfida, der
Haupttheil der fruchtbaren Provinz B y z a c e n a , vielleicht seit den Römerzeiten
Staatsdomäne, war von dem vorigen Bey seinem Günstling, dem
Tscherkessen Khe i r e ddi n , geschenkt worden und wurde von diesem, als
er seinen Sturz kommen sah, an die Compagni e f r a n c o - a f r i c a i n e zu
einem Spottpreis (2l/a Mill. Fcs.,. .einschliesslich des Palais in Goletta und
verschiedener anderer Güter) verkauft. Der Schufa wegen hatte man einen
meterbreiten Streifen ringsum vom Verkaufe ausgeschlossen, aber nun erschien
ein unter englischem Schutz stehender eingeborener Israelite, Namens
Levy, producirte Dokumente, nach denen ihm auch ein Gütchen innerhalb
der Domaine gehörte* und beanspruchte die Schufa; er deponirte auch als