Einen kleinen Rekognoscirungsausflug nach Tunis abgerechnet,
blieben wir bis zum 16. Juni in Goletta, mit der Ausbeutung der
Umgegend beschäftigt. Eine grössere Exkursion unternahmen wir
nur am 14. Juni, eine Bootsfahrt nach Hammam- e l -Enf , und
diese verregnete so entschieden, wie eine Landparthie nur kann.
Wir hatten zusammen mit Herrn von Knapp, einem jungen
Kaufmann aus Köln, der mit grossem Eifer die Einführung deutscher
Industrieprodukte nach Tunis betreibt, ein Boot mit zwei Ruderern
gemiethet und fuhren wohlgemuth über die spiegelglatte Meeresfläche,
dem Bou Kornein zu. Noch waren wir ziemlich entfernt
vom Lande, da zog ein Gewitter vom Zaghouan her auf und
näherte sich mit solcher Schnelle, dass es uns fasste, ehe wir
das Land erreichten. Zum Gluck kam es fast ohne Wind und
wir erkauften nur mit einer leichten Durchnässung den Genuss,
das bei einem schweren Platzregen entstehende wunderbare
Earbenspiel auf der glatten- Meeresfläche aus nächster Nähe zu
betrachten. Plötzliche Stürme sind hier nicht selten und mitunter
sehr unangenehm; wenige Wochen später wurden ein paar Badegäste
in Hammam bei einer Spazierfahrt längs des Strandes von
einem solchen Windstoss erfasst und weit hinausgeführt; das Boot
kenterte, der eine Insasse versuchte ans Land zu schwimmen, ertrank
aber dabei; der andere klammerte sich an das Boot an
und wurde nach vierundzwanzigstündigem Umhertreiben, freilich
in einem traurigen Zustande, gerettet. Ein paar auf dem seichten
Grunde liegende Wracks zeigen, dass selbst grössere Schüfe hier
zuweilen gefährdet sind.
Wir erreichten glücklich den flachen Strand und landeten
ohne Mühe, aber es war nicht leicht, sich durch das überschwemmte,
aus zähem Thonboden bestehende Vorland durchzuarbeiten. In
einem kleinen, aus Brettern erbauten Restaurant fanden wir Schutz,
und es war hohe Zeit, denn nun zog ein zweites Wetter heran
und die Schleussen des Himmels öffneten sich, um sich sobald
nicht wieder zu schliessen. Es blieb uns keine Wahl, wir mussten
stille sitzen, bis der Nachmittagszug nach Tunis abging, und
auf dem Umweg über dort nach unserem Quartier zurückzukehren.
Eines Besuches muss ich noch gedenken, den wir dem Palast
des ehemaligen allmächtigen Ministers'Kheireddin machten. Es
ist ein Prachtbau in italienischem Styl, nach dem Meere zu mit
einer doppelten Loggia, von denen die obere mit Glasfenstern-geschützt
ist, innen alles aus Marmor, das Ganze wie gemacht zu
einem Winteraufenthalt für Brustkranke und vielleicht noch mehr
für solche, deren Nerven durch Ueberarbeitung angegriffen sind-
Von den Loggien aus, unter denen unmittelbar das Meer wogt,
hat man einen wunderbaren Blick,- eine Aussicht, wie man sie
auch in Italien kaum schönerfinden kann; zur Linken liegen die
Hügel, auf denen einst Karthago thronte, mit der weissen Häusermasse
des heiligen Sidi bou Sai d, auf der anderen Seite erstrecken
sich die Berge der Halbinsel Da k h e l a vom Bou Kornein
bis hinaus zum fernen Kap Bon, das neben dem Kegel
von Zemb r a wie ¿ine zweite Felseninsel erscheint. Nach der
Landseite hin ist der Palast völlig maskirt durch einen wundervollen
Park, der seines Gleichen in Tunis nicht hat. Er ist das
Werk eines elsässischen Kunstgärtners NamensW eb er, der leider
vor einigen Jahren gestorben ist. Dank eines Zweiges der grossen
Wasserleitung, die vom Zaghouan herkommt, und eines im Garten
selbst angelegten Röhrennetzes, das jeden einzelnen Baum zu
bewässern gestattet, ist es möglich gewesen hier mitten im Dünensand,
der sonst kaum hier und da einen Dornbusch oder eine
verkümmerte Dattelpalme trägt, binnen zwanzig Jahren diese
wunderbare Anlage zu schaffen, gewiss ein sprechender Beweis
für die zauberhafte Macht des Wassers in diesen Ländern. —
Der Palast diente zur Zeit unseres Besuches als französisches
Militärspital und, war darum für gewöhnlich unzugänglich; wir
verdankten der gütigen Vermittlung der Frau Dr. Kunitz, der
liebenswürdigen Frau. des In Tunis seit Jahren ansässigen deutschen
Augenarztes, die uns während des Aufenthaltes in Tunis nut
Freundlichkeiten überhäufte, die-Möglichkeit, ihn trotzdem zu besuchen.
Seitdem ist das Lazareth in einen Neubau auf einer
vorspringenden Landzunge mehr nach Karthago hin übergesiedelt
und der Palast steht wieder leer; die französische Gesellschaft,
welche ihn nach dem Sturz des Erbauers mit sämmtlichen anderen
Gütern desselben erwarb, würde das Besitzthum, dessen Anlage
mehrere Millionen gekostet hat, gerne für 300 000 Fes-, verkaufen.
In der den Paläst umgebenden Ebene sah ich zum ersten Mal die
primitiven Bewässerungsanlagen, welche in Tunisien die sonst am
Mittelmeer gebräuchlichen Schöpfräder (Noriahs) überall da ersetzen,
wo nicht vertriebene Andalusier angesiedelt sind. Die beigedruckte
Fmur mag einen Begriff davon geben. Am Rande eines bis zum