sah man noch zur Zeit des Yandalenkrieges die Denksäulen,
welche die ersten Ansiedler errichtet hätten. Proko p iusvo n Caesarea,
der Begleiter Belisars, der als Phönizier von Geburt hier
besondere Autorität beanspruchen kann, sagt ausdrücklich *), sie
hätten in phönizischer Sprache die Inschrift getragen; »Wir sind
diejenigen, welche vor dem Angesicht des Räubers Jesus (Josua),
des Sohnes Naues?, geflüchtet sind.« Da auch der heilige Augus
t in u s und Eus ebius bekunden, dass zu ihrer Zeit in einzelnen
Theilen des heutigen Tunis noch phönizisch gesprochen
und sogar gepredigt wurde, steht die Existenz einer mit asiatischen
Elementen gemischten Bevölkerung im heutigen Tunis
ausser Zweifel.
In den damals noch unabhängigen Gebieten der Massäsylier
und Numiden wie der Mauritanier mag die Bevölkerung ungemischter
geblieben sein, aber auch hierhin kam ein fremdes, civi-
lisirteres und ziemlich zahlreiches Element durch die römischen
Kolonien und einzelnen Ansiedler, und gegen das Ende der Kaiserzeit
waren zweifellos alle die zugänglicheren Theile des östlichen
Kordafrika von einer völlig civilisirten Mischbevölkerung bewohnt, 1
welcher die von der Kultur unbeleckt gebliebenen reinen Bergstämme
in den Aures, der Kabylie,' dem Rif und dem hohen
Atlas sowie in der Sahara fremd und feindlich gegenüberstanden.
Die Vandalen haben diese Bevölkerung nicht vernichtet, sondern
ihnen nur einen Theil ihres Landes abgenommen und als
Herren über ihnen gesessen, die Araber, welche die Afar e k
wohl von den Berbern unterscheiden, gerade wie Prokopius
immer die Libyer und Maurusier in Gegensatz bringt, haben
ihnen, soweit sie sich nicht zum Islam bekehrten, die Kopfsteuer
auferlegt, wie der Koran vorschreibt, aber sie auch
nicht ausgerottet, ausgewandert sind sicher auch nur wenige Wohlhabendere,
was soll also aus ihnen gewo rden sein,
wenn n i c h t die Ma u r e n der J e tz t z e i t i h r e Na c h k ommen
s ind? Dass sie heute ganz arabisirt sind, ist nicht der
geringste Beweis dagegen; die Bekehrung zum Islam ist zwar
nur langsam erfolgt, bis ins elfte Jahrhundert hielten sich ein-
zelne Christengemeinden in Nordafrika, aber wo sie einmal erfolgt
*) De bello Yandilico II Cap. 10. — Prokopius gibt die Thatsache
als ganz sicher, und hat also die'Säulen entweder selbst gesehen oder doch
zweifellose Nachricht darüber erhalten.
war, führte sie sicher zur Arabisirung, die Sprache des Koran
drückte die alte Kultursprache, die ohnehin nicht überall durchgedrungen
war, zur Lingua franca herab.
Nehmen wir die Mauren als die Nachkommen der romani-
.sirten Städtebewohner und Ackerbauer, so verstehen wir auch sofort,
wie Nordafrika und Spanien unter ihrer Herrschaft eine
Entwicklung nehmen mussten, der sich keine in einem anderen
mohamedanischen Lande zur Seite stellen kann. Die Araber waren
es gewiss nicht, welche die Alhambra und die Prachtbauten
in den nordafrikanischen Fürstenresidenzeil schufen, aber man braucht
auch nicht anzunehmen, dass Christensklaven als Baumeister gedient
oder dass alle die berühmten Gelehrten des Maghreb christliche
Renegaten gewesen seien. Nordafrika hatte Kulturelemente
genug O O in sich,7 um den Aufschwung , zu erklären. »
Dass man den Arabern die maghrebinische Kultur überhaupt
zugeschrieben hat und noch zuschreibt, dass man es unbegreiflich
findet, wie ein so hoch civilisirtes Volk bis auf die Kulturstufe
unserer Zigeuner habe her unter sinken können, beruht auf der
Unkenntniss der Ethnographie Nordafrikas. Wie die mittelalterlichen
Chronisten Alles, was Turban trug und Allah anrief, Sara-
cenen nannten, so ist heute noch den meisten Schriftstellern Jeder,
der arabisch redet, ein Araber und man unterscheidet am
ganzen Mittelmeer nur zwei mohamedanischen .Stämme, Türken
und Araber. Nordafrika besonders gilt, höchstens bis auf die
Kabylen in der grossen Kabylie, für arabisches Land. In der
That ist aber die Rolle, welche der arabische Stamm in Nordafrika
spielt, eine weit geringere, als man denkt. Ein kurzer
Rückblick auf die Geschichte seines Eindringens mag das beweisen.
Zu zwei verschiedenen Malen sind Araber in grösseren Massen
in das Maghreb eingedrungen. Das erste Mal kamen sie nur als
Eroberer. Okba i bn Ami r sandte^ unter der Führung von
Mouawia ibn Hudeidsch im Jahre 40 der Hedschra ein Heer
ab; es eroberte die Cyrenaika, Tripolis und einen Theil von Tunis,
zerstörte Dsch e l ü l a und die damalige Hauptstadt Su f f e -
tulae (heute Sbeitla), schlug Gregor ius (von den arabischen
Chronisten Dschirdschir genannt) in der Ebene von Aukuba vollständig
und begründete das heilige Kairouan. Die Abgaben der
verschiedenen Chronisten über diese Zeiten sind sehr verworren;
anscheinend fanden die Araber anfangs Hülfe bei den Berbern,