und die höheren Chargen sehen sich auf die Einnahmen reducirt,
welche sie als Kaid ihres eigenen Stammes haben. Um sie für den
schweren Verlust einigermassen zu entschädigen, ist schon 1881
unter dem Gouverneur 'Grevy eine Kasse gegründet worden, in
welche 5 9/0 des Zehnten, sowie alle den Kaids auferlegte Geldstrafen
fliessen, und aus welcher die Geschädigten einigen Ersatz
erhalten. Natürlich sind die Herren damit nicht zufrieden, aber
zuverlässig waren sie ohnehin nie, und wenn die neue Einrichtung
sich erst einmal eingebürgert hat, werden die Aufstände schon
etwas mehr Schwierigkeiten finden. Den armen Arabern bringt
die neue Verfassung vorläufig noch keinen Vortheil, da man
nicht daran gedacht hat, den Antheil der oberen Rangstufen vom
Zehnten abzuziehen ; sie werden von den Kaids geradeso arg ausgepresst,
wie früher.
Die Kolonisten in den Communes mixtes sind mit der neuen
Einrichtung durchaus nicht überall zufrieden und vielfach hört
man sie die Zeiten zurückwünschen, in denen noch die Bureaux
arabes regierten. Diese verfuhren zwar überaus despotisch, aber
sie wurden doch von Beamten geleitet, die ihre Carrière in Algier
gemacht hatten und Land und Leute genau kannten. Die Ad-
ministrateurs sind aber, wie das bei der ganz plötzlich erfolgenden
Umgestaltung gar nicht anders sein konnte, vielfach frisch herübergesandte
Franzosen, und viele, die 8—10000 Araber unter sich
haben, verstehen kein Wort arabisch und haben nicht einmal eine
Idee von dem Unterschied zwischen Araber und Kabyle. Sie sind
also ganz abhängig von ihren Untergebenen und den einheimischen
Interpreten und daraus entspringt mancher schwere Missgriff.
Doch wird das von Jahr zu Jahr besser werden und im
Allgemeinen haben doch die bürgerlichen Adminfstrateurs viel
mehr Sinn für die Entwicklung des Landes und das Gedeihen der
Kolonisation, als die militärischen Beamten der Bureaux arabes,
welche in jedem Kolonisten eine Gefahr für ihr absolutes Regiment
sahen.*)
' *) Der ehemalige Deputirte für Algier, G as tu , erzählt ( le p e u p le
a lg e 'r ie n , p. 9), dass 1871 eine ganze Menge Kabylen nach Bougie kamen,
um sich naturalisiren zu lassen ; aber das Bureau arabe liess die vornehmsten
einsperren und schüchterte die anderen so ein, dass nur 42 auf ihrer
Absicht bestanden. Dem Stamm der Beni Moha l i , der in corpore natu-
ralisirt sein wollte, soll in demselben Jahre die gleiche Behandlung wider-
Unmittelbar Akbou gegenüber erhebt sich aus dem Thal ein
spitzer Bergkegel, nach keiner Seite mit dem Gebirge zusammenhängend,
der Pi to n d ’Akbou . Er war offenbar zur Zeit, wo
der Sahel sich noch nicht den Weg durch das Küstengebirge gebahnt
hatte', eine Insel in einem weiten See. An seinem Fusse
lac die Römerstadt Ausus, deren Citadelle seinen Gipfel krönte;
ein Grab mit einer Inschrift befand sich hier noch, bei der Eroberung
durch die Franzosen. Die Stadt selbst ist spurlos verschwunden,
vielleicht begraben unter den Anschwemmungen des
Oued Illoula, der im Sommer trocken, im Winter em wil er
Bergstrom wird und enorme Massen von Schlamm und Geröll
von den Bergen herabführt. Zur Türkenzeit hauste oben em
Kabylenstammy der wie von einer sicheren Burg aus das ganze
Sahelthal brandschatzte und auch den Franzosen zu trotzen wagte,
bis eines schönen Tages der alte Pelissier den Berg umstellen
liess und dann ein regelrechtes Treiben veranstaltete.' Seitdem ist
der Berg unbewohnt. Seine steilen Abhänge, an denen herablaufende
Felsrippen schon von weitem erkennbar waren, hatten uns
angelockt und wir trieben uns den ganzen Vormittag dort herum.
Neben den1 gemeineren Schneckenarten fanden wir hier zum
ersten Mal eine Vertreterin der für das östliche Nordafrika charakteristischen
Gruppe der lamellentragenden F e r u s s a c i e n , die
ich früher nur einmal am Rande der Sahara bei Saida gefunden,
die aber Von nun an nirgends mehr fehlten. Diese Gruppe ist auch
dadurch interessant, dass sie einen Vertreter in Sicilien hat, was
für die Frage nach dem ehemaligen Landzusammenhang nicht
unwichtig ist. L , ‘ •. "n
Für den Mittag hatten wir einen Rekognoscirungsausfiug
nach den Kalkmassen auf der Westseite vorgesehen, die verlockend
herüherwinkten, aber schon als wir den Berg wieder
hinaufgingen, trübte, sich der Himmel und wir waren kaum unter
Dach, als es tüchtig zu regnen anfing. Da war nichts zu machen
und wir machten uns schon auf einen recht langweiligen Nachmittag
gefasst, als ich mich erinnerte, dass ich ja den Lehrer von Akbou,
Herrn Sabat i e r , in Algier kennen gelernt und dass er mich einr
fahren sein. Gastu’s Angaben sind aber mit einiger Yorsicht aufzunehmen
und es ist jedenfalls merkwürdig, dass bei den jetzt so seb-r erleichterten
Bedingungen die hartköpfigen Kabylen noch nicht wieder auf ihre Naturali-
sationsgelüste zur.ückgekommen sind. 13,