freilich meistens etwas tbeuer zu stehen, denn kaum sassen wir,
so waren auch schon die maurischen Hausirer da und legten uns
alle möglichen Sachen vor, wie sie für den Fremden in Algier
und der Kabylie, oder auch vielleicht noch öfter in Paris, Offenbach
und Sachsen angefertigt werden. Besonders Hamed und Ali,
zwei jedem Algier besuchenden Touristen bekannte Figuren, hatten
sehr -schnell unsere schwachen Seiten herausgefunden und. nachdem
sie ein paarmal vergeblich versucht hatten uns mit Wurzener
Geweben, Pirmasenzer Schuhen, Offenbacher Portefeuillewaaren
und Pariser Pfeifen anzuführen, brachten sie auch die reizenden
kabylischen Metallarbeiten mit filigran artigen aufgelötheten Arabesken,
die nur in Algier angefertigt werden, kabylische Flissas
und dergleichen mehr und Hessen feie uns, freilich erst nach langem
Feilschen, zur Hälfte des Preises, den man in den grossen orientalischen
Bazars fordert. So erwarben wir schliesslich eine ganze
Menge hübscher Andenken, ein Kaffeeservice in ouvrage Tcabyle aus
Messing mit aufgelötheten (oder vielleicht auch nur aufgeklebten?)
Verzierungen in reizenden stylvollen Mustern, aus einer Kanne
einer verzierten Platte und vier Untersetzern (Sraf) bestehend,
eine ganze Anzahl von kleineren Schälchen, und die ganz wunderschönen
kleinen Anhängefläschchen (Mekkalei), in denen man das
Antimon zum Färben der Augenlider, oder auch Essenzen und
wohlriechende Wasser mit sich führt. Die Händler waren im
Anfang etwas zudringlich, aber bald kamen wir auf den richtigen
Fuss miteinander und es brauchte, wenn wir nichts kaufen wollten
nur eines abweisenden Winkes, um uns für den Tag Ruhe zu
verschaffen.
Wer in Algier zum erstenmal aussereuropäisches Gebiet betritt,
dem bietet das Volkstreiben ein überraschend buntes Bild,
das ihm ächt orientalisch erscheint, so lange er noch nicht weiter
östlich gewesen ist. Geht er nachher nach Constantine und Tunis
so wird ihm freilich Algier schon sehr zivilisirt Vorkommen, gerade
wie Tunis dem erscheint, welcher den eigentlichen Orient kennt.
In der unteren Stadt tritt die europäische Bevölkerung noch sehr
in den Vordergrund, um so mehr, als das ganze europäische Leben
sich auf die beiden Hauptplätze und die wenigen von diesen
ausgehenden neuen Strassen konzentrirt. Zwischen Vertretern
aller möglichen westeuropäischen Nationen.— die Griechen sind
in Algier auffallend spärlich vertreten — machen sich in erster Liniedie
eingeborenen Juden und die Mauren bemerklich, beide für
den Neuankommenden durchaus nicht zu unterscheiden, so sehr
öleichen sie sich in Tracht und Aussehen. Es sind durchschnitt-
lieh schöne stattliche Gestalten, durch die kleidsame Tracht noch
mehr hervorstechend, mit vollen Bärten und würdigem gemessenem
Benehmen. Da sie auf vollständig gleichem Fuss mit einander
verkehren, heisst es scharf aufpassen, um sie auseinander zu halten,
und erst nach und nach lernt man die kleinen Unterschiede
kennen, an denen sie zäh festhalten, da der Jude, (stolz auf
das ihm durch die loi Cremieux ertheilte französische Bürgerrecht,
durchaus nicht für einen Mauren, und der Maure natürlich
noch viel weniger für einen ungläubigen Jhudi gehalten werden
will. So trägt der Jude*) immer Strümpfe bis zum Knie hinauf,
der Maure nur Halbstrümpfe, welche die Wade freilassen, der
Jude hat die Aermel an der maurischen Jacke bis zum Ellenbogen
öeschlitzt und den Schlitz an beiden Rändern mit breiten Goldlitzen
besetzt, beim Mauren sind die Aermel bis vornen hin ganz und vom
Ellenbogen bis zum Handgelenk mit einer Goldlitze und vielen
kleinen Knöpfchen geziert Ausser dem trägt der Maure stets v
irgendwo an seiner Kleidung befestigt ein feines buntes Schnupftuch.
Sonst, sind Turban, Jacke, Schärpe, Hosen und Pantoffeln
ganz gleich in Schnitt und Farbe. Ist ja doch der nord-
afrikanische Jude, der seit mehr als tausend Jahren erst in Spanien,
dann hüben unter Mauren und Arabern lebt, -auch in seinem Inneren
vollständig arabisirt worden, so dass ihn ausser seiner Religion
nur noch Mer grössere Spekulationsgeist von dem Mauren unterscheidet.
Die jüngere Generation europäisirt sich übrigens auffallend
schnell und nur die Alten halten noch zäh an der maurischen,
Tracht fest; unter den Frauen machen auch die älteren
der europäischen Mode schon hier und da Konzessionen. Doch
sieht man sie am Sabbath noch in Menge in schweren glatten
Seidenkleidern mit goldgestickten Leibchen, einen bunten Shawl
umgeschlagen und ein goldgesticktes Tuch mit Tressen um den
Kopf., Einige' der frömmsten lassen auch die Mädchen noch diese
Tracht beibehalten, die meisten kleiden sie nach der neuesten
Pariser Mode. —
Durch seinen Spekulationsgeist ist der Jude trotz seiner geringen
Bildung dem Mauren doch immer weit überlegen, und seit-
*) Diese Unterschiede gelten nur für die Stadt Algier.